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# taz.de -- Vietnamesischer Geheimdienst in Berlin: Berlin weist Botschaftsmita…
> Nach Berichten über eine Entführung in Berlin hat die Bundesregierung
> gehandelt. Sie weist einen vietnamesischen Diplomaten aus.
Bild: Im Tiergarten sollen Bewaffnete einen vietnamesischen Exfunktionär entf�…
BERLIN taz | Wegen der Entführung des ehemaligen vietnamesischen
Funktionärs Trinh Xuan Thanh ([1][die taz berichtete]) hat die
Bundesregierung am Mittwoch den Vertreter des vietnamesischen
Nachrichtendienstes an der Botschaft in Berlin ausgewiesen. Er wurde
aufgefordert, Deutschland innerhalb von 48 Stunden zu verlassen.
Die Verschleppung von Trinh Xuan Thanh sei ein „präzedenzloser und
eklatanter Verstoß gegen deutsches Recht und gegen das Völkerrecht“, sagte
der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer. „Ein derartiger Vorgang
hat das Potenzial, die Beziehungen zwischen Deutschland und der
Volksrepublik Vietnam massiv negativ zu beeinflussen.“
Der vietnamesische Geheimdienst Tong Cuc An Ninh ist in Deutschland einer
der aktivsten ausländischen Nachrichtendienste und nicht nur auf diesen
einzelnen Diplomaten beschränkt. Vietnamesische Migranten berichten immer
wieder, dass Tong Cuc An Ninh sie abschöpfen wolle und dazu Druck aufbaue.
Sie sollten vor allem ihr Wissen über exilpolitische Aktivitäten von
Landsleuten preisgeben. Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen
Geheimdienstler auch als Inkassounternehmer auftreten, wenn vietnamesische
Geschäftsleute in Deutschland Schulden bei Lieferanten in Vietnam haben.
Eine Entführung nach Vietnam durch den Nachrichtendienst wurde in der
Vergangenheit allerdings nicht bekannt.
Petra Schlagenhauf, die Anwältin des 51jährigen Trinh Xuan Thanh, äußerte
gegenüber der taz: „Mein Mandant wurde am 23.7. um 10.40 Uhr in
Berlin-Tiergarten zusammen mit einer weiteren Person vietnamesischer
Staatsangehörigkeit auf offener Straße gewaltsam verschleppt.“ Dies sei von
Zeugen beobachtet worden, die daraufhin die Polizei verständigt hätten.
Laut eigenen Angaben hat Schlagenhauf Kenntnis der entsprechenden
Polizeiakte.
Nach der Entführung sei ihr Mandant gut eine Woche lang weder von seiner
Familie noch von der Polizei auffindbar gewesen. Am Montag berichteten dann
offizielle Medien in Vietnam, er habe sich in Hanoi den Behörden gestellt.
Schlagenhauf jedoch ist sich sicher: „Mein Mandant hätte sich unter keinen
Umständen freiwillig in die Hände vietnamesischer Behörden begeben. Ihm war
bewusst, dass er in Vietnam aus politischen Gründen keinerlei
rechtsstaatliches Verfahren zu erwarten hatte.“ Beabsichtigt sei
offensichtlich, meint Schlagenhauf, das völkerrechtswidrige Verhalten der
vietnamesischen Regierung durch diese Falschmeldung zu vertuschen. „Alle
bisherigen Erkenntnisse lassen nur den Schluss zu, dass Herr Trinh Xuan
Thanh auf Veranlassung der vietnamesischen Regierung hier in Berlin
verschleppt und gewaltsam und illegal nach Vietnam verbracht worden ist.“
Am Dienstag hatte das Auswärtige Amt als Reaktion auf den Vorfall den
vietnamesischen Botschafter zu einem Krisengespräch einbestellt. Dem
Botschafter sei „unmissverständlich“ zu verstehen gegeben worden, dass die
Bundesregierung verlange, dass der Mann „unverzüglich“ nach Deutschland
zurückreisen könne, sagte Schäfer.
## Womöglich über Osteuropa nach Vietnam
Ihr Mandant hatte in Deutschland Asyl beantragt. Über den Asylantrag sei
noch nicht entschieden worden, so Schlagenhauf. Eine Auslieferung nach
Vietnam aufgrund des dortigen Haftbefehls habe ihm zu keinem Zeitpunkt
gedroht. Der Anwältin zufolge gab es nicht einmal ein
Auslieferungshaftbefehl der vietnamesischen Seite.
