# taz.de -- Verbraucherschützer warnen vor Zucker: Süße Lügen der Industrie | |
> Foodwatch wirft der Lebensmittelwirtschaft vor, die Gefahren von Zucker | |
> zu verharmlosen. Hersteller sollen Abgaben für Süßwaren zahlen. | |
Bild: Schmeckt lecker, ist aber ungesund: Süßigkeiten und alles, was Zucker e… | |
„Zucker braucht jeder Mensch“, behauptet Christian Schmidt, der | |
Bundeslandwirtschaftsminister der CSU. Stimmt nicht, sagt die | |
Verbraucherorganisation Foodwatch. Das menschliche Gehirn benötige zwar | |
rund 130 Gramm Glucose, also Traubenzucker, am Tag. Doch die könne auch | |
über Stärke aus Brot oder Nudeln aufgenommen werden. | |
Zufall seien solche Falschaussagen wie die von Schmidt nicht, meint | |
Foodwatch-Experte Oliver Huizinga. „Die Lebensmittellobby belügt die | |
Politik.“ Mit gezielten Falschaussagen solle eine ernsthafte Debatte über | |
gesundheitliche Maßnahmen verhindert werden. Die Verbraucherorganisation | |
stellte am Mittwoch in Berlin sieben Mythen zum Thema Zucker und | |
Übergewicht vor. | |
Dazu zählen Behauptungen der Wirtschaftsvereinigung „Alkoholfreie Getränke�… | |
oder der „Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker“, es gebe keinen Zusammenhang | |
zwischen süßen Erfrischungsgetränken und Übergewicht oder dass | |
Zuckerverbrauch und die Kalorienaufnahme in Deutschland seit Jahren nicht | |
gestiegen seien. Dem hält Foodwatch die Zahlen medizinischer | |
Fachgesellschaften wie der Weltgesundheitsorganisation oder der Ernährungs- | |
und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen entgegen, die genau | |
das Gegenteil belegen. | |
„Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass Zuckerkonsum ein hohes Risiko für | |
Übergewicht und chronische Krankheiten birgt“, sagt Huizinga. Die | |
Zuckerindustrie verhalte sich wie früher die Tabakkonzerne: Sie | |
verschleiere die Gefahren ihrer Produkte mit Falschaussagen, um unliebsame | |
politische Initiativen zu verhindern. | |
## Foodwatch fordert eine Zuckersteuer | |
Günter Tissen, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftlichen Vereinigung | |
Zucker, wehrt sich gegen den Vorwurf, falsche Fakten zu verbreiten. „Die | |
Kalorienaufnahme hat sich in Deutschland nach seriösen Untersuchungen eben | |
nicht erhöht“, sagt Tissen und verweist auf Zahlen der Deutschen | |
Gesellschaft für Ernährung. Zudem verschleiere die Fokussierung auf den | |
Zucker als großen Sündenbock das eigentliche Problem des Übergewichts, das | |
mit der Kalorienaufnahme zusammenhänge: „Wer mehr isst, als er verbraucht, | |
nimmt zu. Egal woher die Kalorien kommen.“ | |
Das sieht Foodwatch anders. Die Verbraucherorganisation hatte Anfang der | |
Woche eine Studie zu Erfrischungsgetränken vorgestellt, in der sie eine | |
Zucker-Abgabe für Hersteller fordert. Die Studie zeigt, wie viel Zucker in | |
Cola, Limonade oder Schorlen steckt: Bei über der Hälfte der 463 getesteten | |
Getränke waren es mehr als 5 Prozent – das sind mehr als vier Würfelzucker | |
pro Glas. | |
In Großbritannien müssen Getränkehersteller für diese Menge ab 2018 eine | |
Abgabe von 21 Cent pro Liter zahlen. Auch Frankreich, Mexiko oder Kanada | |
haben bereits Besteuerungen oder Ampelkennzeichnungen für Süßwaren. In | |
Deutschland gibt es solche Regelungen bislang nicht. | |
Es sei eine „Blamage für die deutsche Politik“, dass man die Debatte über | |
gesetzliche Maßnahmen hierzulande mit Falschinformationen führe, sagt | |
Huizinga. Dabei könnten die Einnahmen einer Zucker-Abgabe für | |
Aufklärungsprogramme gegen Fettleibigkeit verwendet werden und so die | |
öffentlichen Gesundheitskassen entlasten, sagt Foodwatch. Das Urteil der | |
Verbraucherorganisation über Zuckerersatzstoffe fällt indes milder aus. Der | |
wissenschaftliche Stand über die Folgen von Süßstoffen sei bislang noch zu | |
unklar, als dass man konkrete Forderungen stellen wolle, sagt Huizinga. | |
30 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Lucia Heisterkamp | |
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