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# taz.de -- Kommentar Trumps Afghanistan-Kurs: Fatal für die Zukunft
> Der US-Präsident hat die Verlängerung des Einsatzes in Afghanistan
> angekündigt. In seiner Strategie fehlt der institutionelle Weiteraufbau
> des Landes.
Bild: US-Soldaten stellen in der Provinz Helmand eine Haubitze auf
In seiner [1][Afghanistanrede am Montag] hat sich US-Präsident Donald Trump
äußerst widersprüchlich zum Thema Staatsaufbau geäußert. Einerseits
erteilte er dem dringend notwendigen Aufbau funktionierender Institutionen
eine Absage. Andererseits kündigte er an, er wolle in Afghanistan alle
„diplomatischen, ökonomischen und militärischen“ Mittel einsetzen – das…
nichts anderes als der Werkzeugkasten genau dafür. Ohne diese Schwäche zu
beheben, kann man den Zauberwürfel von Konflikten, mit dem das Land zu
kämpfen hat, nicht sortieren.
Demokratisch aussehende Institutionen bestehen, sind aber überwiegend nur
Fassade für ein vordemokratisches System. Die wichtigen politischen
Entscheidungen werden im Küchenkabinett des Präsidenten und mithilfe von
Deals zwischen ethnopolitischen Fraktionen getroffen. Das hebelt in der
Praxis die leistungsorientierten Prinzipien aus, von denen der Präsident so
gern spricht. Fortschritte sind meist nur gegen dieses System möglich und
erfordern viel Mut sowie Widerstandskraft gegen die Verlockungen der
endemischen Korruption.
Im afghanischen politischen System klaffen riesige Löcher, und es ist
dadurch aus der Balance. Der Präsident umgeht häufig Kabinett und
Parlament. Das Parlament hat seine Legitimität verloren, denn es hätte im
Juni 2015 neu gewählt werden müssen. Dazu ist es bis heute nicht gekommen.
Das Justizsystem ist alles andere als unabhängig. Die Kommission, die die
Einhaltung der Verfassung überwachen soll, ist durch internen Konflikt
lahmgelegt. In diesem Klima gedeihen ethnische Polarisierung und politische
Gewalt.
Die Nationale Einheitsregierung ist selbst Produkt dieser institutionellen
Schwäche. Sie kam nur zustande, nachdem sich die afghanische Führung nach
der Präsidentschaftswahl 2014 als unfähig, aber teils auch unwillig erwies,
Manipulationen aufzudecken und für ein anerkanntes Ergebnis zu sorgen. Die
beiden Spitzenkandidaten bildeten eine Koalition.
Seit fast drei Jahren sind sie aber vorwiegend damit beschäftigt, sich ein
endloses Tauziehen um lukrative Staatsämter zu liefern, anstatt sich um die
Probleme einer Bevölkerung zu kümmern, von der zwei Drittel immer noch
unter oder knapp über der Armutsgrenze leben. Tendenz steigend. Millionen
aus Pakistan und Iran, aber auch aus Europa abgeschobene Flüchtlinge warten
darauf, in ihre Gesellschaft reintegriert zu werden. Währenddessen hausen
die meisten in provisorischen Unterkünften und suchen auf einem völlig
überlasteten Arbeitsmarkt nach Gelegenheitsjobs. Ein westlicher Beobachter
bemerkte dazu: „Die afghanische Regierung erstellt
Weltklasse-Politikpapiere, die aber häufig nicht umgesetzt werden.“
Ohne Zweifel gibt es einige Fortschritte, gerade in den letzten Monaten.
Der neue Generalstaatsanwalt traut sich in Korruptionsfällen auch an
hochrangige Militärs und Politiker heran. In den Streitkräften steigen
endlich fähige Offiziere auf. Die früheren Warlords aber sind weiterhin
sakrosankt. Zudem drohen die bevorstehenden Wahlen diese Fortschritte
zumindest zu stoppen. Denn weil die uneingeschränkte Präsenz der ehemaligen
Warlords die Herausbildung politischer Alternativen verhindert hat,
benötigen Kandidaten ihre Hilfe, um Wähler zu mobilisieren (und Fälschungen
zu organisieren).
Ein Land, ethnisch, religiös, politisch und sozial so divers wie
Afghanistan, braucht dringend verlässliche Institution, um die daraus
entstehenden Konflikte zu regulieren. Ohne äußeren Druck werden die
afghanischen Eliten sich aber nicht bewegen. In diesem Kontext ist Trumps
Flip-Flopping in Sachen Staatsaufbau, aber auch das Versäumnis, den Schutz
von Demokratie und Menschenrechten sowie einer unabhängigen
Zivilgesellschaft zuzusichern, fatal für Afghanistans Zukunft.
27 Aug 2017
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## AUTOREN
Thomas Ruttig
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