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# taz.de -- Rechten-Demo in Spandau: Kein guter Tag für Nazis
> Viele anreisende Rechte kamen zu spät, dann wurden sie von der Gegendemo
> ausgebremst. Der Naziaufmarsch zum Todestag von Rudolf Heß war ein
> Reinfall.
Bild: Berliner brauchen keine Worte, um Neonazis zu sagen, wo's langgeht
Berlin taz | Für Nazis war der Samstag in Berlin kein guter Tag. Knapp
1.000 wollten vom Bahnhof Spandau in die Wilhelmstraße zum ehemaligen
Kriegsverbrechergefängnis ziehen, um dort an den 30. Todestag von Rudolf
Heß, Hitlers einstigem Stellvertreter, zu erinnern. Rund 2.000
Gegendemonstranten, darunter etliche Parteien, linke Gruppen und Bündnisse
gegen rechts, verhinderten dies mit Blockaden an mehreren Stellen des
geplanten Streckenverlaufs. 1.000 Polizisten waren im Einsatz, allein 300
von der Bundespolizei, welche die An- und Abreise überwachten. Zu
handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Gegendemonstranten
kam es kaum, die Taktik der Polizei ging auf. Die Beamten nahmen etwa ein
Dutzend der Rechtsradikalen in Gewahrsam.
Laut Berlins Innensenator [1][Andreas Geisel] (SPD) war die Demo mit hohen
Auflagen verbunden. So durfte Heß weder in Wort noch Schrift geehrt werden,
wie es hieß. Auch die Zahl von Trommeln war begrenzt worden, Marschmusik
verboten. Stattdessen gab es Wagner-Opern auf die Ohren. „Ein Verbot wäre
mir sehr sympathisch gewesen, wir haben das sehr sorgfältig geprüft und
festgestellt, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung leider auch
für Arschlöcher gilt“, sagte Geisel dem RBB-Inforadio.
Nach Falkensee, wo am Abend mehrere hundert Rechte durch die Straßen zogen,
reisten kurzfristig ebenfalls Gegendemonstranten.
Dass der Heß-Zug in Spandau kaum sein Ziel erreichen würde, zeichnete sich
schon um 12 Uhr ab, als der Marsch hätte beginnen sollen. 150 Rechte
befanden sich da noch auf der Bahnstrecke zwischen Charlottenburg und
Spandau, weil die Regionalbahn ein Stellwerksproblem meldete. Via S-Bahn
kamen sie 25 Minuten zu spät in Spandau an. Auch ein Bus mit 50 Rechten aus
dem südbrandenburgischen Landkreis Elbe-Elster traf verspätet ein. Erst
eine Stunde später als geplant und unter lauten Pfiffen sowie „Nazis
raus“-Rufen begann die Heß-Demo – um 20 Meter später schon wieder zum
Stillstand zu kommen. Die Gegendemo, rund einen Kilometer entfernt,
blockierte erfolgreich die Straßen, die Polizei musste den Zug der Rechten
stoppen.
Für den Nazi-Tross ging es auch in der Folge nur schleppend voran,
begleitet von Bürgern, die am Straßenrand ihren Unmut lautstark äußerten.
„Nazis raus“, „Ihr habt den Krieg verloren“ oder „Haut ab“, skandie…
Nazigegner immer wieder. Zunächst blieb es auf der Gegenseite nahezu ruhig.
Ein Fotograf wurde angerempelt, ansonsten reagierten die Rechten dezent mit
abfälligen Handgesten und verbalen Beleidigungen. In der ersten Reihe
präsentierten die jungen Rechten ein Banner, während die Mittagssonne das
Warten nicht angenehmer machte. Als die Kundgebung schließlich um 14.40 Uhr
startete, nicht wie geplant in der Wilhelmstraße, sondern an der Ecke
Klosterstraße/Altonaer Straße, übertönten weitgehend die Pfiffe den rechten
Inhalt. Die 15 Punkte, die Sebastian Schmidtke, ehemals Chef der Berliner
NPD, als Beweise verkaufen wollte, warum Heß am 17. August 1987 keinen
Selbstmord begangen haben soll, gingen jedenfalls unter.
Kurz darauf kam es zu Rangeleien, als etwa 20 Rechtsradikale auf
Gegendemonstranten zustürmten, die Polizei war sofort zur Stelle und führte
den rechten Verursacher ab. Auch auf der neuen Route säumten wieder
zahlreiche Nazi-Gegner die Straßen, „erhängt euch“, riefen manche. Auf
Plakaten standen Sätze wie: „Macht es wie Rolf Hässlich“ oder „We love
Volkstod“.
Naziparolen waren nur auf den letzten 500 Metern zurück zum Bahnhof
vernehmbar. Als die Abschlusskundgebung gegen 16 Uhr zwischen Bahnof und
Spandau-Arcarden startete, brüllten und pfiffen etwa 300 Antifaschisten die
Redner gnadenlos nieder. Gegen 16.45 Uhr hatten die
Heß-Verschwörungstheoretiker ausgeredet, darunter je ein Norweger, ein
Brite und ein Franzose. Um 17.17 Uhr verließen auch die letzten Rechten den
Platz. Eine Wasserflasche flog ihnen hinterher, kurz darauf auch eine
Bierflasche. Es war wirklich kein guter Nazi-Tag, dafür haben die Spandauer
mit viel Eifer gesorgt.
20 Aug 2017
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## AUTOREN
David Joram
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