# taz.de -- Pakistanische Dschihad-Zeitschrift: „Lernt, zu Hause Granaten zu … | |
> Die pakistanischen Taliban bringen ein Magazin heraus, um Frauen zu | |
> mobilisieren. Kann da mehr drin stehen als patriarchale | |
> Terror-Propaganda? | |
Bild: Läuft da eine potenzielle Leserin? | |
Das Cover ist sepiafarben, darauf zu sehen ist eine Frau mit Burka, die nur | |
von hinten sichtbar ist. Die Frauenzeitschrift der pakistanischen Taliban | |
heißt Sunnat E Khola, auf Deutsch „Kholas Weg“. Khola ist der Name einer | |
muslimisch-arabischen Kämpferin, die zur Zeit des Propheten Mohammed gelebt | |
hat und mit ihm zusammen gekämpft haben soll. Ihre Familie sei eine der | |
ersten, die den Islam annahm, so die Überlieferung. | |
Der Titel der Zeitschrift ist Programm: Mithilfe der Texte sollen Frauen | |
dazu gebracht werden, eine aktive Rolle bei der Verbreitung des Islam zu | |
spielen. | |
Die erste Ausgabe der Frauenzeitschrift erschien Anfang August, und sie ist | |
ausschließlich im Netz als PDF-Datei zu finden. Die sechs Beiträge in | |
englischer Sprache auf 43 Seiten richten sich an Frauen, Mädchen und | |
Kinder: „Wir möchten Frauen dazu bringen, eine historische Rolle zu | |
übernehmen und die Fahne von Allah zu schwenken“, bestätigt Muhammad | |
Khurasani, der sich als Sprecher der pakistanischen Taliban versteht, auf | |
Anfrage per E-Mail. | |
Die Beiträge vermitteln einen Eindruck von den Taktiken islamistischer | |
Terrororganisationen, mit deren Hilfe KämpferInnen überzeugt und | |
mobilisiert werden sollen. Das kapitalistische System sei von den | |
MitläuferInnen Satans erfunden, heißt es beispielsweise. Es gehe darum, die | |
Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer zu machen. Die Demokratie | |
werde instrumentalisiert, um bösartige Menschen an der Macht zu halten, und | |
Gesetze würden dafür verwendet, bösen Diktatoren Sicherheit zu gewähren. | |
Kämpferinnen indes, die sich für den Dschihad opfern, werden überhöht und | |
mit bekannten Persönlichkeiten aus heiligen Schriften gleichgestellt: „Der | |
erste Märtyrer des Islam war eine Frau. Der erste Mensch, der den Islam | |
annahm, war eine Frau. Der erste Mensch, der Mohammed in seinem Kampf | |
unterstützt hat, war eine Frau. Also lernt, zu Hause Granaten zu basteln.“ | |
## Nichts Neues | |
Sunnat E Khola sei weder das erste Frauenmagazin der IslamistInnen noch ein | |
besonders glanzvolles Beispiel, sagt der Islamwissenschaftler und | |
Journalist Marc Röhlig: „Al-Qaida hatte bereits 2004 Al-Khansa, ein in Pink | |
gehaltenes Frauenmagazin.“ Außerdem gebe es viele PDF-Magazine, mit denen | |
Islamisten im Netz Propaganda betreiben. „Sunnat E Khola wirkt so, als ob | |
es von einem Teenager mit Photoshop-Kenntnissen an zwei Nachmittagen | |
zusammengebastelt wurde. Die Medienabteilung des IS lacht sich über das | |
Produkt sicher kaputt“, so Röhlig. | |
Auch die Heldenrhetorik sei keine neue Strategie der IslamistInnen, sagt | |
Röhlig, sondern eine gängige Vorgehensweise: „Manche zielen direkt auf | |
Dschihadisten und kommen martialisch daher, andere sind eher liebevoll nach | |
westlichem Vorbild gestaltet und verbergen ihren Hass zwischen den Zeilen. | |
Allen gemein ist, dass der Islamismus gerechtfertigt wird und viele Kämpfer | |
in heroischen Fotos präsentiert werden.“ | |
Um die Pressefreiheit ist es in Pakistan nicht gut bestellt. Auf der | |
Rangliste von Reporter ohne Grenzen liegt Pakistan auf Platz 139 von 180 | |
Ländern. Berichte über Blasphemiegesetze, Menschenrechtsverletzungen durch | |
den Geheimdienst und andere kritische Themen werden geahndet. | |
Kritische ReporterInnen müssen mit Drohungen, Misshandlungen und gezielten | |
Anschlägen des Militärs, von GeheimdienstmitarbeiterInnen und militanten | |
Gruppen rechnen. Allein Anfang 2017 verschwanden vier pakistanische | |
BloggerInnen, die die Regierung für das Erstarken des Islamismus im Land | |
kritisierten. | |