Der genaue Verlauf der Verschleppung des Mannes, sagt Schlagenhauf, sei
noch nicht bekannt. Sie vermutet, dass er „über ein osteuropäisches Ausland
und unter dem Deckmantel der diplomatischen Immunität gegen seinen Willen
nach Vietnam verbracht wurde.“ Als ehemaliger Parlamentsabgeordneter hatte
Thanh noch einen gültigen Diplomatenpass. Damit konnte er in jedes Land der
Welt legal ein- und ausreisen. Wenn es sich bei den Kidnappern um
Angehörige des vietnamesischen Geheimdienstes Tong Cuc An Ninh handeln
sollte, was naheliegt, so haben auch sie Zugriff auf Diplomatenpässe.
Über die Frau, die mit Thanh gemeinsam verschleppt wurde, hatten auch
vietnamesischsprachige Onlinemedien in Berlin und London berichtet. Demnach
sei sie eine Mitarbeiterin des Außenhandelsministeriums in Vietnam und
Tochter eines vietnamesischen Ex-Premierministers, dem Thanh politisch
nahestand.
Es wird darüber spekuliert, ob sie dem Geheimdienst als Lockvogel diente.
Petra Schlagenhauf hat dazu keine Erkenntnisse. „Ich weiß aber, dass die
Frau gegenwärtig mit einem gebrochenen Arm unter polizeilicher Überwachung
im Hanoier Viet-Duc-Krankenhaus liegt.“ Auch ihr Mandant sei mit absoluter
Sicherheit in Hanoi, fügte sie hinzu. Am Mittwoch gab es noch Zweifel
daran, weil vietnamesische Medien zwar seine Festnahme in epischer Breite
berichteten, aber kein aktuelles Foto von ihm zeigten. Das gibt es auch
jetzt noch nicht.
Während die Berliner Polizei am Mittwoch von einer Entführung sprach,
wollte sich die Staatsanwaltschaft nicht zum Thema äußern. „Auch heute
geben wir mit Rücksicht auf die Belange des Ermittlungsverfahrens keinerlei
Auskunft“, sagt Sprecher Martin Steltner. Unter Insidern wird spekuliert,
dass es Überlegungen der Generalbundesanwaltschaft gibt, den Fall zu
übernehmen. Rechtlich wäre das möglich. Steltner dazu: „Wir sind
zuständig.“
## Machtkampf zwischen „Kapitalisten“ und „Fundis“
In Vietnam wird Trinh Xuan Thanh Veruntreuung in Millionenhöhe zur Last
gelegt. Darauf kann nach vietnamesischem Strafrecht sogar die Todesstrafe
stehen, was eine Provinzzeitung am Dienstag schon einmal ins Spiel brachte.
Petra Schlagenhauf sieht die Verfolgung ihres Mandanten allerdings als
politisch konstruiert. Die Vorwürfe betreffen seine Tätigkeit als
Vorstandsvorsitzender eines staatseigenen Unternehmens für
Erdölfördertechnik von 2007 bis 2012. Sie wären Schlagenhauf zufolge schon
einmal relevant gewesen, wurden dann fallengelassen und erst 2016 „im Zuge
eines Machtkampfs innerhalb der Kommunistischen Partei Vietnams wieder
aufgegriffen.“
Antipoden des Machtkampfes sind Parteichef Nguyen Phu Trong, ein Mann aus
dem Sicherheitsapparat, und Premierminister Nguyen Tan Dung, ein Mann der
Wirtschaft. Es geht um die Frage, ob die Kapitalisierung der Wirtschaft
weiter vorangetrieben werden soll oder ob die Gefahr besteht, dass das zum
Ende des Sozialismus und damit zum Machtverlust der Kommunistischen Partei
führen könnte. Der in Berlin verschleppte Thanh war maßgeblicher Wortführer
der Gruppe der Wirtschaftsreformer um den Premier.
Einige prominente Vertreter dieses Flügels wie der langjährige Minister für
Industrie und Handel, der in der DDR studierte, und der langjährige
Verkehrsminister, wurden in den letzten Monaten politisch kaltgestellt.
Petra Schlagenhauf: „Politische Beobachter schätzen ein, dass die
strafrechtliche Verfolgung gegen Herrn Trinh Xuan Thanh politisch gegen die
Fraktion der „Kapitalisten“ zielt, um sie zu zerschlagen und die Rolle der
Partei auf Basis der kommunistischen Ideologie wieder herzustellen und zu
stärken.“
2 Aug 2017
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[1] /Moegliche-Entfuehrung-in-Berlin/!5431944
## AUTOREN
Marina Mai
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