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# taz.de -- Nachruf auf Dschalal Talabani: Kurdischer Spalter und Versöhner
> Er war der erste kurdische Präsident des Irak und galt als jovialer
> Vermittler. Nur mit Masud Barzani lieferte er sich einen blutigen
> Machtkampf.
Bild: Dschalal Talabani bei einer Ansprache am 17. August 2007 in Bagdad
Erbil taz | Fremde Besucher lernten Dschalal Talabani vor allem als einen
Mann kennen, der mit einer Anekdote aus seinem Politikerleben oder einem
Scherz das Eis brach. Diese Jovialität gepaart mit Pragmatismus war es,
womit er als Präsident des Irak Leute an einen Tisch brachte, die eben noch
die Messer gewetzt hatten.
Damit trug Talabani wesentlich dazu bei, dass die Regierungskoalitionen
nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein nicht auseinanderbrachen. Die
zerstrittenen Schiiten, Sunniten und Kurden würdigten dies, indem sie ihn
2005 als ersten Kurden zum Präsidenten des Irak wählten. Diesen Posten
hatte er formal bis 2014 inne, obwohl er im Dezember 2012 einen
Schlaganfall erlitten hatte und das Amt nicht mehr ausüben konnte. Am
Dienstag ist er in Berlin gestorben ist.
Zugute kam Talabani in seiner Rolle als Mittler, dass er zu beiden
Erzfeinden USA und Iran gleichermaßen gute Beziehungen unterhielt. Die
Kurden waren in ihrer wechselvollen Geschichte stets in Gefahr, als
Spielball der regionalen Mächte missbraucht zu werden. Sie selbst gingen in
ihren internen Machtkämpfen aber auch immer wieder Bündnisse mit ihren
Nachbarn ein.
Im Jahr 1933 in eine angesehene, aus der Region um Kirkuk stammende Familie
geboren, schloss sich Talabani noch während seines Jurastudiums der
Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) an. Schnell stieg er in deren
Führungsspitze auf und reiste nach Europa, um Lobbyarbeit für die Kurden zu
machen. 1964 kam es jedoch zum Bruch. Zusammen mit seinem späteren
Schwiegervater Ibrahim Ahmed verließ Talabani die KDP und gründete seine
eigene Partei. Von da an zog sich die Rivalität zwischen ihm und der
Barzani-Familie, die bis heute die KDP dominiert, wie ein roter Faden durch
die Geschichte der irakischen Kurden. Mal sicherte sich der eine die
Unterstützung Irans, mal der andere.
Als Iran – und mit ihm die USA – im Jahr 1975 Barzani die Unterstützung
entzog und der kurdische Aufstand zusammenbrach, traf sich am Chiemsee in
Oberbayern eine Gruppe von kurdischen Studenten und beschloss die Gründung
einer neuen Partei. Es war die Geburtsstunde der Patriotischen Union
Kurdistans (PUK), deren Generalsekretär Talabani bis zu seinem Tod blieb.
Innerhalb von wenigen Jahren baute Talabani die PUK zu einer
schlagkräftigen Guerillabewegung aus, die in den 1980er Jahren – zum Teil
mit iranischer Unterstützung – große Teile der kurdischen Gebiete von der
iranischen Grenze bis Kirkuk unter ihre Kontrolle brachte. Der Diktator
Saddam Hussein nahm auf grausame Art Rache. Die Luftwaffe bombardierte Ende
der achtziger Jahre Peschmerga-Stellungen, aber auch Dutzende von Dörfern
und die Kreisstadt Halabdscha mit Giftgas. Zehntausende von Bewohnern
wurden verschleppt, umgebracht und in Massengräbern verscharrt.
Erst der Golfkrieg 1991 brachte die Wende. Nach der Verhängung einer
Flugverbotszone durch die Alliierten ging die Kontrolle über den heutigen
Teilstaat an die Kurden. Talabani und Barzani versprachen Demokratie,
verstrickten sich stattdessen jedoch bald schon in einen blutigen
Machtkampf, der Tausende von Toten forderte. Obwohl Talabani und Barzani in
der 2005 verabschiedeten Verfassung die weitgehenden
Selbstbestimmungsrechte durchsetzten, die die Kurden in ihrem Teilstaat
heute genießen, warten die Kurden bis heute auf wirkliche Demokratie.
4 Oct 2017
## AUTOREN
Inga Rogg
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