# taz.de -- Debatte US-Demokraten: Jenseits der Selbstkritik | |
> Die Eliten der Demokratischen Partei haben nicht nur bei den Wahlen | |
> versagt. Auch als Opposition gegen Präsident Trump scheitern sie. | |
Bild: Immerhin: Die Stimme des unabhängigen Bernie Sanders ist häufig zu vern… | |
Eigentlich müsste es einfach sein, die Opposition gegen US-Präsident Donald | |
Trump zu formulieren. Doch die Demokratische Partei tut sich erstaunlich | |
schwer. Sie liefert weder eine Schattenregierung noch systematische | |
Gegenvorschläge zu seiner Politik. Stattdessen betreibt die Parteispitze | |
Business as usual. Und sie tut es auch noch mit den gescheiterten | |
Führungsfiguren und Geldgebern von der Wall Street sowie anderen | |
Industrien, die seit Jahrzehnten die großen Parteien finanzieren. | |
Im November haben sich die Wähler in Massen von der Demokratischen Partei | |
abgewandt. Die hat nicht nur das Weiße Haus und beide Kammern im Kongress | |
verloren, sondern auch weite Teile des Landes, wo sie nur noch in 15 der 50 | |
Bundesstaaten die Gouverneure stellt. In 90 Jahren waren die Demokraten | |
nicht mehr so schwach. Die Lage schreit nach Selbstkritik, nach der Suche | |
nach Verantwortungen und nach Lehren, die daraus für die Zukunft gezogen | |
werden müssen. | |
Doch die Führung der Demokratischen Partei tut nichts von alledem. | |
Stattdessen verliert sie wertvolle Zeit damit, „Russland, Russland“ zu | |
rufen. Tatsächlich könnten Absprachen mit Russland eines Tages der Grund | |
für ein vorzeitiges Ende der Trump-Präsidentschaft werden. Natürlich müssen | |
Ermittler Licht in diese Verbindungen bringen. Aber das Stichwort | |
„Russland“ ersetzt keine echte Oppositionspolitik. Um wählbar zu sein, | |
brauchen die Demokraten mehr. Sie müssen sagen, was sie denn tun wollen, um | |
Arbeitsplätze zu schaffen, um die eingefrorenen Niedriglöhne anzuheben und | |
um die ruinösen Universitätsgebühren abzuschaffen. | |
Statt oppositionelles Profil zu gewinnen, haben die Demokraten unter Trump | |
zusätzlich an Glaubwürdigkeit verloren. So schürten sie monatelang Zweifel | |
an seiner Zurechnungsfähigkeit. Doch als er sie für eine Intrige gegen | |
seine eigenen Partei benötigte, reichte ein Anruf, und schon [1][eilten die | |
Spitzendemokraten im Kongress in sein Büro] und halfen mit, ein | |
Haushaltspaket mit ihm zu schnüren. | |
## „Nationale Sicherheit“ im Vordergrund | |
Den Wählern ist nicht entgangen, wie wenig die Demokratische Partei gelernt | |
hat. Und sie zeigen das sowohl in Meinungsumfragen als auch an der Urne. | |
Bei allen vier Nachwahlen für frei gewordene Kongresssitze haben in diesem | |
Jahr die Demokraten verloren. Jedes Mal hat die Parteiführung ihre Fehler | |
wiederholt: zentristischer Kurs, kein Platz für Parteilinke und | |
Dollarspritzen in zweistelliger Millionenhöhe statt politischer | |
Alternativen. | |
Mit einer Demokratischen Partei in einem derart desolaten Zustand können | |
sich Trump und die Republikaner ins Fäustchen lachen und hoffen, dass es | |
dabei bis zu den Halbzeitwahlen im nächsten Jahr bleibt. | |
Als wäre das nicht genug, meldete sich nun die Frau zurück, die gegen den | |
unqualifiziertesten und unpopulärsten Präsidenten der modernen | |
US-Geschichte gescheitert ist. Hillary Clinton macht dafür in ihrem Buch | |
„What happened“ andere verantwortlich: das FBI, Russland, die Medien. Am | |
