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# taz.de -- Mögliche Entführung in Berlin: Aus dem Tiergarten nach Vietnam
> Mitten in Berlin soll Vietnams Geheimdienst einen in Ungnade gefallenen
> Exfunktionär entführt haben. Nun ist er wieder aufgetaucht – in Hanoi.
Bild: Vom Tiergarten aus soll der Vietnamese in ein Auto und anschließend ins …
BERLIN taz | Bewaffnete Männer, die dem vietnamesischen Geheimdienst
angehören sollen, sollen am 23. Juli im Berliner Tiergarten einen
Vietnamesen entführt haben. Der Berliner Polizeisprecher Winfrid Wenzel
sagte dazu der taz: „Wir ermitteln wegen des Verdachtes einer Entführung
und erpresserischen Menschenraubs.“ Details seien über die Pressestelle der
Berliner Staatsanwaltschaft zu erfahren.
Doch deren Sprecher, Martin Steltner, möchte sich nicht äußern. Die
britische BBC und vietnamesischsprachige Onlinemedien aus Berlin berichten
aber bereits, unabhängige deutsche Zeugen hätten die Entführung gesehen und
gegenüber der Polizei bestätigt. Das 51 Jahre alte Opfer soll den Berichten
zufolge in ein Auto verschleppt und anschließend in ein europäisches
Nachbarland gebracht worden sein.
An diesem Montag ist das Entführungsopfer, Trinh Xuan Thanh, in Hanoi
wieder aufgetaucht. Dort soll sich der Mann, der in Vietnam per Haftbefehl
gesucht wird, staatlichen Zeitungen zufolge freiwillig den Ermittlern
gestellt haben.
Berlins Polizeisprecher Wenzel sagte dazu: „Auch wir gehen davon aus, dass
der Mann in Hanoi ist. Auf welchem Weg er dorthin kam, ist für die
Ermittler unklar. Der endgültige Beweis dafür steht aber noch aus.“ Die
Staatsmedien in Hanoi hätten kein aktuelles Foto des Mannes präsentiert.
Von einer Entführung sprechen Hanoier Quellen nicht. Seit April berichten
Staatsmedien aber, dass der Geheimdienst den Mann international suche.
Gegen Thanh liegt seit September ein Haftbefehl vor. Der wurde zwar auch an
Europol weitergeleitet, doch Ermittler in Deutschland haben ihn nach
Informationen der taz nicht verfolgt. Der Tatvorwurf „Verletzung der
Rechtsvorschriften von Vietnam“ sei zu unkonkret gewesen.
## Asylantrag in Deutschland
Trinh Xuan Thanh war in Vietnam politischer Funktionär. Er war
Vorstandsvorsitzender der staatlichen Petro Vietnam Construction
Corporation, eines Unternehmens für Erdölfördertechnik, Vizechef einer
Provinz im Mekongdelta im Süden des Landes. Außerdem gehörte er dem
Parlament an. Anfang der 1990er Jahre, zwischen seinem Studienabschluss und
der Karriere in Vietnam, lebte er kurzzeitig in Deutschland, beantragte
hier Asyl, kehrte dann aber freiwillig nach Vietnam zurück.
Im September 2016 fiel Trinh Xuan Thanh in Hanoi in Ungnade. Er verlor
sämtliche Funktionen, ihm wurden alle Ehrungen aberkannt. Sofern es sich
dabei um Geldprämien oder andere materielle Zuwendungen handelte, wurde er
zur Rückgabe verpflichtet. Das engste Führungsgremium der Kommunistischen
Partei schloss ihn in Abwesenheit aus der Partei aus – ohne Gegenstimmen.
Festgenommen werden konnte er nicht, weil er im Ausland war – an einem
unbekannten Ort, wie vietnamesische Medien schrieben.
Die Ermittlungen gegen den Funktionär kamen ins Laufen, nachdem Thanh im
September bei einem privaten Ausflug in einem Luxusauto mit
Regierungskennzeichen fotografiert worden war. In Vietnam, wo Korruption
und Amtsmissbrauch weit verbreitet sind, ist das nicht weiter schlimm.
Doch offensichtlich hatte sich Thanh einen mächtigen Mann zum Feind
gemacht: KP-Chef Nguyen Phu Trong. Der ordnete eine Untersuchung des
Erdölunternehmens an, dabei kam vietnamesischen Medienberichten zufolge
Unterschlagung in Millionenhöhe zutage. Das ist in Vietnam nicht
ungewöhnlich. Im weltweiten Korruptionsindex von Transparency International
rangiert der Staat auf Platz 112 von 168 Ländern. Während Thanh im Ausland
untertauchen konnte, wurden drei Mitbeschuldigte vor ein vietnamesisches
Gericht gestellt.
## Den Parteichef zum Feind
Das ist die eine Geschichte. Die andere, die Thanh selbst einem
vietnamesischen Blogger in Berlin erzählt hatte, handelt davon, dass er
innerhalb der KP Wortführer einer Gruppierung gewesen sei, die dem
Parteichef gefährlich geworden sei. Der war es auch, der zwischen dem
Verschwinden Thanhs vor elf Monaten und seinem Wiederauftauchen immer
wieder gefordert hatte, ihn mit Hochdruck zu suchen.
Wie Thanh auf einem Blog schrieb, wollte er im Ausland auspacken und
Machtstrukturen in höchsten Partei- und Regierungskreisen aufdecken. Der
Ort, von dem aus er das tun wollte und wo er politisches Asyl beantragt
hatte, blieb geheim.
Doch Thanh war nicht vorsichtig genug. Im letzten Herbst wurde er in einem
Park fotografiert. Auf einem der Fotos waren auch Teile einer Skulptur und
eines Pavillons zu erkennen. Vietnamesische Leser wollen Skulptur und
Pavillon im Treptower Park in Berlin gefunden haben. Der Geheimdienst
musste ihn also in Berlin suchen.
Eine Entführung durch einen ausländischen Geheimdienst auf deutschem Boden
sollte eigentlich das Auswärtige Amt auf den Plan rufen. Doch das sagte der
taz: „Uns liegen keine eigenen Erkenntnisse vor.“
1 Aug 2017
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Vietnam
Geheimdienst
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