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# taz.de -- Folgen der Entführung Trinh Xuan Thanhs: Höchst ungewöhnlich
> Ein vietnamesischer Exilant wird entführt – mitten in Berlin. Wie
> reagiert die Bundesregierung? Hier die wichtigsten Antworten.
Bild: Immun gegen Strafverfolgung: Das Wappen von Vietnam an der Fassade der Bo…
Berlin taz | Es begann wie ein Agententhriller und entwickelt sich jetzt zu
einer schweren diplomatischen Krise: Die Bundesregierung hat am Mittwoch
bestätigt, dass der vietnamesische Geheimdienst ihren Informationen zufolge
den ehemaligen Spitzenfunktionär Trinh Xuan Thanh verschleppt hat – mitten
am Tag, mitten im Berliner Tiergarten. Selbst für Ermittler und Diplomaten
ist dieser Fall ungewöhnlich, [1][und auch die Reaktion des
Außenministeriums ist nicht alltäglich]. Hier Antworten auf die wichtigsten
Fragen.
## 1. Wie reagierte das Außenministerium auf die Entführung?
Für Verhältnisse des Auswärtigen Amtes: ziemlich deutlich. Zunächst hatte
es die Bundesregierung zwar noch diplomatisch versucht. Auf Anfrage der taz
gab das Amt am Dienstag keinen Kommentar ab. Da lief noch ein Ultimatum,
dass das Ministerium der vietnamesischen Regierung gestellt hatte: Bis
Mittwochmittag sollte der Entführte zurück nach Deutschland gebracht
werden. Als das nicht geschah, sprach der Sprecher des Außenministeriums
das Thema am frühen Nachmittag von sich aus in der
Regierungspressekonferenz an. Weder verschwurbelt noch vorsichtig, sondern,
wie er selbst sagte, „wirklich in aller Deutlichkeit“. Das macht er sonst
eher selten.
## 2. Verbannt das Auswärtige Amt öfter Diplomaten?
Nein. Bei Fehlverhalten ausländischer Diplomaten hat die Bundesregierung
verschiedene Möglichkeit: Sie kann den entsprechenden Botschafter zu einem
Gespräch einberufen, sie kann über diplomatische Kanäle auf die Abberufung
des betreffenden Diplomaten drängen oder sie kann der entsprechenden
Botschaft die Akkreditierung von weiterem diplomatischen Personal
verweigern. Dass das Auswärtige Amt wie in diesem Fall einen Diplomaten
öffentlichen zur Persona non grata erklärt und ihn zur Ausreise binnen 48
Stunden auffordert, ist zwar zulässig, aber höchst ungewöhnlich.
## 3. Wie wird die Bundesregierung weiter vorgehen?
Der Sprecher des Außenministeriums hat am Mittwoch angekündigt,
„gegebenenfalls weitere Konsequenzen auf politischer, wirtschaftlicher
sowie entwicklungspolitischer“ zu ziehen. Seit 2011 besteht eine offizielle
strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und Vietnam, in diesem
Rahmen unterstützt die Bundesrepublik zum Beispiel Maßnahmen im
vietnamesischen Justizsystem. Das Land erhält hunderte Millionen Euro aus
dem Budget der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, zudem ist Deutschland
innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner. Kein Zweifel: Konsequenzen
in diesen Bereichen würden den Vietnam viel stärker treffen als die
Bundesrepublik.
## 4. Kommen die mutmaßlichen Täter vor Gericht?
Falls alle Verantwortlichen als Diplomaten in Deutschland akkreditiert
waren, wird das schwierig. Die diplomatische Immunität würde sie
normalerweise vor einer Strafverfolgung schützen, die Ausweisung ist dann
schon die schwerste Strafmaßnahme. Ganz abgesehen davon: Sind die
Verantwortlichen zurück im Vietnam, haben deutsche Behörden ohnehin keinen
Zugriff auf sie. Es sei denn, der BND würde ein Entführungskommando … nein,
eigentlich nicht.
## 5. Gab es ähnliche Vorfälle schon früher?
Von einem „präzedenzlosen und eklatanten Verstoß gegen deutsches Recht und
gegen das Völkerrecht“ spricht das Auswärtige Amt. Ganz richtig ist das
nicht: Schon früher begingen ausländische Geheimdienste in Deutschland
Verbrechen. Der ukrainische Nationalistenführer Stepan Bandera wurde 1959
im Auftrag des KGB bei einem Blausäureattentat in München getötet. Der
jugoslawische Geheimdienst ließ bis 1989 dutzende Dissidenten in der
Bundesrepublik ermorden. Und Sicherheitsbehörden aus der DDR und der
Sowjetunion [2][verschleppten hunderte Menschen] aus West-Berlin in den
Osten. Dann gibt es da natürlich auch noch Entführungsfälle in anderen
Ländern – zum Beispiel durch die CIA, die nach den Anschlägen des 11.
Septembers 2001 mutmaßliche Dschihadisten aus zahlreichen Staaten
verschleppte.
## 6. Wie hat die Bundesregierung damals reagiert?
Naja. Von den jugoslawischen Geheimdienstmorden zum Beispiel [3][wussten
deutsche Regierungsvertreter seit den 1970er Jahren]. Sie hielten aber
still, um die Beziehungen zur Regierung in Belgrad nicht zu gefährden. Im
Fall der CIA-Entführungen bemühten sich zumindest weder Rot-Grün noch
Schwarz-Gelb [4][um eine Strafverfolgung].
2 Aug 2017
## LINKS
[1] /Vietnamesischer-Geheimdienst-in-Berlin/!5438206
[2] http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/stasi/223062/entfuehrungen
[3] http://www.br.de/nachrichten/perkovic-mustac-auslieferung-100.html
[4] /Deutsches-Geheimdienstopfer/!5127792/
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
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