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# taz.de -- Massentierhaltung in Niedersachsen: Jetzt stinkt's sogar dem Landvo…
> In Hoya will ein Landwirt seinen Betrieb auf 3.000 Rinder erweitern.
> Dagegen wehren sich Nachbarn, eine BI und der Bauernverband.
Bild: Kommt laut Landvolk einer „Monopolstruktur“ nahe: 2.500 Hektar bräuc…
BREMEN taz | Hoyas Samtgemeindebürgermeister Detlef Meyer will sich noch
nicht auf ein Votum festlegen. „Das ist ein so komplexes Thema“, sagt er,
„und wir sind da noch ganz am Anfang.“ Dabei ist der Streit um die Pläne
der Agrarunternehmer Conny und Annette Derboven schon auf dem Siedepunkt:
Hof Bünkermühle im Ortsteil Helzendorf der Gemeinde Warpe, ein absolutes
Vorzeigeunternehmen und derzeit mit 500 Kühen, 250 Einjährigen und 240
Kälbchen bereits einer der großen Milchviehbetriebe Niedersachsens, soll
sich vervierfachen. Mit 2.000 Milchkühen und geplant 1.000 Jungrindern
würde der Familienbetrieb in die Gruppe der zehn größten in Deutschland
vorstoßen. Und der Widerstand dagegen ist vehement.
Bemerkenswert: Gegen das Projekt sprechen sich nicht allein die
agrarindustrie-kritische Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
(AbL) und Derbovens zugezogene Nachbarn aus, die eine Bürger-Initiative
gegründet haben. Auch der Kreisverband des Landvolks, so heißt der
Bauernverband in Niedersachsen, wehrt sich gegen die Expansion: Das
Vorhaben hätte starke Auswirkungen auf die Pachtpreise, so die Befürchtung.
„Das ist der entscheidende Punkt“, bestätigt der Landvolk-Kreisvorsitzende
Tobias Göckeritz. „Wir haben etwa 5.000 Mitglieder“, sagt er, und das, was
in Warpe geplant ist, komme einer Monopolstruktur nahe, die für andere
keinen Platz lässt. Er und seine Vorstandskollegen haben deshalb schon im
Frühjahr eine Negativ-Stellungnahme an den Samtgemeinderat geschickt.
Die Pläne der Derbovens würden „das Überleben der bestehenden anderen
landwirtschaftlichen Betriebe – gleich welcher Produktionsrichtung – in den
umliegenden Dörfern deutlich erschweren“, heißt es darin. Und nachdem die
Stellungnahme an die Presse durchgesteckt worden war, ist das Landvolk in
die Offensive gegangen: „Postsozialistische Agrarstrukturen wie in
Ostdeutschland lehnen wir ab“, hat Göckeritz in einem Kommentar auf Seite
eins der Mitgliederzeitschrift geschrieben, neben einem großen Beitrag und
der Dokumentation des Vorstands-Votums. Auf Seite vier hauen noch zwei
Stellungnahmen in dieselbe Kerbe. Das ist fast schon eine kleine Kampagne.
Annette Derboven ist jedenfalls aus dem Berufsverband ausgetreten. Eine
Anfrage der taz zu den Gründen ließ sie unbeantwortet.
Die Anträge liegen bei der Samtgemeinde. Die habe noch vor dem Einstieg ins
eigentliche Planungsrecht eine öffentliche Beteiligung organisiert, erklärt
Bürgermeister Meier. Mit Projekten dieser Größenordnung hat man in Hoya
keine Erfahrung: „Bis 18. September hat jeder die Möglichkeit, Stellung zu
beziehen.“ Danach will man in die Beratung über die Änderung des
Flächennutzungsplans einsteigen.
Ein Schritt zu viel, findet Eckehard Niemann von der AbL. Er fordert den
Samtgemeinderat auf, das Vorhaben abzulehnen: „Das Recht dazu hat er.“
Mindestens müsste es seiner Ansicht nach ein Raumordnungsverfahren geben,
„weil das Vorhaben übers Gemeindegebiet hinauswirkt“. Beim
Raumordnungsverfahren würde geprüft, ob das Vorhaben mit den im
Raumordnungsprogramm festgelegten Bestimmungen kompatibel ist.
## Rund achtmal so viel wie heute
Daran könnte man Zweifel hegen: „Die Entwicklung der räumlichen Struktur
des Landkreises soll so erfolgen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen
nachhaltig gesichert und bestehende Umweltbeeinträchtigungen vermindert
oder abgebaut werden“, legt das Regionale Raumordnungsprogramm Grundsätze
fest. Maßgabe ist, dass „gewachsene Orts- und Landschaftsstrukturen, die
das Landschaftsbild prägen, erhalten bleiben“.
Die vier Ortsteile der Gemeinde Warpe, Helzendorf, Nordholz, Windhorst und
eben Warpe selbst, wirken wie noch ziemlich intakte Dörfer, alle im
Mittelalter gegründet, mindestens. Keine 800 EinwohnerInnen hat Warpe, ein
paar sehr alte Höfe, Backstein und Fachwerk, eine alte Wassermühle. Es gibt
viele Weserzuflüsschen, Bäche und Quellen dort, die nur eine bedingte
Menge Kuhfladen vertragen.
Die ganze Samtgemeinde Hoya zeichnet sich durch eine vergleichsweise
gegliederte Landschaft aus, mit kleineren und mittleren Bauernhöfen,
Hecken, kaum Massentierhaltung. „Diese Dinge würden durch so eine Anlage
stark beschädigt“, befürchtet Jürgen Hahn von der Bürgerinitiative Warpe,
die zehn Mitglieder und etwa 70 SympathisantInnen zählt. „Die kleinen Höfe
würden hier alle plattgemacht, die Landschaft komplett umgekrempelt.“ Über
Conny Derboven sagt Hahn: „Das ist ein total sympathischer Nachbar, ein
richtig netter Mensch.“ Aber das, was er vorhabe, „das ist richtig
Großindustrie“. Und die will man bei aller Sympathie nicht vor der Nase
haben.
Denn, klar: 3.000 Rinder brauchen große Mengen Wasser, jeden Tag. Sie
brauchen Frischfutter, Mais und Gras, das nicht ewig weit transportiert
werden kann. Und die in der Biogasanlage vergorene Gülle muss auch entsorgt
werden. Dafür sind Flächen in der Nähe des Betriebs notwendig. Um ihre
Pläne durchzuziehen, müsste Familie Derboven nach Rechnung sowohl von
Landvolk als auch alternativem Bauernverband AbL Zugriff auf rund 2.500
Hektar bekommen.
Das wäre rund achtmal so viel wie heute. Und es würde dem 46-fachen des
durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betriebes im Landkreis Nienburg
entsprechen. Das kann mit „Erhalten gewachsener Strukturen“ nicht gemeint
sein. Trotzdem hat die Kreisverwaltung Nienburg der Samtgemeinde
mitgeteilt, „dass im Ergebnis auf die Durchführung eines
Raumordnungsverfahrens verzichtet werden“ könne. Ein Rechtsanspruch auf die
Einleitung besteht laut Niedersächsischem Raumordnungsgesetz ausdrücklich
nicht.
Bei der Bürgerinitiative bleibt man trotzdem optimistisch: „Wir sind guter
Dinge, das noch stoppen zu können“, sagt Hahn.
14 Sep 2017
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Massentierhaltung
Landwirtschaft
Gülle
Bauernverband
Schwerpunkt Landtagswahlen
Sitzblockade
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