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# taz.de -- Ja-Worte und Regenbogentorte in Berlin: Der Kampf geht trotzdem wei…
> Im Rathaus Schöneberg ist am Sonntag Deutschlands erstes schwules Paar
> die Ehe eingegangen. Die Diskriminierung ist damit längst nicht beendet.
Bild: Seit heute verehelicht: Karl Kreile (l) und Bodo Mende am Sonntagmorgen i…
„Selbstverständlich küssen wir uns noch mal“, ruft Bodo Mende und nimmt
seinen frisch gebackenen Ehemann Karl Kreile in den Arm. Drei Dutzend
Kameras klicken; über dem Pressepulk, der sich um das Ehepaar gebildet hat,
ragen die Mikrofone an langen Stangen. Das Publikum applaudiert tosend,
steht auf, johlt, es ist richtig was los im Goldenen Saal des Schöneberger
Rathauses an diesem Sonntag, dem 1. Oktober 2017. Dem Tag, seit dem in
Deutschland auch Menschen des gleichen Geschlechts sich ganz normal vor dem
Standesbeamten das Jawort geben können.
Die vorangegangene Zeremonie war exakt dieselbe, die heterosexuelle Paare
seit eh und je vollziehen können, mit „Ja, ich will“ und der feierlichen
Formel „Ich erkläre Sie hiermit zu rechtmäßig verbundenen Eheleuten“. F�…
Mende (60) und Kreile (59) ist es eigentlich nur noch ein kleiner Schritt,
schon seit 2002 sind die beiden eingetragene Lebenspartner. Trotzdem – mit
der im Juni vom Bundestag beschlossenen Ehe für alle ist eine neue Qualität
der Gleichstellung für Lesben und Schwule erreicht. Die Freude darüber ist
dem Paar ins Gesicht geschrieben.
Noch müssen die vom Lesben- und Schwulenverband LSVD gestiftete
Regenbogentorte, die Schnittchen und der Sekt warten. Erst tragen sich
Kreile, Mende, die Trauzeugen und Angelika Schöttler, die
SPD-Bürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, ins Goldene Buch des Bezirks
ein. Im Hintergrund prangt an der Stirnwand des Saals ein Gemälde des
Künstlers Matthias Koeppel aus den 80ern, ein naturalistisches Havel-Idyll
mit Zonengrenzenschild und jungen Paaren – gemischtgeschlechtlichen.
Eine große Party wollen die Ehemänner nach dem Umtrunk nicht mehr machen,
hatte Mende der taz schon vorher verraten: „Wir sind ja keine jungen Hüpfer
mehr und machen einen schönen Spaziergang in Potsdam.“ Als sie vor 15
Jahren die Lebenspartnerschaft eingingen, haben die beiden ohnehin schon
„dick und fett gefeiert, da wollten wir einen richtigen Paukenschlag“.
Seitdem sagen Mendes KollegInnen in der Berliner Senatskanzlei schon ganz
selbstverständlich: „Bodo, dein Mann hat angerufen.“
## Es machen oder nicht
Mendes und Kreiles Kampf dauert aber schon viel länger. Vor 25 Jahren,
1992, war das Paar bereits seit 13 Jahren zusammen und beteiligte sich an
der „Aktion Standesamt“, bei der Hunderte lesbische und schwule Paare das
Aufgebot bestellten – und zurückgewiesen wurden. „Eine tolle PR-Aktion“,
erinnert sich Bodo Mende, „wir waren richtig stolz, dass die Tagesschau
damit aufmachte.“ Heute freuen sie sich, dass die formale Diskriminierung
ein Ende hat – und finden keineswegs, dass jetzt jeder heiraten solle:
„Alle können sich jetzt fragen: Machen wir’s oder nicht, und das ist auch
gut so“, sagt Mende.
Im Übrigen geht der Kampf ja weiter, betont Jörg Steinert,
LSVD-Geschäftsführer und Trauzeuge. Homophobie sei nach wie vor ein großes
Problem, die Diskriminierung von homo- und transsexuellen Menschen durch
Religionsgemeinschaften wie die katholische Kirche halte an, und dann sei
auch auf rechtlicher Ebene noch nicht alles geregelt: „Es gibt etwa für
lesbische Partnerinnen noch keine Mutterschaftsanerkennung.“
Die Schlange der GratulantInnen ist lang. Auch Petra Paulus beglückwünscht
Deutschlands erstes schwules Ehepaar. Mit ihrem erwachsenen Sohn und ihrer
jugendlichen Tochter ist sie aus Lichtenrade gekommen – nicht weil die drei
Kreile oder Mende persönlich kennen würden: „Wir finden es einfach toll,
dass das jetzt möglich ist.“ Vielleicht werden sie bald noch mal zum Feiern
eingeladen: Ein befreundetes lesbisches Paar plane schon seine Heirat.
1 Oct 2017
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Homo-Ehe
Ehe für alle
LSVD
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Ehe für alle
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