| # taz.de -- „Spiegel“-Text über den SPD-Kandidaten: Nannenpreis für Marti… | |
| > Die „Spiegel“-Geschichte über den gescheiterten Martin Schulz zeigt: Er | |
| > hat am besten von allen verstanden, was Journalismus kann und wozu er gut | |
| > ist. | |
| Bild: Ein SPD-Wahlkampfballon im Herbst | |
| Martin Schulz äfft Angela Merkels Stimme nach, nachdem er mit ihr | |
| telefoniert hat. Er sagt ernsthaft Sätze wie „Mein größtes Plus ist die | |
| Authentizität“ und hat im Wahlkampf quasi ausschließlich Currywurst mit | |
| Pommes und Mayo gegessen. Oh Gott, könnte man jetzt denken, ist ja peinlich | |
| für den Schulz, wer erzählt denn so was rum? | |
| Das Leak ist Schulz selbst. Der Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen hat ihn | |
| im Wahlkampf begleitet, jeden der vielen sinusförmigen Ausschläge auf der | |
| Beliebtheitsskala des Kandidaten aus nächster Nähe miterlebt. | |
| Daraus ist ein sehr guter Text, eine große Geschichte geworden, wie sie | |
| jeder Journalistenschüler irgendwann mal zu veröffentlichen hofft. Das aber | |
| ist mindestens zur Hälfte das Verdienst nicht etwa des Autors, sondern | |
| seines Protagonisten. Schulz wagt es, blankzuziehen, und zwar komplett. Mit | |
| dem Risiko, dass da hinterher fast nur Sachen stehen, angesichts derer sich | |
| alle, für die die SPD spätestens jetzt untergeht, die Finger abschlecken. | |
| Und so kommt es dann auch. | |
| ## Einmal blöd gucken – schon explodiert Twitter | |
| Schulz hat Berater, die sagen: „Was du sagst, ist eigentlich scheißegal“, | |
| und liest dann zwei Wochen lang nicht die Presse. Man erfährt, dass er ans | |
| Aufgeben dachte („Ich habe keine Lust, ich will nach Hause“), dass er seine | |
| Chancen oft falsch einschätzt und seine Partei ihn offenbar nicht besonders | |
| achtet. Kurz: Er kommt nicht gut weg in diesem Text. Zumindest nach den | |
| Maßstäben, die heute an Menschen im politischen Betrieb angelegt werden. | |
| Einmal blöd gucken – schon explodiert Twitter. Besser: Berechenbares | |
| liefern für die Performancekritik. | |
| In Zeiten, in denen sich viele Wähler zunehmend entfremdet fühlen vom | |
| politischen Personal und den Medien, die darüber berichten, ist diese | |
| Gruppenchoreografie von Politik und Journalismus verdammt falsch. | |
| Schulz ist erfahren, die Risiken und Nebenwirkungen der Entblößung kannte | |
| er. Den Spiegel, dessen Inspiration eine ähnliche Reportage über Barack | |
| Obama im New Yorker war, ließ er trotzdem nah heran. Oder gerade deshalb. | |
| Man könnte es auch so formulieren: Martin Schulz hat in diesem Wahljahr | |
| 2017 vielleicht am besten von allen verstanden, was Journalismus kann und | |
| wozu er gut ist. | |
| Sein Vorgänger, Sigmar Gabriel, vollzog den eigenen Rücktritt vom | |
| Parteivorsitz mittels Stern-Interview, stieß die eigene Partei gründlich | |
| vor den Kopf und Schulz ins Wahlkampfkarussell. Gabriel wurde dafür | |
| Außenminister und gibt immer mal wieder ein paar fröhliche Schüsse von der | |
| Seitenlinie ab. Politik per Pressespiegel. Schulz’ einzige Bedingung für | |
| den Spiegel-Text war hingegen, dass er erst nach der Wahl erscheinen solle. | |
| Natürlich hat Bild die Schulz-Story sofort ausgeschlachtet mit den | |
| demütigendsten Zitaten und der Frage: „Kann Schulz jetzt noch SPD-Chef | |
| bleiben?“ Vermutlich wird er das nicht lange sein. Und das sagt weniger | |
| etwas über Schulz als alles über die Tragik, in diesen Zeiten | |
| SPD-Kanzlerkandidat zu sein. Schulz verdient Respekt – und den halben | |
| Nannenpreis. | |
| 3 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Johanna Roth | |
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