| # taz.de -- Protest gegen rechte „Volksbewegung“: Viel Lärm gegen wenige B… | |
| > Hunderte protestieren in Göttingen gegen den Aufmarsch der rechten | |
| > „Volksbewegung Niedersachsen“. Der Prozess gegen ein Mitglied wurde | |
| > vertagt. | |
| Bild: Lassen den Rechten akustisch keine Chance: Linke DemonstrantInnen in Göt… | |
| GÖTTINGEN taz | „Haut ab, haut ab!“, „Es gibt kein Recht auf | |
| Nazi-Propaganda“, „Alerta, Alterta, Antifascista“: Gegen die Sprechchöre, | |
| das Pfeifkonzert und das Nebelhorn-Getröte von rund 400 Gegendemonstranten | |
| kommen die Redner der „Volksbewegung Niedersachsen“ auch mit ihrem großen | |
| Lautsprecherwagen nicht an. Was Jens Wilke, der Anführer der rechten | |
| Gruppierung, ins Mikrofon schreit, ist in dem Lärm nicht zu verstehen. | |
| Mit rot-weißem Flatterband und Dutzenden behelmten Beamten hat die Polizei | |
| am späten Dienstagnachmittag ein Areal neben der Göttinger Stadthalle | |
| abgesperrt, auf dem die Rechten ihre Kundgebung abhalten dürfen. | |
| Zum ersten Mal seit Monaten hat die „Volksbewegung“, die sich noch bis zum | |
| Frühjahr „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ nannte, wieder eine | |
| Veranstaltung in der südniedersächsischen Stadt angemeldet. „Freiheit für | |
| alle Patrioten – Schluss mit linker Gesinnungsjustiz“, lautet das Motto des | |
| Aufmarsches. | |
| ## Verurteilt wegen Körperverletzung | |
| Am Morgen hat vor dem örtlichen Landgericht der Berufungsprozess gegen ein | |
| Mitglied der „Volksbewegung“ begonnen. Jan-Philipp J. hatte vor zwei Jahren | |
| einen politischen Gegner vom Fahrrad geschubst, sodass dieser sich schwer | |
| verletzte, und war deshalb von der Vorinstanz wegen Körperverletzung zu | |
| einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden. Dagegen waren sowohl | |
| J. als auch der Angegriffene in Berufung gegangen. Ein Urteil sprach das | |
| Landgericht am Dienstag noch nicht, am 30. Oktober wird das Verfahren | |
| fortgesetzt. | |
| Sowohl die „Volksbewegung“ als auch linke Gruppen hatten dazu aufgerufen, | |
| den Prozess zu besuchen. Bedrängt von Antifaschisten, die sich bereits am | |
| ganz frühen Morgen mit Transparenten und Spruchtafeln vor dem | |
| Gerichtsgebäude positioniert haben, versucht ein Häufchen Rechtsextremer in | |
| den Verhandlungssaal zu gelangen. | |
| Die ebenfalls aufmarschierte Polizei nimmt im Gedränge einen Nazigegner | |
| fest. Was ihm vorgeworfen wird, bleibt zunächst unklar. Am Abend sagt eine | |
| Polizeisprecherin, der Mann habe einen Volksbewegungs-Sympathisanten mit | |
| der Faust gegen die Brust geschlagen und einen Beamten tätlich angegriffen. | |
| Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden. | |
| ## „Braunbären-Safari“ | |
| Eskortiert von Polizisten und in einigem Abstand verfolgt von | |
| Antifaschisten, ziehen die nicht eingelassenen Rechtsextremisten mehrmals | |
| vom Gericht in die Innenstadt und wieder zurück. Vor einem Einkaufszentrum | |
| kesseln Beamte die Linken kurzzeitig ein. | |
| „Schlimm genug, wenn wiederholt gewaltbereite Neo-Nazis in Göttingen | |
| aufschlagen“, kommentiert Michael Holtz von der Göttinger | |
| Wohnraum-Initiative später diesen Einsatz. „Wir müssen zudem feststellen, | |
| dass die Polizei heute nicht nur die Neo-Nazis durch die Stadt hofiert hat, | |
| sondern gleichzeitig versuchte, Antifaschistinnen und Antifaschisten jede | |
| Bewegungsfreiheit in der Stadt zu nehmen.“ | |
| Vom Bahnhofsvorplatz sind unterdessen die Teilnehmer einer | |
| „Braunbären-Safari“ gestartet, zu der die Satirepartei „Die Partei“ | |
| eingeladen hat. Die kleine Gruppe steuert mehrere Plätze im Stadtgebiet an, | |
| an denen sich Neonazis in der Vergangenheit häufig getroffen haben – „hier | |
| treibt der rechte Braunbär sein Unwesen“, sagt Partei-Geschäftsführer | |
| Hendrick Bammel, der an diesem Tag statt in einen „Partei“-üblichen grauen | |
| Anzug in eine Safari-Ranger-Uniform geschlüpft ist. Bammel erklärt, wie | |
| „Braunbären“ und ihre – mittlerweile auch digitalen – Lebensräume zu | |
| erkennen sind. Und bittet nach Abschluss der Rallye zur Besichtigung des | |
| „Braunbären-Freigeheges“ an der Stadthalle. | |
| ## Liedgut aus der DDR | |
| Dort also, wo die „Volksbewegung“ ihre Kundgebung abhält und den Platz | |
| zunächst mit Liedgut aus der DDR zu beschallen versucht. Unter anderem | |
| scheppert das Pionier-Lied „Uns're Heimat“ aus den Lautsprechern. Gerade | |
| einmal sechs Rechtsextremisten, einer von ihnen ist der Angeklagte | |
| Jan-Philipp J., stehen hinter der Polizeiabsperrung am Lautsprecherwagen. | |
| Während ihre Reden in den Sprechchören der Nazi-Gegner untergehen, droht | |
| die Polizei den Gegendemonstranten gewaltsames Vorgehen an, sollten diese | |
| für ihre „Spontanversammlung“ keinen Leiter oder keine Leiterin benennen. | |
| Dies erfolgt nicht, ein harter Einsatz gegen die Menge bleibt aber | |
| ebenfalls aus. | |
| Noch einmal versucht die „Volksbewegung“ mit dem Abspielen der | |
| Nationalhymne zu provozieren, dann besteigen die Rechten ihr Fahrzeug und | |
| brausen, beschützt von der Polizei, davon. „Wir kommen wieder“, hat | |
| Anführer Wilke zum Abschluss noch einmal gebrüllt. Aber auch das ist im | |
| Getöse kaum zu verstehen. | |
| 11 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Reimar Paul | |
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