# taz.de -- Hausbesuche mit der SPD: Herr Rebmann will bleiben | |
> Mannheim galt immer als SPD-Hochburg. Doch die AfD wird dort immer | |
> stärker. Haustürwahlkampf mit den Sozialdemokraten. | |
Bild: Selfie-Time: SPD-Bundestagskandidat Stefan Rebmann und Stadträtin Andrea… | |
In der Mannheimer Innenstadt überwiegt am Samstagvormittag das Blau. Blaue | |
Ballons, blaue Sonnenschirme, blaue Kugelschreiber. Der Stand der AfD ist | |
der einzige, der dem kurzen Schauer nicht gewichen ist. Vier Männer und | |
eine Frau stehen hinter Stehtischen und verteilen Flyer mit Titeln wie „Die | |
Wahrheit über das Asylchaos“. | |
Eine Deutschtürkin mit Kopftuch nimmt einen der blauen Ballons für ihre | |
Söhne entgegen. Wofür die drei roten Buchstaben darauf stehen, scheint sie | |
nicht zu wissen. „Das ist schon irgendwie witzig, wenn Migrantenkinder mit | |
unserem Werbematerial herumlaufen“, sagt Johannes Kopp, 43, AfD-Vorstand | |
Kreisverband Mannheim. „Das nehmen wir mit Humor.“ | |
Neben Humor hat die AfD hier vor allem eins: neues Selbstbewusstsein. Dabei | |
war Mannheim, 300.000 Einwohner, eigentlich immer knallrot. Arbeiterstadt, | |
Zuwanderungsort, SPD-Hochburg. Ein sozialdemokratischer Flecken auf einem | |
großen schwarzen Stück Landkarte. Im Norden Mannheims, dort, wo die | |
Stadtteile Schönau oder Sandhofen heißen, erreichte sie zeitweise | |
Ergebnisse von über 50 Prozent. | |
Doch diese Ära ist spätestens seit den Landtagswahlen im letzten Jahr zu | |
Ende. Auch dank der AfD. Die holte in ganz Mannheim knapp 18 Prozent und | |
schnappte der SPD im Stadtteil Schönau sogar das Direktmandat weg. 30 | |
Prozent der Wähler gaben ihr hier ihre Stimme. „Die SPD ist stinksauer auf | |
uns“, sagt Kopp. | |
## Nach dem Debakel die Hoffnung | |
Knapp eineinhalb Jahre nach dem Debakel hofft die SPD wieder auf die | |
Mehrheit der Stimmen. Das Büro der SPD Schönau liegt schräg gegenüber vom | |
sanierten Lena-Maurer-Platz. Der Lack der Bänke glänzt noch. Auch die | |
Kinderkrippe nebenan sieht aus, als wurde sie gerade erst fertiggestellt. | |
Drumherum Siedlungshäuser mit gepflegten Vorgärten. | |
„Der Ruf der Schönau entspricht nicht ihrem wirklichen Bild“, sagt Andrea | |
Safferling. Die 54-jährige Stadträtin steht im Stadtteilbüro zwischen | |
SPD-Plakaten, Flyern und Papiertüten. Eigentlich hatte sie keine Lust auf | |
ein Gespräch, das hatte sie am Telefon signalisiert. Nach der Landtagswahl | |
habe die Schönau und ihre SPD in fast allen Artikeln dumm ausgesehen. „Dass | |
hier viel gemacht wird und dass wir eigentlich die einzige Partei sind, die | |
hier präsent ist, wurde oft verschwiegen.“ | |
Stefan Rebmann und drei Jusos betreten den Raum. Der 55-Jährige ist seit | |
2011 Bundestagsmitglied und SPD-Kandidat für den Wahlkreis Mannheim. Er | |
trägt rosa Hemd und Jeans. „Grüß disch, Andrea.“ Für den Reporter machen | |
sie heute eine gemeinsame Runde Hausbesuche. Erststimmenwahlkampf. Auf der | |
Landesliste steht Rebmann auf Platz 20. „Ohne Direktmandat wird’s nichts“, | |
sagt er. | |
An eine Wiederholung des Landtagsdebakels glaubt er nicht. Diesmal geht es | |
allerdings um seine eigene Zukunft. Die letzten Male holte der CDU-Kandidat | |
das Mandat für den Bundestag. Doch der ist jetzt in Rente und sein junger | |
Nachfolger ist umstritten. Rebmanns Sieg ist Pflicht. | |
## Verschlossene Türen, leere Straßen | |
Die ersten Türen bleiben verschlossen, auch die Straßen sind größtenteils | |
leer. Die Ferien enden in Baden-Württemberg erst in einer Woche. Vor einem | |
Kiosk starrt ein Mann auf seinen Lottoschein. Als Rebmann und Safferling | |
näherkommen, blickt er kurz auf. „AfD?“ Safferling schüttelt den Kopf und | |
drückt dem Mann einen Flyer in die Hand. | |
Daraufhin erklärt er aufgeregt, er könne die SPD nicht mehr wählen. „Ich | |
komme aus ’nem SPD-Haushalt, ich habe euch immer gewählt. Aber jetzt ist | |
Schluss. Ihr habt nix gemacht.“ Schnell kommt er aufs Thema Flüchtlinge. | |
„Da sind so viel schwarze Buben dabei.“ | |
Rebmann nickt zunächst, kommt dann näher und fasst dem Mann auf die | |
Schulter. „Wenn 300.000 Mannheimer fliehen würden, glauben Sie, da wären | |
keine Arschlöcher dabei?“ „Na klar, wenn ich dort leben würde, würde ich | |
auch fliehen“, antwortet der nach kurzem Zögern. „Aber es hat sich alles so | |
gewandelt.“ Plötzlich ist Rebmann beim Du. | |
Er erzählt davon, wie seine Frau einmal zehn Jesiden mit nach Hause | |
brachte, von der Zeit, als er im Betriebsrat war und 500 Stellen gekürzt | |
wurden. „Mir muss man nix vormachen, ich hab alles gesehen.“ Der Mann | |
nickt. Er werde noch einmal überlegen, ob er wirklich beide Stimmen der AfD | |
geben wird. Aber Merkel – die könne er nicht mehr sehen. „Alla gut, da | |
simma uns ja einig“, Rebmann verabschiedet sich lächelnd. | |
## „Das ist keine asoziale Gegend“ | |
Einige Bewohner kennen die SPD-Stadträtin und freuen sich über ihren | |
Besuch. Sie wünschen sich vor allem, dass die Schönau nicht mehr so | |
schlechtgeredet wird. „Ich bin hier geboren, das ist keine asoziale | |
Gegend“, sagt eine Frau. Immer betont Safferling, wie viel die Stadt in die | |
Schönau investiert habe. | |
Die SPD setzt voll auf Rebmanns Authentizität – als ehemaliger | |
Gewerkschaftler, als Mannheimer, als einer, der nah an den Menschen ist. | |
Der Name Martin Schulz fällt an keiner Haustür. Ein richtiges Rezept gegen | |
das Erstarken der AfD hat die SPD hier nicht. Stattdessen herrscht | |
Ratlosigkeit. Was, wenn die Rechtspopulisten wieder so stark abschneiden? | |
„Der Gedanke macht mir Angst“, gibt Safferling zu. | |
6 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Paul Toetzke | |
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