| # taz.de -- Verbraucherschutz online: Ein Produkt, 13 Herkunftsländer | |
| > Foodwatch testet Online-Anbieter für Lebensmittel. Es gibt Verstöße gegen | |
| > die Lebensmittelverordnung und Defizite beim Datenschutz. | |
| Bild: Funktioniert noch ohne Datenschutzprobleme: Offline-Einkaufswagen | |
| Berlin taz | Lebensmittel bequem zu Hause bestellen und binnen kurzer Zeit | |
| geliefert bekommen: So sieht der optimale Onlinehandel mit Lebensmitteln | |
| aus. Allerdings gibt es Mängel bei Produktkennzeichnungen und beim | |
| Datenschutz der Kunden. Viele Händler verstoßen gegen Informations- und | |
| Kennzeichnungsvorgaben. Zudem ist es auf Grund komplexer Preismodelle | |
| unklar, welcher der Anbieter der günstigste ist. Dies ist das Ergebnis | |
| [1][einer Untersuchung der Verbraucherschützer von Foodwatch] vom | |
| Donnerstag. | |
| „Sich an gesetzliche Vorgaben zur Kennzeichnung von Lebensmitteln zu | |
| halten, ist im Onlinebereich nicht selbstverständlich. Mir fällt aber kein | |
| namhafter Anbieter ein, der sich das im normalen Supermarkt trauen würde“, | |
| sagte Martin Rücker, Geschäftsführer von Foodwatch Deutschland. | |
| Vier von fünf getesteten Anbietern geben keine eindeutigen | |
| Herkunftsnachweise für die verschickten Produkte an, wie Foodwatch-Expertin | |
| Luise Molling kritisierte. So sei bei Rewe nicht klar erkennbar gewesen, ob | |
| eine Paprika aus Deutschland, Spanien oder Israel kam. „Und Amazon fresh | |
| gibt für seine Weintrauben insgesamt 13 Herkunftsländer an.“ Foodwatch | |
| fordert daher schärfere Kontrollen. | |
| ## Erst ein Prozent Anteil am Gesamtmarkt | |
| Der Onlinemarkt für Lebensmittel ist von 2015 bis 2016 zwar um mehr als 20 | |
| Prozent gewachsen, stellt aber erst ein Prozent des gesamten Marktes dar. | |
| Foodwatch hatte in einem Vergleichstest insgesamt fünf Online-Händler unter | |
| die Lupe genommen. Alle sind sogenannte Vollsortimenter, also Unternehmen, | |
| deren Angebote mit einem klassischen Supermarkt mithalten können. | |
| Von den Kandidaten liefern Mytime und Allyouneedfresh deutschlandweit per | |
| Paketdienst. Die anderen drei arbeiten mit Lieferdiensten. Rewe ist derzeit | |
| in knapp 80 Städten vertreten, Amazonfresh und die Edeka-Tochter | |
| Bringmeister beschränken sich auf wenige Großstädte. | |
| Testkriterien waren zum einen Qualität und Lieferservice bei | |
| Versuchskäufen. Hierzu wurden drei zufällig zusammengestellte Warenkörbe | |
| mit je 21 Produkten von jedem Anbieter bestellt. Zum anderen prüfte | |
| Foodwatch auch die Websites der Händler auf Transparenz, Datenschutz sowie | |
| Barrierefreiheit. | |
| ## Klare Verstöße gegen Lebensmittelverordnung | |
| Die heftigste Kritik im Test übte Foodwatch an der Kennzeichnung der | |
| Lebensmittel in den Onlineshops. Alle Anbieter außer Mytime würden klar | |
| gegen die Bestimmungen der europäischen Lebensmittelinfoverordnung (LMIV) | |
| verstoßen. Oft fehlte die Angabe des Herkunftslands der Lebensmittel, deren | |
| Abwesenheit im herkömmlichen Supermarkt undenkbar wäre. Zudem übernehmen | |
| Rewe und Bringmeister auf ihren Websites keine Haftung für die Angaben der | |
| Nährwerte, sondern erwarten vom Kunden, diese zu überprüfen, wenn sie | |
| geliefert werden. | |
| „Dies ist aus Sicht von Foodwatch nicht nur wenig verbraucherfreundlich, | |
| sondern auch unzulässig“, so Foodwatch. Dies sei auch nicht durch eine | |
| Erklärung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der zwei Unternehmen zu | |
| rechtfertigen, in denen es heißt, dass der eigentliche Kauf erst bei der | |
| Übergabe der Ware an der Haustür stattfinde. Dies stufte die | |
| Verbraucherschutzorganisation ebenfalls als Verstoß ein. | |
| Dass diese Selbstverständlichkeiten nicht eingehalten werden, liege daran, | |
| dass die zuständigen kommunalen Behörden nicht mit der Kontrolle | |
| hinterherkämen. „Es ist ein bisschen eine Situation wie im Wilden Westen. | |
| Es gibt einen Sheriff, aber da klemmt die Knarre, und obwohl es was zu tun | |
