# taz.de -- Die Wahrheit: Politbesuch im Bananenkreis | |
> Es ist Wahlkampf, und das Berliner Spitzenpersonal reist auf Stimmenfang | |
> ins Hinterland – zum Beispiel an den Rand des Ruhrgebiets. | |
Bild: Hier beim Stopp in Erfurt: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz | |
In unserem bananenförmigen 390.000-Einwohner-Landkreis am Rande des | |
Ruhrgebiets, eingeklemmt zwischen Dortmund und Hamm, bekommen wir das | |
Berliner Spitzenpersonal der Politik eher im Fernsehen zu sehen als in | |
natura. Und, dass wir uns richtig verstehen, wir können damit ganz gut | |
leben. | |
Seit ein paar Monaten allerdings wird es lästig. SPD-Topmann Martin Schulz | |
war dieses Jahr schon das dritte Mal da. Anfang März besuchte er den | |
Politischen Aschermittwoch der Sozialdemokraten in Schwerte; ein paar Tage | |
danach ließ er sich in Kamen von den Genossen feiern „wie ein Rockstar“, | |
Zitat Lokalpresse. Die beiden Auftritte in geschlossenen Einrichtungen, äh, | |
Hallen vor parteieigenem Publikum machten Schulz offenbar so viel Mut, dass | |
er es jetzt sogar unter freiem Himmel in Unna auf dem Marktplatz versuchte. | |
Gestern war er schon wieder da. Und das durchaus mit Erfolg! | |
Ich vermute, es lag am ausgeklügelten Marketing des örtlichen | |
Bundestagsabgeordneten. Der hatte in einem Video auf Facebook angekündigt, | |
unter allen Usern, die das teilen, signierte Martin-Schulz-Plakate zu | |
verlosen. Danach ging es auf Facebook ordentlich zur Sache: Wir Provinzler | |
gehen steil ab auf Poster von wackeren Helden, die unbedingt gegen Merkel | |
abschmieren wollen. | |
Die drei, vier Glasfaserkabel bei uns glimmen immer noch vor sich hin, und | |
die Telekom erwägt schon eine Investition für den Bundestagswahlkampf 2021. | |
Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass Politiker unsere Welt ein klein | |
wenig besser machen können – hier wäre er. | |
Ein klein wenig schlechter machen können sie die Welt natürlich auch. Den | |
Beweis dafür hat Jens Spahn geliefert, renommierter Hipster-Kritiker, | |
Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und dort offensichtlich so | |
unterfordert, dass er ebenfalls gestern in der Kamener Fußgängerzone | |
aufkreuzte. Die örtliche CDU versprach „lockere Atmosphäre“. Zusammen mit | |
der Ankündigung eines „kleinen Imbisses“ reichte das aus, die Innenstadt am | |
Nachmittag zuverlässig hipsterfrei zu halten. Zu den liebenswerten | |
Garstigkeiten Kamens gehört, dass die Christdemokraten für die | |
publikumswirksame Aktion auf dem zentralen Willy-Brandt-Platz in Stellung | |
gehen mussten. Eine Adenauerstraße haben wir in Kamen zwar auch, aber da | |
ist es öde. | |
Ein großes Dankeschön verdienen hingegen zwei Politiker der AfD – schlicht | |
dafür, dass sie im Kreis Unna während des Wahlkampfs nicht aufgetaucht | |
sind, obwohl sie leider Anlass dazu hätten, von wegen Heimat und so. Frauke | |
Petry hat in Bergkamen die Abiturprüfung abgelegt (wirklich!), und Björn | |
Höcke ist in Lünen geboren. Ich habe versucht, die Bürgermeister zu | |
erpressen mit der Drohung, das hier zu schreiben, sollten sie nicht jeweils | |
einen Tausender locker machen. Das wurde abgelehnt mit der Begründung, die | |
Haushalte gäben das nicht her. Der Bund kümmere sich nicht genug. | |
Na danke, Angela Merkel. Aber die ist wenigstens weggeblieben. | |
31 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Milk | |
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