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# taz.de -- Ausgemusterter Passagierjet „Landshut“: Gabriels Vermächtnis
> Die neue Regierung spendiert der 1977 entführten „Landshut“ eine
> Ausstellung. Eingefädelt hat die Vereinbarung der Ex-Außenminister.
Bild: Die „Landshut“ wird im Herbst 2017 in Friedrichshafen auf einen Tiefl…
Sie kommt zur Ruhe. Endlich, endgültig – besiegelt durch die Unterschriften
unter dem Koalitionsvertrag und die Wiederwahl von Angela Merkel im
Bundestag. Der Bund spendiert der „Landshut“, dem wohl berühmtesten
Passagierflugzeug der deutschen Historie, eine Ausstellung in
Friedrichshafen. So kommt die Geschichte des entführten Lufthansa-Fliegers
zu einem gütlichen Ende, nachdem ihr letztes Kapitel schon zur Farce zu
werden drohte.
Auf Seite 155 des Koalitionsvertrags haben Union und SPD die Zukunft der
Maschine zum Projekt der neuen Bundesregierung erklärt. „Wir wollen Mittel
bereitstellen u. a. für die Ausstellung des Flugzeugs ‚Landshut‘ im
Gedenken an die Entführung im Jahr 1977“, heißt es dort. Eine Einigung an
höchster Stelle – und das, nachdem sich lange niemand für das Schicksal des
Passagierjets interessiert hatte.
Erst im vergangenen Jahr erregte sie nach Jahrzehnten wieder das Interesse
der Öffentlichkeit – dank Sigmar Gabriel, dem am Mittwoch aus dem Amt
geschiedenen ehemaligen Außenminister. Er lotste die Maschine im September
2017 zum Bodensee, wo sie seitdem in einem Hangar neben dem privaten
Dornier-Flugzeugmuseum steht. Dass die „Landshut“ jetzt Thema im
Koalitionsvertrag wurde, ist genauso kurios wie die Wahl Friedrichshafens
als Ausstellungsort. Denn weder verbindet die Stadt am Bodensee etwas mit
dem Schicksal des ehemaligen Lufthansa-Fliegers, noch freut sich die
Kommunalpolitik über die neue Attraktion.
Oberbürgermeister Andreas Brand will die Vereinbarung der
Regierungsparteien in Berlin noch nicht mal kommentieren. „Eine Bewertung
steht uns nicht zu“, sagt er. Dass das Flugzeug im Herbst in seiner Stadt
landete, sei „eine unternehmerische Entscheidung der Projektpartner“
gewesen. Er selbst will mit dem Flugzeug offenbar nichts zu tun haben.
Die Verantwortlichen der Kommune waren von Beginn an wenig begeistert von
der neuen Sehenswürdigkeit. Sie befürchteten, der Bund drücke am Ende ihnen
Kosten für eine Ausstellung aus, um die sie nicht gebeten hatten.
Entsprechend erschienen im September zur feierlichen Ankunft der „Landshut“
nur wenige Lokalpolitiker. Auch Brand ließ sich entschuldigen.
Dabei könnte sich der Oberbürgermeister auf eine spannende Ausstellung
freuen: Im Oktober 1977 entführten palästinensische Terroristen die Boeing
737-200 mit der Kennung D-ABCE samt 86 PassagierInnen und fünf
Besatzungsmitgliedern. Sie forderten die Freilassung inhaftierter
RAF-Terroristen in Deutschland. Das Martyrium der Geiseln dauerte sechs
Tage, am Ende stürmte die GSG9 das Flugzeug in Mogadischu. Dieser
dramatischen Episode der deutschen Geschichte sowie dem zeitgeschichtlichen
Kontext des Deutschen Herbstes soll nun die Ausstellung gewidmet werden.
## Rettung aus Fortaleza
Eine späte Würdigung: Nach der Entführung machte die „Landshut“ zunächst
viele Besitzer- und Standortwechsel mit. Im Jahr 2008 landete sie dann auf
einem Flugzeugfriedhof im brasilianischen Fortaleza. Dort verwitterte das
Flugzeug neun Jahre lang bei großer Hitze und feuchter Luft. Bis Sigmar
Gabriel im Februar 2017 Außenminister wurde. Er nahm sich der Sache an,
startete gemeinsam mit der Bild-Zeitung eine Kampagne und bemühte sich, die
Landshut zügig zurück nach Deutschland zu bringen.
Unklar war zunächst aber, wo der geeignetste Standort sei, den
geschichtsträchtigen Flieger auszustellen. Das Bonner Haus der Geschichte?
Zu wenig Platz, das Museum hätte lediglich die von der GSG9 aufgesprengte
Tür ausstellen können. Der Helmut-Schmidt-Flughafen in Hamburg? Zu
unsicher. Oder vielleicht Flensburg? Dort war ein privater
Flugzeugliebhaber begeistert von der Idee, die „Landshut“ nach Deutschland
zu holen, und machte dem Auswärtigen Amt ein Angebot: Ich baue und bezahle
euch ein neues Museum, wenn ihr die Maschine nach Flensburg bringt und
renoviert. Auch die Kommunalpolitik unterstütze die Idee.
Am Ende fiel die Entscheidung doch auf Friedrichshafen. Wohlbegründet
findet das Philipp Lindner, Sprecher des privat geführten Dornier-Museums.
Er betont die Einbindung in den bestehenden Betrieb, die gute
Infrastruktur, die freie Fläche für einen neuen, der „Landshut“ gewidmeten
Hangar.
## Geld fehlte
Vordergründig mögen die Argumente einleuchten. Vielleicht ging es Gabriel
bei der Standort-Entscheidung aber auch um etwas anderes: die „Landshut“
öffentlichkeitswirksam noch vor dem 40. Jahrestag der Entführung in
Deutschland persönlich präsentieren zu können. In Flensburg wäre das so
schnell nicht möglich gewesen, während Dornier in seine bestehenden
Räumlichkeiten einlud.
Nur das Geld fehlte. Die Museumsbetreiber selbst konnten die Ausstellung
nicht finanzieren, die Stadt Friedrichshafen wollte nichts zuschießen, eine
Spendenkampagne der Bild brachte nicht genug ein. Also schaltete Sigmar
Gabriel im Herbst die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ein, die
nach wochenlangen Verhandlungen zustimmte, dass ihre Behörde bis zu 12
Millionen Euro gen Bodensee überweist. Es sind die Kosten der Renovierung
der „Landshut“, des Neubaus eines Hangars und der Konzeption der
Ausstellung, die 2019 eröffnen soll.
Mit der Klausel im Koalitionsvertrag haben Union und SPD schließlich
besiegelt, dass das Geld wirklich fließt. Der Satz zur „Landshut“ befindet
sich übrigens nicht im Kapitel zur Kulturpolitik, sondern in dem zur
Außenpolitik. In der Arbeitsgruppe, die über diese Passage verhandelte, saß
auch Sigmar Gabriel. So gesehen ist das Geld für die „Landshut“ wohl das
letzte Vermächtnis des scheidenden Außenministers.
15 Mar 2018
## AUTOREN
Jakob Kulick
## TAGS
Landshut
Auswärtiges Amt
Sigmar Gabriel
Rote Armee Fraktion / RAF
Schwerpunkt Atomkraft
Rote Armee Fraktion / RAF
Tatort
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