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# taz.de -- Anhörung zu Glyphosat: „Monsanto hat Vertrauen zerstört“
> Haben die Zulassungsbehörden ihre Pestizid-Gutachten vom Hersteller
> schreiben lassen? Der Verdacht ist da. Was machen Europaparlamentarier
> damit?
Bild: Worin nicht schon alles Glyphosat gefunden wurde: Prost!
Brüssel taz Jahrelang sind die Lobbyisten des Monsanto-Konzerns im
Europaparlament ein- und ausgegangen. Problemlos konnten sie in den
Fachausschüssen ihr umstrittenstes Produkt, das Unkrautvernichtungsmittel
Glyphosat, anpreisen.
Doch damit ist nun Schluss. Weil sich Monsanto weigerte, an einer
Parlaments-Anhörung teilzunehmen, wurden die Konzernvertreter kurzerhand
ausgesperrt – eine Premiere.
Ungewohnt, ja fast schon unerhört war es auch, was die Mitglieder des
Umwelt- und Agrarausschusses am Mittwoch in Brüssel zu hören bekamen. Sie
wollten sich über die „Monsanto-Papers und Glyphosat“ informieren – also
über die Frage, wie das jüngste, positive EU-Gutachten zur weiteren
Zulassung des Monsanto-Produkts zu bewerten sei.
## Auch Bundesbehörden könnten verwickelt sein
Für diese Frage gibt es einen guten Grund. Seit der Veröffentlichung der
„Monsanto-Papers“ steht nämlich der Verdacht im Raum, dass die zuständigen
EU-Behörden EFSA und ECHA ihre Gutachten in weiten Teilen von Monsanto
abgeschrieben haben könnten. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung
soll in diesen Fall verwickelt sein.
Das sei sehr gut möglich, sagte nun die US-amerikanische Buchautorin und
Monsanto-Kritikerin Carey Gillam („Whitewash. The story of a Weed Killer“).
Der US-Konzern, der vom deutschen Pharmahersteller Bayer übernommen wurde,
sei „Ghostwriter“ vieler Gutachten zu Glyphosat gewesen. Dahinter stecke
eine bewusste „Choreografie der Verschleierung“.
Kritisch äußerten sich auch mehrere Wissenschaftler. Professor Christopher
J. Portier von der Universität Manchester meldete „schwere Bedenken“ wegen
der positiven Glyphosat-Bewertung in den EU-Agenturen an. Sie hätten Daten
der Industrie ungeprüft übernommen und sich nicht mit allen einschlägigen
Forschungsergebnissen befasst. „Es gibt keine Bewertung, die alle Tumore
diskutiert hätte“, sagte Portier.
Zu einem anderen Urteil als die EFSA kam auch die Toxikologin Kate Guyton
von der Internationalen Krebsforschungsagentur. Es gebe nur begrenzte
Beweise für eine krebserregende Wirkung von Glyphosat bei Menschen, sagte
sie, dafür aber ausreichende Beweise bei Tieren: „Wir haben es in 2a
klassifiziert – wahrscheinlich kanzerogen bei Menschen.“
## Wo bleibt die Transparenz?
Ein Vertreter der EFSA zeigte sich von dieser Kritik unbeeindruckt. Es gebe
keine ausreichenden Beweise für Kanzerogenität, sagte José Tarazona. „Wir
haben ein Höchstmaß an Transparenz praktiziert“, fügte er hinzu. Doch genau
das bezweifeln viele Europaabgeordnete – nach der mehr als vierständigen
Anhörung sogar mehr denn je.
„Die europäischen Agenturen forschen nicht selbst. Es ist seit Jahrzehnten
internationaler Standard, dass der Hersteller, der ein Pflanzenschutzmittel
auf den Markt bringen will, auf eigene Kosten die Wirkung untersuchen
lässt“, sagte Susanne Melior von den Sozialdemokraten. Doch Monsanto habe
das Vertrauen in die Objektivität der Studien „zerstört“.
Statt die Bürger zu schützen, setze die EU-Agentur EFSA Menschen und Tiere
unnötigen Risiken aus, kritisierte Anja Hazekamp von der Linken. Zugleich
warnte die niederländische Europaabgeordnete die EU-Kommission davor, auf
der Basis „manipulierter Studien“ die Zulassung von Glyphosat wie geplant
zu verlängern.
Ursprünglich wollte die Brüsseler EU-Behörde bereits Anfang Oktober grünes
Licht für eine weitere Nutzung für zehn Jahre geben. Doch nun hat sie ihre
Entscheidung auf unbestimmte Zeit verschoben. Denn nicht nur im
Europaparlament regt sich Widerstand. Auch einige EU-Staaten wie Frankreich
oder Italien haben Bedenken angemeldet. Außerdem wartet Brüssel auf die
neue Regierung in Berlin.
11 Oct 2017
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
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Landwirtschaft
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