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# taz.de -- Besetzte Volksbühne: Der Oranienplatz der Kultur
> Der Senat ist sich angeblich einig, die Besetzung des landeseigenen
> Theaters zu beenden. Nicht ganz einig ist man sich aber offenbar, wie
> viel Druck man ausüben will.
Bild: Die landeseigene Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ist seit Freitag bes…
Der Regierungschef und Exkultursenator war nicht nur not amused, sondern
schaute zudem den aktuellen Kultursenator auffordernd an und drängte um
Aufklärung in Sachen Volksbühne. So hieß es zumindest aus dem Kreis jener,
die am Dienstag Michael Müller (SPD) und Klaus Lederer (Linkspartei) in der
Senatssitzung erlebten. An deren Ende stand zwar die später vor die Presse
getragene Zusicherung, die Besetzung müsse ein Ende haben. Über den Weg
dahin und das Tempo dabei ist man sich aber offenbar uneins.
Vor die Journalisten traten nach der Kabinettssitzung dann aber weder
Müller noch Lederer, sondern Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die –
nachdem sie von millionenschwerer Wirtschaftsförderung berichtet hatte –
auf Nachfrage verlautbarte: „Das Ziel haben wir alle, dass das ein Ende
haben muss.“ Einen konkreten Termin mochte sie jedoch nicht nennen. Auf die
Frage, ob die Volksbühne nun der Oranienplatz der Kultur werde – um die
Räumung des über ein Jahr von Flüchtlingen besetzten Platzes zerbrach fast
die damalige rot-schwarze Koalition –, sagte Pop: „Eine deeskalierende
Lösung ist immer die bessere.“ Man setze auf „Deeskalation statt
Konfrontation“, hieß es zuvor schon von der Kulturverwaltung.
Die Besetzung der Volksbühne hatte am Freitagabend begonnen, treibende
Kraft ist eine Gruppe namens „Staub zu Glitzer“. Die Aktion richtet sich
nach deren Angaben weniger gegen den neuen, schon vor Amtsantritt stark
kritisierten Intendanten Chris Dercon, sondern gegen Gentrifizierung und
die aktuelle Stadtentwicklungspolitik im Allgemeinen. Tenor: Jeder solle in
der Volksbühne künstlerisch tätig sein können, von einer „kollektiven
Intendanz“ ist die Rede. Lederer hatte mit wenig Verzug via Facebook daran
erinnert, dass die Bühne von Steuergeldern lebt und die Intendanz
demokratisch legitimiert sei. Wirtschaftssenatorin Pop verwies am Dienstag
darauf, es gebe in der Stadt viele andere Dialogräume.
Unter den Besetzern sind angeblich auch diverse Studierende, die zu
Jahresbeginn schon Räume an der Humboldt-Universität besetzten, aus Protest
gegen die Entlassung des Stadtsoziologen mit Stasi-Vergangenheit, Andrej
Holm. Anders als damals, als die Räume nach Abzug der Besetzer
renovierungsbedürftig waren, mühen sich die Volksbühnen-Besetzer intensiv,
Beschädigungen zu vermeiden. Ungeklärt bleibt am Dienstag, warum es keine
Proben gibt, obwohl die Besetzer sie nach eigener Aussage nicht behindern
wollen.
Vor Ort hieß es am Dienstagnachmittag von Besetzern, man habe eine Duldung
bis zum 9. November erhalten – einen Tag später steht auf der Bühne das
erste Stück von Intendant Dercon an. In der Senatsverwaltung für Kultur
wusste man davon nichts. „Das ist absurd“, sagte Lederers Sprecher Daniel
Bartsch, „wir sind im Gespräch, aber Daten haben dabei keine Rolle
gespielt.“ Vielleicht ein Missverständnis, denn am späteren Nachmittag gibt
die Pressestelle Dercons bekannt, Intendanz und Senat werden in einer
weiteren Verhandlungsrunde den Besetzern das Angebot machen, den Grünen
Salon und den Pavillon „für die Durchführung ihrer künstlerischen Angebote
und zur Diskussion ihrer wichtigen stadtpolitischen Anliegen“ zu nutzen.
Dercon selbst hatte darauf gedrängt, dass die Politik „jetzt dringend ihrer
Verantwortung nachkommt und handelt“. Wer mochte, konnte daraus ein Hin-
und Herschieben der Verantwortung für eine Räumung durch die Polizei sehen
– eine solche Aktion bindet sich weder ein linker Senator noch ein ohnehin
schon weitgehend unbeliebter Kunstmanager ohne Not ans Bein. Für Robbin
Juhnke, den kulturpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im
Abgeordnetenhaus, ist die Sache immerhin klar: Lederer müsse „den
Besetzer-Klamauk am Rosa-Luxemburg-Platz beenden“, die Volksbühne sei kein
rechtsfreier Raum. Viel anders klang das am Oranienplatz auch nicht.
26 Sep 2017
## AUTOREN
Stefan Alberti
Susanne Messmer
## TAGS
Berliner Volksbühne
Chris Dercon
Oranienplatz
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Michael Müller
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