# taz.de -- Denkmal für Homobewegung in Berlin: „Was sind das für schwule B… | |
> Sechs überdimensionale Calla-Lilien schmücken das Spreeufer vor dem | |
> Kanzleramt. Jörg Steinert vom Berliner LSVD erklärt, was das soll. | |
Bild: Echt riesig, die Blumen! Blick auf das neue Denkmal | |
taz: Herr Steinert, Sie weihen heute ein neues Denkmal gegenüber vom | |
Kanzleramt ein. Das Ufer ist bereits nach Magnus Hirschfeld benannt. Es | |
gibt auch schon zwei Gedenktafeln. Wofür braucht man jetzt noch ein zweites | |
Denkmal? | |
Jörg Steinert: Das Denkmal erinnert an die erste Homosexuellenbewegung. | |
Diese geht weit über die Person Hirschfeld hinaus. Wir haben in den letzten | |
Jahren damit begonnen, nicht nur an die Verfolgung von Homosexuellen zu | |
erinnern, sondern auch an die Emanzipationsbewegung. Damals sind erstmals | |
Menschen zusammengekommen und haben sich organisiert. Sie haben Petitionen | |
eingereicht, Aufklärungsarbeit geleistet und sich vernetzt. Davon | |
profitieren wir bis heute. | |
Welche Bedeutung hat Magnus Hirschfeld heute noch in der LGBT-Szene? | |
Hirschfeld war der Begründer der ersten Homosexuellenbewegung. Viele | |
denken, das sei im 20. Jahrhundert in New York losgegangen, da wir jährlich | |
den Christopher Street Day feiern. Das ist falsch. Die erste | |
Homosexuellenbewegung hat ihren Ursprung in Berlin, und zwar im 19. | |
Jahrhundert, genau 1897. | |
Hirschfelds wissenschaftlicher Ansatz gilt heute als überholt. | |
Seine Theorie der sexuellen Zwischenstufen würde man heute sicher nicht | |
mehr so formulieren. Aber es war der Anfang, sich diesem Thema zu nähern | |
und bisherige Denkmuster aufzubrechen. | |
Aus den eingereichten Vorschlägen hat die Jury die Variante mit sechs | |
großen Calla-Lilien ausgewählt. Warum? | |
Die Pflanze hat Blüten verschiedenen Geschlechts auf einer Pflanze. Sie | |
steht dafür, dass es in der Natur eben noch mehr gibt als nur männlich oder | |
nur weiblich. Zudem wollten wir ein Denkmal, dass nicht nur funktioniert, | |
wenn man daran vorbeigeht. Die vier Meter hohen Calla-Lilien sind auch vom | |
Kanzleramt zu sehen, sie sind vom anderen Ufer zu sehen, wo das Institut | |
für Sexualwissenschaft stand. Auch die Touristen von den Booten können es | |
sehen. | |
Aus der Ferne werden wohl nicht alle die Bedeutung hinter den vier Meter | |
hohen Blumen verstehen. | |
Uns wurde schon vermittelt, dass die Touristen, die auf den Booten | |
vorbeifahren, wohl sagen: „Was sind denn das für schwule Blumen?“ Weil | |
diese in Regenbogenfarben sind. Eine Tendenz wird also erkannt. | |
Wird es zu den Callas weitere Informationen geben? | |
Informationen wie die auf den Gedenktafeln sollen auf jeden Fall neben dem | |
Denkmal bestehen bleiben. Inwieweit es eine redaktionelle Anpassung geben | |
sollte, werden wir noch mit der Kulturverwaltung klären. Zudem sind diese | |
Tafeln sehr beschädigungsanfällig. Es gab schon vier Mal Vandalismus an | |
dieser Stelle. Das haben wir beim Bau des Denkmals beachtet. Die Callas | |
bestehen daher nicht aus Aluminium, sondern aus Stahl. | |
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat in einer Broschüre, die Sie | |
herausgegeben haben, geschrieben: „Vieles von dem, wofür Hirschfeld | |
kämpfte, ist heute in Deutschland Wirklichkeit.“ Da kann man sich ja jetzt | |
entspannt zurücklehnen. | |
Als die Broschüre herauskam, gab es die „Ehe für alle“ noch nicht, aber | |
zumindest in Deutschland seit 1994 keine strafrechtliche Verfolgung von | |
Homosexuellen mehr. Aber auch mit der „Ehe für alle“ bleibt es bei | |
Diskriminierungen im Alltag und am Arbeitsplatz sowie bei Gewalt im | |
öffentlichen Raum. Das Denkmal soll daher ein Ansporn sein. | |
Was erwarten Sie diesbezüglich von Politik und Gesellschaft? | |
Unser Anspruch ist Akzeptanz in allen gesellschaftlichen Bereichen. Wir | |
wissen, dass „schwul“ eines der meistbenutzten Schimpfwörter an Schulen | |
ist, dass homosexuelle und transgeschlechtliche Jugendliche ein erhöhtes | |
Suizidrisiko haben, dass es Gewaltvorfälle zu Hunderten in der Stadt gibt. | |
Dagegen muss man sich engagieren, die betroffenen Menschen unterstützen und | |
die Gesellschaft sensibilisieren. | |
7 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Rebecca Barth | |
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