härtesten kritisiert sie den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders. Er | |
habe „unrealistische Hoffnungen“ geweckt und mit seiner Kritik an ihrer | |
Wall-Street-Nähe das Terrain dafür bereitet habe, dass Trump sie | |
„betrügerische Hillary“ taufte. | |
Clinton und ihr Ehemann sind zwei der wichtigsten Architekten der | |
politischen Wende der Demokratischen Partei seit den 70er Jahren. Mit der | |
Überzeugung, dass Wahlen in den USA nicht links gewonnen werden können, | |
wandten die „New Democrats“ sich der Mitte zu, gingen auf Distanz zu den | |
Gewerkschaften, knüpften enge Bande mit Konzernen, organisierten | |
Einschnitte in die Sozialversicherung und schufen Kontrollmechanismen für | |
Wall-Street-Geschäfte ab. | |
In der Außenpolitik rückten sie die „nationale Sicherheit“ und das Milit�… | |
in den Vordergrund und machten die Demokraten zu einer Partei von Falken. | |
Nachdem sie damit der Republikanischen Partei zum Verwechseln ähnlich | |
geworden waren, blieb die Gesellschaftspolitik als Alleinstellungsmerkmal | |
übrig. Im letzten Wahlkampf spielte diese Gesellschaftspolitik eine | |
zentrale Rolle im demokratischen Wahlkampf: von den „race relations“ über | |
die Homo-Ehe bis hin zur Gleichberechtigung von Transmenschen. Solche | |
Themen stoßen in den USA auf parteiübergreifendes Verständnis – denn das | |
Bewusstsein dafür hat sich geschärft –, aber Mehrheiten sind damit nicht zu | |
gewinnen. | |
Die Unterstützer von Clinton kontrollieren weiterhin die Führungsebenen | |
und das Geld der Partei. Doch die tatsächliche Opposition gegen Trump und | |
die Widerstandsaktionen gegen seine Politik kommt woandersher. Sie | |
formieren sich an der Basis, wo die Skepsis gegen die alte Garde der Partei | |
groß ist. Bislang ist die Opposition gegen Trump vor allem | |
außerparlamentarisch. Aber aus ihrer Mitte streben Tausende junge Leute – | |
darunter viele Frauen – in die Partei und ihre Gremien. | |
## Nur Sanders ist hörbar | |
Wie Clinton war auch Sanders ein Verlierer der Präsidentschaftswahl im | |
letzten Jahr. Doch während sie ihre Wunden leckte, hielt er Reden über | |
soziale Gerechtigkeit. Sein Programm erinnert an den „New Deal“ der 30er | |
Jahre – an jene Demokraten mit beinahe sozialdemokratischen Vorstellungen, | |
die von „New Democrats“ wie Clinton verdrängt wurden. Sanders ist nicht | |
einmal Mitglied der Demokratischen Partei, sondern der einzige Unabhängige | |
im Senat. Aber er hat entschieden, zumindest vorerst im Rahmen des | |
Zweiparteiensystems zu bleiben. Damit ist er die hörbarste oppositionelle | |
Stimme geworden. | |
Während Clinton ihre Buchtour begann, brachte Sanders einen | |
Gesetzesvorschlag für eine Krankenversicherung in den Senat, der auch die | |
28 Millionen Nichtversicherten versorgen würde. Das Gesetz zeigt, wie | |
radikal sich die USA verändert haben. Noch vor einem Jahr wäre ein solcher | |
Vorschlag als „Sozialismus“ verschrien worden. Heute bekommt es die | |
Unterstützung von demokratischen Senatoren und die Sympathie moderater | |
Republikaner. „Medicare for all“ ist damit zwar immer noch weit von einem | |
Erfolg entfernt – Lobbys, darunter Geldgeber der Demokraten, werden | |
versuchen, das Gesetz zu verhindern. Doch es zeigt, dass die alte Garde der | |
Demokratischen Partei nicht mehr allein den Ton im Umgang mit Trump angibt. | |
22 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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