## Ziel ist die Verbreitung der Scharia | |
Die Bewegung der pakistanischen Taliban, die das Magazin herausgibt, hat | |
ihre Basis in den Stammesgebieten im Norden Pakistans an der Grenze zu | |
Afghanistan. Sie gilt jedoch als unabhängig von den afghanischen Taliban, | |
agiert unter eigener Führung und ist für Terroranschläge gegen | |
Einrichtungen des pakistanischen Staates, sowie auf Schiiten und Sufis in | |
ganz Pakistan verantwortlich. Ihr Ziel ist es, in Pakistan die Scharia zu | |
implementieren. | |
Das prominenteste Anschlagsopfer war 2012 die Kinderrechtsaktivistin und | |
seit 2014 [1][Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai]. Sie wurde durch | |
mehrere Schüsse in den Kopf und in den Hals schwer verletzt. Seit Januar | |
2009 hatte Yousafzai auf einer Webseite der BBC in einem Blog-Tagebuch | |
unter dem Pseudonym Gul Makai über Gewalttaten der pakistanischen Taliban | |
im Swat-Tal berichtet und sich darin für die Rechte von Frauen und Mädchen | |
eingesetzt. | |
Bina Shah, eine feministische Schriftstellerin aus Karatschi, glaubt, dass | |
die Taliban mithilfe der Zeitschrift über die Frauen in pakistanische | |
Familien einzudringen versuchen: „Die Kinder sollen so mit der Ideologie | |
der Taliban sympathisieren“, vermutet Shah. | |
Die feministische Bewegung in Pakistan sei nicht besonders stark, so Shah, | |
weil der Feminismus als westliches Konstrukt betrachtet werde. In einem | |
Bericht über die Geschlechtergleichheit des Weltwirtschaftsforums von 2016 | |
belegt Pakistan den vorletzten Platz von 144 Ländern. Allerdings gebe es | |
auch islamische Feministinnen, die darauf hinweisen, dass der Islam den | |
Frauen denselben Status zugestehe wie Männern und dass die Gewalt gegen | |
Frauen im Islam keinen Platz habe, erklärt sie. | |
## Lesestoff für die Kleinsten | |
Auch Kinder will Sunnat E Khola ansprechen. Einer der Beiträge ist deshalb | |
aus der Perspektive eines 6-jährigen Jungen geschrieben. In dem Artikel | |
geht es um die Bewunderung des Jungen für einen Taliban-Kämpfer, dem die | |
Familie des Jungen Zuflucht gewährt: „Ich habe Bruder Osama gesagt, dass | |
Dschihad etwas ganz Gutes sei, und, dass auch ich inshallah (wenn Allah | |
will) mit ihm Dschihad treiben werde. Er lachte mich aus, und sagte mir, | |
ich soll seine Pistole heben. Sie war mir zu schwer.“ | |
Als Osama bei einem von der pakistanischen Armee verübten Angriff stirbt, | |
wird das weinende Kind von seinem Vater getröstet: „Weißt du warum Osama | |
starb? Er gab sein Leben für Allah, und wurde zum Märtyrer. Er ist jetzt | |
glücklich im Paradies.“ | |
Auch ein angebliches Interview mit einer der drei Ehefrauen des | |
Taliban-Anführers Mulla Fazlullah Kurasani findet sich in der Zeitschrift. | |
Ihr Name wird in dem Beitrag nicht genannt, und in dem Gespräch geht es | |
kaum um sie. Die Einstiegsfrage lautet „Würden Sie uns etwas über Ihre | |
Familie erzählen, insbesondere über Ihren Vater?“ Danach geht es um ihre | |
Erziehung, das Verhältnis zu ihrem Mann und seiner Familie. | |
Bina Shah glaubt, dass die Terrormiliz so ihr Weltbild zu vermitteln | |
versucht: „Um ihre Ideologie in eine religiöse Hülle zu packen, nutzen sie | |
den Islam und dessen Terminologie aus, um auch konservative pakistanische | |
Frauen anzusprechen.“ Eine prominente Frau nicht bei ihren Namen zu nennen | |
gehöre aber nicht zur islamischen Kultur, kritisiert Shah, weil der Islam | |
großen Wert auf die persönliche Identität lege. Den Namen zu verschweigen | |
sei eher Teil der afghanischen Stammeskultur. | |
Der ersten Ausgabe sollen nun weitere folgen. „Wenn Allah will, geben wir | |
Sunnat E Khola monatlich auf Englisch und Urdu heraus“, schreibt der | |
Sprecher der Tehrik-i-Taliban Pakistan per Mail. | |
Der Text ist eine aktualisierte Version des Artikels vom 13. August 2017 | |
13 Aug 2017 | |
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## AUTOREN | |
Sibel Schick | |
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