# taz.de -- Debütalbum von US-Talent Kelela: Der Zukunft zugewandt | |
> Schmuddeliger Grime und schmusiger R&B: US-Pop-Hoffnung Kelela legt mit | |
> „Take Me Apart“ ein vielschichtiges Debütalbum vor. | |
Bild: Ab und an mal Durchatmen: Kelela | |
Eine Trennung mitzumachen ist die eine Sache. Die widersprüchlichen | |
Emotionen in Wort und Sound zu erfassen und dem Gegenüber dabei | |
respektvoll, aber mit der nötigen Klarheit zu begegnen, die andere, die | |
weitaus tückischere. Kelela kann das. „There’s a place you hold I left | |
behind, I’m finished / Since you took your time, you should know why I’m | |
quitting“, singt die 34-Jährige in „Frontline“, dem Auftaktsong ihres | |
Debütalbums „Take Me Apart“ über einen bedrohlich-verheißungsvollen | |
Synthie-Soundteppich. | |
Damit knüpft Kelela thematisch an ihre 2015 erschiene EP „Hallucinogen“ an, | |
auf der sie furchtlos und verletzlich zugleich eine gescheiterte Beziehung | |
verarbeitete. Mit „Take Me Apart“ erweitert sie das Spektrum, hält nicht | |
nur Rückschau, sondern gewährt Einblicke ins Gefühlschaos: „I’m so tired, | |
but it’s not enough right now. Boy, you always manage to change my mind.“ | |
(„Enough“). | |
Kelela Mizanekristos wuchs in Gaithersburg, Maryland, in der Nähe von | |
Washington, D. C., auf, ihre Eltern waren aus Äthiopien in die USA | |
geflüchtet. Als Kind nahm ihr Vater sie mit in Jazzclubs, in ihrem Zimmer | |
sang sie zum Radio, entwickelte die Songs weiter. In den Gottesdiensten der | |
äthiopischen Gemeinde, die sie mit ihrer Mutter besuchte, lernte sie | |
traditionelle Gesangstechniken kennen, die ihren lichten und präzisen | |
Gesangsstil geprägt haben. | |
Die Fähigkeit, genau hinzuhören, schulte sie in ihrer Zeit als | |
„Jazz-Gattin“, als sie oft zu Konzerten ihres Stehbass spielenden Freundes | |
ging. Später sang sie Jazz-Standards in Cafés, kam mit Synthiepop und Punk | |
in Berührung. Der D.I.Y.-Gedanke von Punk und die Lust, Regeln zu | |
unterwandern, gefielen ihr. Kelelas Intermezzo als Sängerin einer | |
Prog-Metal-Band fühlte sich dagegen unpassend an, sie ließ es bald wieder | |
sein. | |
## Entspannte Weltläufigkeit | |
Und doch haben all die Einflüsse, seien sie noch so disparat, Eingang auf | |
„Take Me Apart“ gefunden. Unterschiedlichste Genres und Stile schwingen in | |
jedem Track mit. Das verleiht ihrem R&B-Sound eine entspannte | |
Weltläufigkeit. Schlüssigerweise arbeitet Kelela bevorzugt mit britischen | |
Produzenten, die schmusigem R&B schmuddeligen Ostlondoner Grime | |
unterjubeln. Die Veröffentlichung des Debütalbums beim englischen Label | |
Warp Records passt da gut ins Bild. | |
Die unvorhersehbaren Drehungen in ihren Arrangements gefielen auch dem | |
Manager von Solange Knowles, der 2012 ein Konzert von Kelela sah. Solange | |
nahm sie mit auf Tour, 2013 stellte Kelela ihr Mixtape „Cut 4 Me“ ins Netz, | |
zwei ihrer Songs tauchten auf der von Solange zusammengestellten | |
Kompilation „Saint Heron“ auf. | |
Anfang dieses Jahres ging sie dann mit The XX auf Tour. Zusammen mit Romy | |
Madley Croft von The XX schrieb sie „Frontline“, einen waschechten | |
90er-Jahre-R&B-Song, der nichts Böses will und dessen akzentuiert laszive | |
Chorarrangements Erinnerungen wachküssen an Destiny’s Child und Clips, in | |
denen diese in bauchfreien Tops und pludrigen Video-wegbring-Hosen synchron | |
dem Sonnenuntergang entgegenmoven. | |
## Synthie-Stafetten | |
Mit dem Schub des größenwahnsinnigen 90er R&B alter Schule im Rücken, | |
gelangen Kelelas Songs auf geradem Weg in die Zukunft. Im Titeltrack „Take | |
Me Apart“ sitzt sie in einem Raumschiff und verlässt, angetrieben von | |
schnarrenden Synthie-Stafetten, die Erde in Richtung blühender | |
Mondlandschaften. Im darauf folgenden Track „Enough“ erkundet sie die karge | |
Kraterlandschaft, wie eine Wünschelrute klickern die Sounds durch den | |
eiskalten Raum, Kelelas Gesang kommt aus allen Richtungen, schwillt an und | |
ab, es gibt kein Entkommen, wir taumeln in anderen Sphären. | |
In „LMK“ werden sie verlassen, zu Bollersounds steigen wir langsam, mit | |
Triangeln in Händen, die enge Treppe in einen Partykeller hinab, in dem | |
Kondenswasser von der Decke tropft. Aber die lichte Downtempo-Nummer „Blue | |
Light“ befördert die verschwitzte Partycrowd im Morgengrauen via | |
Hydrauliksounds und Vocoder auf dem Backgroundgesang wohlbehalten wieder | |
nach draußen. | |
Kelela dosiert gesangsverzerrende Effekte wohlüberlegt: Im fast etwas arg | |
poppigen „Onanaon“ ist sie hin und her gerissen, versucht Strukturen in | |
einer Beziehung zu verstehen: „You don’t know why you always react / I | |
don’t know why I always fight back“, und illustriert das mit ratlosem | |
Autotune-verzerrtem Gestotter. In „Turn to Dust“ untermalen fordernde | |
Streicherarrangements mit dezent-bedrohlichem Bassgewummer das Gefühl der | |
Auflösung, aber auch die Gewissheit, dass es weitergeht in Richtung | |
Zukunft. Mit „Take Me Apart“ ist Kelela ein 2-in-1-Album geglückt: | |
Liebesleidende fühlen sich beim Decke-übern-Kopf-ziehen umhegt und | |
Feierlustige bleiben auf der Tanzfläche bis zum Sonnenaufgang. | |
12 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Sylvia Prahl | |
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