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# taz.de -- Wie Schröder Peter Steudtner half: Schöne Geschichte
> Gerhard Schröder soll bei der Freilassung der acht
> Menschenrechtsaktivisten in der Türkei vermittelt haben. Und die anderen?
Bild: „Ich bedanke mich bei allen, die uns unterstützt und uns nicht drinnen…
Zum Abschied empfing Gerhard Schröder ein Versprechen. Drei Wochen nach der
verlorenen Bundestagswahl, kurz vor der Übergabe des Kanzleramts an Angela
Merkel, war er noch einmal nach Istanbul gereist. Jahrelang hatte er sich
als Bundeskanzler dafür eingesetzt, dass die EU Beitrittsverhandlungen mit
der Türkei aufnimmt. Im Oktober 2005 war es tatsächlich so weit. Und jetzt,
nur wenige Tage nach dem Start der Gespräche, holte sich Schröder den Dank
dafür ab.
„Sehr geehrter Freund, sehr geehrter Herr Bundeskanzler“, sagte der
türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan, als er Schröder damals in
Istanbul zum Fastenbrechen empfing. „Die Türkei vergisst nie ihre Freunde,
die in kritischen Zeiten zu ihr gehalten haben.“
Zwölf Jahre und 13 Tage nach dem Treffen in Istanbul hat sich das lange
Gedächtnis des heutigen türkischen Präsidenten offenbar bewährt. Am
Mittwochabend entschied ein Gericht in der türkischen Metropole, den
inhaftierten deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner freizulassen.
Stunden später ließ Außenminister Sigmar Gabriel über Spiegel Online
verbreiten, wie es dazu kam: Er selbst habe seinen Parteifreund Schröder im
September als Vermittler zu Erdoğan geschickt. Die Reise des Exkanzlers
führte erst zu Gesprächen der Außenminister und schließlich zur Lösung im
Fall Steudtner. Eine schöne Geschichte – vor allem für Gabriel (der kurz
vor seinem Ausscheiden aus dem Amt einen Erfolg melden kann) und Schröder
(der in den letzten Monaten eher mit Geschäften auf eigene Rechnung als mit
Diensten fürs Land Schlagzeilen machte).
Vielleicht ist es auch wirklich so gelaufen. Diesen Eindruck erwecken
zumindest die Schilderungen von Özcan Mutlu. Der ehemalige
Bundestagsabgeordnete der Grünen war schon öfter als Prozessbeobachter in
der Türkei, am Mittwoch zu Steudtners Prozess wieder. Für ihn hatte sich
die Freilassung im Laufe des Tages bereits angekündigt. „Es war anders als
sonst: Die Richter waren entspannt, die Staatsanwälte ruhig, die
Angeklagten durften ausreden. Das hat mich irritiert, aber auch
hoffnungsvoll gestimmt“, sagte Özcan Mutlu am Donnerstag der taz.
Fragt sich nur: Was bedeutet der Stimmungswandel im Istanbuler Gericht für
die übrigen deutschen Häftlinge? Die Bundesregierung sprach bisher von elf
Deutschen, die als politische Gefangene einsitzen. Neben Steudtner sind
zwei weitere Betroffene namentlich bekannt: die Journalistin Meşale Tolu,
deren Prozess Mitte Oktober begann, und der Welt-Korrespondent Deniz Yücel,
gegen den es nach acht Monaten Haft noch immer keine Anklage gibt.
Die Fälle der beiden sind komplizierter als der von Steudtner: Der
Menschenrechtler hatte nur einen kurzen Türkeiaufenthalt für einen
Menschenrechts-Workshop geplant. Tolu und Yücel lebten dagegen dauerhaft
in der Türkei, hatten mehr Kontakt zu Oppositionellen und mehr Zeit, sich
bei den Behörden unbeliebt zu machen. Ist Steudtners Freilassung trotzdem
auch für sie ein gutes Zeichen?
„Ich hoffe, dass die Freilassung von Peter Steudtner auch für Deniz, Meşale
und für alle anderen eine Chance ist, weil die Türkei merkt, dass sie es
überreizt hat“, sagt der Grüne Mutlu. „Zuvor hatte die Bundesregierung zu
lange geschwiegen. Erst nach der Verhaftung von Peter Steudtner hat Berlin
die Samthandschuhe ausgezogen. Das hat anscheinend Wirkung gezeigt.“
## „Weiter Druck machen“
Tatsächlich hatte die Bundesregierung nach Steudtners Inhaftierung einen
Kurswechsel angekündigt. Sie drohte mit der Kürzung von Exportbürgschaften
und EU-Beitrittshilfen. „Weiter Druck machen“ war dann auch am Mittwoch
eine häufige Forderung aus den Bundestagsparteien.
Aber ist Druck allein alles? Die türkische Regierung habe „alle Zusagen
eingehalten“, sagte Außenminister Gabriel am Mittwoch zu Spiegel Online. Ob
umgekehrt auch die deutsche Regierung den Türken Zusagen gemacht hat,
wollte das Auswärtige Amt auf Nachfrage nicht sagen. Dafür äußerten sich
andere: die Sondierer in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft am
Reichstagsgebäude. „Wir sollten die Türkei ermutigen, diese Schritte
weiterzugehen“, sagte FDP-Mann Wolfgang Kubicki.
Vor der Freilassung der anderen Deutschen könne es „keine Normalisierung im
Verhältnis zur Türkei geben“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. „Die
Beitrittsgespräche der EU müssen jetzt einfach beendet werden“, sagte der
CSU-Politiker Joachim Herrmann. Hoffentlich hat ihn Erdoğan nicht gehört.
26 Oct 2017
## AUTOREN
Tobias Schulze
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