| # taz.de -- „Tatort“ aus Stuttgart: Collage aus gestern und heute | |
| > Die Kommissare stolpern über einen Selbstmord, den die Staatsanwaltschaft | |
| > zu den Akten legen will – womöglich auf Druck des Verfassungsschutzes. | |
| Bild: Echt passiert, aber nachgestellt: Eine Demo nach dem Tod von Holger Meins | |
| Letztes Jahr im Sommer gab es eine Polizeimeldung aus Niedersachsen, da | |
| hieß es, die RAF sei wieder aufgetaucht: Ein Geldtransporter wurde nahe dem | |
| Städtchen Cremlingen überfallen. Die Exterroristen Daniela Klette, | |
| Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg hatten sich seit einigen Jahren auf | |
| Geldtransporter kapriziert – Rente gibt’s im Untergrund bekanntlich nicht. | |
| Komisch klang diese Meldung – RAF-Rentner auf Beutezug! – aber so richtig | |
| taugte sie nicht als Lacher. Dafür war der Deutsche Herbst dann doch ein zu | |
| unheimliches Kapitel: die Schleyer-Ermordung, die Entführung der | |
| „Landshut“, die Nacht von Stammheim, als Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und | |
| Gudrun Ensslin in ihren Zellen starben. | |
| Die Nachrichtensperre, die bis heute ungeklärte – und | |
| Verschwörungstheoretiker beflügelnde – Frage, wie die Waffen in die Zellen | |
| gelangten: War es „staatliche Beihilfe zum Selbstmord“? Im zu besprechenden | |
| „Tatort“ war es ein pensionierter Anwalt, der damals beim Stammheim-Prozess | |
| dabei war. Womit wir also nun beim Thema dieses Textes wären: dem neuen | |
| „Tatort“. | |
| Doch der lange Exkurs in die Vergangenheit passt in dem Fall gut zu dem, | |
| was Regisseur Dominik Graf sich in „Der rote Schatten“ traut: lange | |
| Strecken von dokumentarischem Material und Szenen, die Graf nachgedreht | |
| hat. Die Szenen – Demos gegen den Schah-Besuch, der Hungerstreik der | |
| RAF-Häftlinge – unterbrechen immer wieder den eigentlichen Fall: einen | |
| Geldtransporter-Überfall der Alt-RAF, Modell Cremlingen. | |
| Gleichzeitig stolpern die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz | |
| (Felix Klare) über einen vermeintlichen Selbstmord in der Badewanne, den | |
| die Staatsanwaltschaft allzu schnell zu den Akten legen will. Womöglich auf | |
| Druck des Verfassungsschutzes, der einen V-Mann aus RAF-Zeiten deckt, der | |
| in den Badewannen-Fall verwickelt war, aber nun dem Verfassungsschutz erst | |
| einmal die RAF-Rentner ans Messer liefern soll? Und der weiß, was wirklich | |
| in Stammheim passiert ist? | |
| Die Collage aus gestern und heute funktioniert hier: weil man ein wenig | |
| fröstelnd realisiert, wie ungebrochen unheimlich die Macht des | |
| Verfassungsschutzes – Stichwort NSU-Mordserie – ist. „Dennoch muss das Zi… | |
| sein: Wir streben alle einen modernen Verfassungsschutz an. Ohne | |
| Altlasten“, sagt die Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz, als sich | |
| am Ende alles (und doch wenig) geklärt hat. „Fragen dürfen wir keine | |
| stellen?“, fragen die Journalisten. „Nein. Fragen können Sie morgen | |
| stellen.“ | |
| 15 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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