| gibt, kann er nicht durchgreifen“, beschrieb Rücker die Situation. Er | |
| fordere daher die neue Bundesregierung auf, den ohnehin überforderten | |
| Kommunen diese Kontrollaufgabe abzunehmen. | |
| Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit habe bisher | |
| nur eine koordinierende Funktion innegehabt, so Rücker. Nun sollte es mehr | |
| Kompetenzen erhalten und sich des Problems annehmen. Dies sei allerdings | |
| nicht ohne mehr Personal möglich. | |
| Vielfach sei der Datenschutz mangelhaft. Es sei nun einmal so, dass „im | |
| Onlineshop auch mit Daten bezahlt wird. Das sollte daher transparent sein“, | |
| sagte Rücker. Er bezog sich damit auf die hohe Anzahl von sogenannten | |
| Tracker-Cookies. Dies sind kleine Datenschnipsel, die die Shops im Browser | |
| des Benutzers abspeichern lassen, um seinen Suchverlauf nachverfolgen, | |
| Informationen speichern und zielgerichtete Werbung schalten zu können. | |
| Insbesondere Rewe fiel hier mit der höchsten Zahl von 80 Trackern negativ | |
| auf. Rücker kritisierte, dass diese Tracker auch mit anderen Unternehmen | |
| kooperierten, mit denen der Kunde überhaupt nichts zu tun habe und die | |
| dennoch seine Daten sammelten. Gerade Informationen über die Ernährung | |
| gäben leicht Rückschluss auf Einkommen, Bildungsgrad, sozialen Status und | |
| das Gesundheitsbewusstsein. | |
| ## Wer der Günstigste ist, bleibt unklar | |
| Einen Preis-Leistungssieger oder den günstigsten Anbieter konnte Foodwatch | |
| nicht feststellen. Dies liegt an den komplexen Preismodellen. Zwar sind die | |
| Preise der einzelnen Produkte klar erkennbar, jedoch kommen je nach | |
| Lieferort und -zeitraum, Kühlungskosten, der bestellten Menge und der | |
| Anzahl der Bestellungen bei jedem Anbieter unterschiedliche Zuschläge | |
| hinzu, die einen Preisvergleich erschweren. Dem Kunden sei während des | |
| Bestellens überhaupt nicht klar, was der Einkauf am Ende kostet – ganz im | |
| Unterschied zum herkömmlichen Supermarkt. | |
| So bietet beispielsweise Amazon fresh den günstigsten Warenkorb, allerdings | |
| setzt eine Bestellung eine Mitgliedschaft bei Amazon Prime für 70 Euro pro | |
| Jahr und ein Fresh-Abonnement für zehn Euro pro Monat voraus. | |
| Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker erläuterte, dass der Vergleich | |
| ähnlich schwierig wie die Wahl des günstigsten Stromanbieters sei. Es gebe | |
| allerdings keine Vergleichsportale, und es handele sich nicht um | |
| langfristige Entscheidungen, sondern um Dinge des täglichen Bedarfs. | |
| Hinsichtlich der Qualität der Nahrungsmittel leisteten sich laut Foodwatch | |
| alle Verkäufer Schnitzer: Amazonfresh und Rewe schickten beispielsweise | |
| einmal schimmlige Tomaten, Allyouneedfresh versandte Bananen mit | |
| Druckstellen, Mytime einen zerbröselten Kuchen und Bringmeister und Rewe | |
| brachten nicht alle Eier heil zum Kunden. Pünktlichkeit, Kühlung und | |
| Vollständigkeit waren bei den fünf Konkurrenten weitestgehend | |
| zufriedenstellend. Bei der Verfügbarkeit geriet Allyouneedfresh ins | |
| Hintertreffen, da im gesamten zweiwöchigen Testzeitraum keine Bioeier zu | |
| kaufen waren. | |
| Bei den Lieferzeiten taten sich die drei nur in städtischen Regionen | |
| liefernden Unternehmen gegenüber den deutschlandweit liefernden Unternehmen | |
| hervor. Besonders Bringmeister und Amazon fresh liefern häufig noch am | |
| selben Abend. Auch der Zeitraum indem die Ware geliefert wird, war mit ein | |
| bis zwei Stunden recht klein. Bei Allyouneedfresh und Mytime hingegen | |
| kommen die Bestellungen innerhalb eines Tages beziehungsweise innerhalb von | |
| zwei Tagen. Ein kleines Zeitfenster gibt es bei Allyouneedfresh nur in | |
| städtischen Regionen und bei Mytime nur gegen den hohen Aufpreis von 13 | |
| Euro. | |
| 9 Mar 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.foodwatch.org/de/informieren/aktuelle-nachrichten/bringt-s-das-… | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Bollmeier | |
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