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# taz.de -- Probleme der Bahn in Norddeutschland: Alle Räder stehen still
> Dass nach dem Orkan „Xavier“ der Fernverkehr ausfiel, liegt nicht nur an
> der empfindlichen Infrastruktur, sondern auch an mangelnden
> Ausweichrouten.
Bild: Strecke gesperrt? Zu oft hat die Bahn keinen Plan B.
Hamburg taz | Der Herbststurm „Xavier“ hat Norddeutschland so
durcheinandergewirbelt, dass die Bahn fünf Tage später immer noch nicht
normal fährt. Probleme machen die empfindliche Oberleitungsinfrakstruktur,
die Sicherheitsstandards und die fehlenden Ausweichmöglichkeiten im
Schienennetz.
Der Sturm hatte am Donnerstag massenhaft Bäume und Äste auf Schienen und
Oberleitungen geworfen. Zum Teil waren Oberleitungsmasten wegen der
heftigen Böen direkt umgeknickt. Insgesamt meldete die Bahn auf 1.000
Streckenkilometern an 500 Stellen Schäden. Am Freitagnachmittag hatte die
Bahn ihren Fernverkehr nördlich von Kassel praktisch eingestellt. Wer
reisen wollte, musste auf das Auto oder den Bus umsteigen.
Dabei hat die Bahn nach den heftigen Stürmen der vergangenen Jahre
reagiert: Seit 2007 arbeitet sie nach eigenen Angaben ein
Präventionsprogramm ab, bei dem die Vegetation auf mindestens sechs Metern
links und rechts der Gleise zurückgeschnitten wird.
Bei Neupflanzungen würden nur noch tief wurzelnde Baumarten wie Eiche und
Blutahorn gesetzt, teilte eine Bahn-Sprecherin mit. Seit dem Jahr 2016
laufe ein erweitertes Vegetationsprogramm, bei dem die Bäume einem
V-förmigen Profil folgend auch über die sechs Meter hinaus gestutzt
werden: Je weiter entfernt sie von Gleisen stehen, desto höher dürfen sie
sein.
Ob das reicht und ob nicht noch breitere Schneisen oder Schutzmaßnahmen wie
Schutzbauten an neuralgischen Punkten notwendig wären, würde der
Fahrgastverband Pro Bahn gern an einem runden Tisch mit Naturschützern und
Bahn-Verantwortlichen erörtern. Wobei sich auch dessen Sprecher, Karl-Peter
Naumann, nicht für breite Schneisen links und rechts der Trassen
ausspricht. „Ein Vorteil der Bahn ist ja, dass sie wenig Fläche frisst“,
sagt er.
Das Problem sei, dass es weit reichende Folgen habe, wenn ein Baum aufs
Gleis falle, sagt Naumann. „Wenn Ihnen da ein Baum reinfällt, muss nicht
nur der Baum weggeräumt, sondern auch die Oberleitung repariert werden.“
Es gebe nur wenig Personal, das die Gefahren des Bahnbetriebs kenne und für
solche Arbeiten eingesetzt werden könne. Beschädigte Signale müssten
sorgfältig repariert werden, und sie könnten auch nicht provisorisch
ersetzt werden. „Es ist einfach aufwendiger“, sagt Naumann, „nicht wie bei
einer Verkehrsampel, wo man einen Polizisten hinstellen kann“.
Der Vorteil der Bahn sei, dass sie viel Verkehr auf engem Raum abwickeln
könne, sagt Philipp Kosok vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Dafür sei der
Schienenverkehr aber anfälliger, weil er sich in einem Netz abspielt, das
im Vergleich zur Straße zudem recht weitmaschig ist.
Pro-Bahn-Sprecher Naumann findet, dass die Bahn über mehr
Umleitungsstrecken verfügen müsste. Dazu müsse zum einen der Bund das Netz
verdichten, zum anderen müsse die Bahn sich um ein besseres
Umleitungskonzept kümmern.
Das bedeute, dass sie ihren Lokführern die nötigen Streckenkenntnisse und
Unterlagen verschaffen müsse. Denn die Lokführer dürften nur Strecken
fahren, die sie kennten. Zur Not müsse ein Lotse mit auf den Triebwagen.
„Da gibt es Lösungen, die man definieren muss“, sagt Naumann.
VCD-Sprecher Kosok weist darauf hin, dass es im Bahnverkehr keine Toten
durch den Sturm gegeben habe. „Das liegt auch am hohen Sicherheitsniveau,
das der Schienenverkehr hat“, sagt Kosok. Im Zweifelsfall fahre dann eben
kein Zug.
10 Oct 2017
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Deutsche Bahn
Verspätung
Zugausfälle
Sturm Xavier
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Außenpolitik
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