# taz.de -- Am 1. Oktober tritt das Gesetz zur Ehe für alle in Kraft: Segen vo… | |
> Trotz arbeitsfreien Sonntags dürfen in Hamburg die ersten lesbischen und | |
> schwulen Paare heiraten – und zwar ausnahmsweise im Rathaus. | |
Bild: Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne, 2.v.l.) grü… | |
HAMBURG taz | Sonntags haben Behörden geschlossen wie immer. Nur an diesem | |
Sonntag bietet eine ihrer Abteilungen doch ihre Dienste an – und das gleich | |
im wichtigsten staatlichen Gebäude der Stadt, im Rathaus. Denn morgen ist | |
der 1. Oktober, der Tag, von dem an das im Sommer in den letzten Tagen der | |
Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Ehe für Alle Geltung hat. | |
30 Männer und Frauen, also 15 Paare, geben sich dort das Ja-Wort, und zwar | |
im gleichen Rechtsrang, den bislang die klassische, gemischtgeschlechtliche | |
Ehe genoss. Die Paare wurden ausgelost, viele hatten sich beworben. Fünf | |
Paare allerdings mussten nicht in die Lostrommel. Es sind solche, die | |
bereits 1997 die sogenannte „Hamburger Ehe“ eingingen – ein damals | |
juristisch nur begrenzt wirksames Ding, mit dem der rot-grüne Senat ein | |
politisches Zeichen zugunsten der Ehegleichstellung Homosexueller setzen | |
sollte. | |
Längst nicht in allen Bundesländern werden Standesämter bereits am Sonntag, | |
dem Gesetzesstichtag geöffnet sein – viele hadern noch, etwa Sachsen oder | |
Mecklenburg-Vorpommern. In diesen Bundesländern sind keine | |
Sonntagssonderzeremonien vorgesehen. | |
Ungeklärt ist auch eine Schlampigkeit der Computersoftware: Wie eh und je, | |
besser: Wie vor dem nun gültigen Ehegesetz ist in diesen nur eine Rubrik | |
eingerichtet – derzufolge nur die heterosexuelle Ehe markierbar ist, | |
Schwules oder Lesbisches ist nicht vorgesehen. Unbegreiflich – wir sind ja | |
nicht mehr in der Zeit, als eben der Computer als solcher Einzug in die | |
Behörden gehalten hat. | |
Derlei Unpässlichkeiten, die womöglich auch mit politisch-kulturellen | |
Vorbehalten zu tun haben mögen, sind atmosphärisch nicht unbekannt in | |
dieser schönen Stadt, in der die Polizei noch bis 1980 rosa Dateien anlegte | |
und aus ihnen schöpfte – Verdachtsregister gegen schwule Männer wie einst | |
unter den Nazis. | |
Allerdings war und ist es der im Senat für Gleichstellung zuständigen | |
Katharina Fegebank zu verdanken, dass derlei bizarr anmutende Hürden nicht | |
im Wege stehen: Das Gesetz tritt am 1. Oktober eben in Kraft – also sollte | |
es auch in Hamburg möglich sein, so die grüne Zweiten Bürgermeisterin. | |
Fegebank lässt es sich nicht nehmen, die 15 Paare sind mit Freund*innen und | |
Angehörigen zum Senatsempfang nach den Trauungen eingeladen – 300 Gäste, | |
das kann fein und würdig und lustig in einem werden. | |
Aber unpassender Spaß beiseite: Für die allermeisten homosexuellen Männer | |
und Frauen erfüllt sich mit der Ehe für Alle eine Art politisch-kultureller | |
Lebenstraum: Nach Jahrzehnten bürgerrechtlicher Kämpfe um Akzeptanz und | |
Respekt werden aus Parias Gleichberechtigte – in voller Absicht von Grünen, | |
Sozialdemokraten, Liberalen und der Hälfte der Konservativen. Dass das | |
wiederum vielen Menschen, die alten Zeiten anhängen, nicht behagt, muss der | |
massiven gesellschaftlichen Mehrheit gleichgültig sein. | |
Der 1. Oktober als real exekutierter Stichtag für das Gesetz ist auch ein | |
Symbol dafür, dass sich diese Konservativen alten Schlages gar nicht erst | |
überlegen sollten, in Karlsruhe diese gleichgeschlechtliche Ehe für nichtig | |
erklären zu lassen. Eine Jamaika-Koalition im Bund wäre eine verlässliche | |
Konstruktion, selbst die CSU von einem solchen Abenteuerritt durch die | |
moderne Verfassungsgeschichte abzuhalten. | |
Was aber garantiert absehbar ist: Katharina Fegebank, ohnehin in queeren | |
Milieus höchst populär, ist ab sofort die liebste Homomutti zwischen Alster | |
und Elbe. Sie hat sich diesen Ruf verdient! | |
29 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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