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# taz.de -- Arbeit und Ausbildung: Tausende Jugendliche ohne Lehrstelle
> Berlin bleibt Schlusslicht beim Verhältnis von Ausbildungsplätzen zu
> BewerberInnen. Dafür seien überdurchschnittlich viele Geflüchtete bereits
> in Arbeit.
Bild: Vier glückliche Azubis, die am 1. September in Berlin eine Ausbildung an…
Talal Hamo schaut etwas schüchtern aber glücklich in die Runde. „Ich habe
es geschafft. Morgen beginnt meine Ausbildung, vor zwei Tagen bin ich
Deutscher geworden.“ Der 28-jährige gebürtige Iraker lebt seit acht Jahren
in Berlin, hat bisher als Aushilfe gearbeitet und Deutschkurse besucht.
Über eine „Einstiegsqualifizierung“ – eine Art Betriebspraktikum für ni…
ausbildungsreife Jugendliche – bekam er eine Azubi-Stelle bei der
Arbeitsagentur selbst. Nun wird er „Fachangestellter für
Arbeitsmarktdienstleistungen“.
Bei der jährlichen Vorstellung der Zahlen zu Beginn des Ausbildungsjahres
am Donnerstag wurden Hamo und drei andere junge Erwachsene der versammelten
Presse als leuchtende Beispiele vorgestellt. In Punkto Integration von
Geflüchteten in den Arbeitsmarkt liege Berlin „über dem
Bundesdurchschnitt“, betonte der Geschäftsführer der Regionaldirektion der
Arbeitsagentur, Bernd Becking.
Fast 40.000 Geflüchtete zwischen 15 und 65 Jahren aus acht
Hauptherkunftsländern (Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, Eritrea, Pakistan,
Nigeria, Somalia) seien in Berlin-Brandenburg arbeitssuchend – davon hätten
bereits 7.059 eine Beschäftigung gefunden, 5.565 davon sogar eine
sozialversicherungspflichtige. Eine gute Quote, so Becking, immerhin seien
viele Geflüchtete sprachlich oder von der Bildung her (noch) gar nicht so
weit, dass sie arbeiten könnten.
Die anderen Nachrichten, die Becking zu verkünden hatte, sind weniger gut.
Auch in diesem Jahr sind zu Beginn des Ausbildungsjahres am 1. September
Tausende junge Menschen in Berlin ohne Lehrstelle. Derzeit seien noch 6.264
BewerberInnen unversorgt, gleichzeitig gebe es 4.606 offene
Ausbildungsplätze. „Arbeitgeber, denkt daran, jungen Menschen eine Chance
zu geben, in Berlin muss mehr ausgebildet werden“, appellierte Becking an
die Berliner Unternehmen. Allerdings sei „das Spiel“ noch nicht vorbei: Bis
Oktober würde die Agentur noch fleißig Plätze vermitteln.
## IHK sieht keine fehlenden Lehrstellen
Insgesamt hatten sich laut Arbeitsagentur in diesem Jahr 19.638
BewerberInnen gemeldet, für die 15.715 gemeldete Lehrstellen zur Verfügung
standen. Beide Zahlen sind kaum verändert gegenüber dem Vorjahr. Damit
bleibt Berlin bundesweit das Schlusslicht: Nirgendwo kommen rechnerisch so
viele Bewerber auf eine Lehrstelle wie hier.
Dennoch erklärte die Präsidentin der Berliner Industrie- und Handelskammer.
Beatrice Kramm: „Fehlende Lehrstellen im Land Berlin existieren nur auf dem
Papier.“ Wer wirklich wolle, bekäme spätestens bei der jährlichen
Last-Minute-Börse (am 13./14. 9.) einen Platz, aber die meisten
Jugendlichen erschienen erfahrungsgemäß nicht zu diesem Termin. Politische
Appelle an die Wirtschaft seien daher „unredlich“.
Ganz anders lautete dagegen die Einschätzung von Arbeitssenatorin Elke
Breitenbach (Linke): „Wenn Unternehmen in der derzeitigen guten
Wirtschafts- und Beschäftigungslage nicht mehr junge Berlinerinnen und
Berliner ausbilden, ist auch deren Klage über fehlende Fachkräfte nicht
nachvollziehbar.“
Manchmal sind es ganz praktische Dinge, die einer Ausbildung im Weg stehen.
So erklärte Celina Törlitzsch, eine der vier Vorzeige-Azubinen, auf die
Frage, warum sie erst jetzt, fünf Jahre nach ihrem Mittleren
Schulabschluss, eine Ausbildung beginne: Sie habe nicht gewusst, wohin mit
ihren Kindern. „Die Arbeit fängt um sechs Uhr an, die Kita öffnet erst um
halb sieben.“ Ohne ihre Eltern könne sie die Versorgungslücke nicht
schließen – das Problem hätten viele junge Frauen.
Dem Chef der Arbeitsagentur schien dies neu zu sein. „Danke, das nehmen wir
mal als Anregung mit!“
31 Aug 2017
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Duale Ausbildung
Agentur für Arbeit
Integration
Duale Ausbildung
Flüchtlinge
Berlin
Integrationsbeauftragte
Minijob
Arbeitsmarkt
Duale Ausbildung
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