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# taz.de -- Zertifizierte Prostitution: Weiße Fahne für Freier
> Das erste Gütesiegel für Bordelle soll SexarbeiterInnen schützen und der
> Branche mehr Anerkennung verschaffen. Das Konzept ist umstritten.
Bild: Gekaufter Sex mit Gütesiegel: mehr Sicherheit, aber für wen?
taz | Eine Plakette aus goldenem Messing hängt ab diesem Wochenende an dem
roten Gebäude in einem Hinterhof im Berliner Bezirk Wedding: „Freudenhaus
Hase, Gütesiegel für Bordelle, Stufe 1“. Es ist eines der ersten Bordelle
mit Gütesiegel in Deutschland.
Dieses „Gütesiegel der Prostitutionsbranche“ stellte der Bundesverband
sexuelle Dienstleistungen (BSD) am Donnerstag vor. Es soll zeigen, welche
Betriebe seriös und sicher sind. BordellbetreiberInnen können das Siegel
erhalten, wenn sie in ihrer Arbeit Mindeststandards einhalten. Diese
Standards orientieren sich teilweise am Prostituiertenschutzgesetz, das im
Juli in Kraft trat.
Der BSD ist gegen das Gesetz: Er betrachtet sein Gütesiegel als bessere
Alternative. „Es erfüllt mehr Standards, als das Schutzgesetz fordert“,
sagt Stephanie Klee, Vorstandsmitglied des BSD. Obwohl es ihre Arbeit
eigentlich sicherer machen sollte, hätten viele SexarbeiterInnen das
Schutzgesetz als Einschränkung ihrer Grundrechte empfunden.
Ein Problem ist unter anderem die Meldepflicht bei offiziellen Ämtern, die
für viele zum Verlust ihrer Anonymität führen könnte. Außerdem lassen sich
die meisten Vorschriften immer noch nicht umsetzen, weil offizielle Anlauf-
und Prüfstellen fehlen.
Für das [1][Gütesiegel] müssen BordellbetreiberInnen eine
Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben, in der sie versichern,
ausreichende Vorkehrungen gegen Gewalt und Kriminalität zu treffen. Dazu
gehören bauliche Anforderungen wie Türspione, abschließbare Schränke und
Notrufsysteme. Außerdem müssen die Bordelle beweisen, dass alle
Prostituierten freiwillig arbeiten und keinen Zwängen ausgesetzt sind. Die
Prostituierten allein sollen entscheiden dürfen, welche Kunden sie bedienen
und welche Sexpraktiken sie anbieten.
Dass der BSD nicht die Prostituierten, sondern vor allem
BordellbesitzerInnen vertritt, sorgt für Kritik. „Das Siegel ist ein Orden,
den sich die Bordelle selber anheften“, sagt Huschke Mau. Sie arbeitete
selbst über zehn Jahre als Prostituierte und gründete danach den Verein
Sisters, der Frauen beim Ausstieg hilft. Momentan prüft Klee die Bordelle
für den BSD. Geplant ist aber, nächstes Jahr ein Institut zu gründen, das
externe Prüfer einsetzt und die Gütesiegel unabhängig vom BSD vergibt. Wer
genau für das Institut arbeiten wird und ob die Prüfer auch aus der Branche
kommen werden, ist noch offen.
Das Gütesiegel habe eine große Strahlkraft, sagt Klee. Es sende sowohl an
SexarbeiterInnen, die nach einem sicheren Arbeitsumfeld suchen, als auch
an die Freier und Behörden ein Signal: „Das ist ein Betrieb, in dem
Prostituierte selbstbestimmt und freiwillig arbeiten. Wir halten uns an die
Regeln.“ Auch für die Öffentlichkeit sei das entscheidend, sagt Klee.
„Bordelle wollen sich von ihrem Schmuddelimage befreien und als ernsthafte
Betriebe wahrgenommen werden.“
Vielleicht orientiert sich das System deshalb auch an Hotelbetrieben.
Nächstes Jahr soll es ein System geben, bei dem eine bis sechs „Kronen“
verliehen werden. Dabei geht es um die Ausstattung. Wer Wellnessanlagen mit
Whirlpools und Edelbordellflair bieten kann, hat die Chance auf sechs
Kronen.
Die Betreiberin des „Freudenhauses Hase“, Elke Winkelmann, will keine
Kronen, sondern nur Anerkennung: „Ich bin es satt, als Ausbeuterin zu
gelten.“ Die Mindeststandards erfülle sie bereits seit Jahren. Sie sieht
sich als ganz normales Unternehmen. Natürlich gebe es in ihrer Branche auch
schwarze Schafe, sagt Winkelmann. Das neue Prostituiertenschutzgesetz habe
sie aber verunsichert, sie habe Angst vor der Schließung gehabt. „Mit dem
Gütesiegel wollen wir zeigen, dass wir nichts falsch machen.“ Eine Art
weiße Fahne.
## Nachfrage für zertifizierte Bordelle?
Auch Freier wären vorsichtiger geworden, sagt Winkelmann. „Wir wurden viel
danach gefragt, ob unsere Frauen freiwillig hier sind. Die Kunden wissen
nicht mehr, was sie dürfen und was nicht“.
Das Gütesiegel soll die Gemüter beruhigen. „Völlig sinnfrei“ nennt das
Huschke Mau. Das Gütesiegel sei ausschließlich für das gute Gewissen der
Freier, es nehme ihnen die Verantwortung. Keiner Prostituierten werde damit
geholfen. Das größte Problem sieht Mau in der Überprüfung: „Wie will der
BSD herausfinden, ob eine Frau freiwillig im Bordell arbeitet?“ Viele
trauen sich nicht, über ihre Zwangsprostitution zu sprechen, weil sie zum
Beispiel Angst haben, ihre einzige Einnahmequelle zu verlieren, oder weil
sie bedroht werden.
Auch muss sich zeigen, ob es überhaupt eine Nachfrage für zertifizierte
Bordelle gibt. Ist den Freiern die Lage der Prostituierten egal, werden sie
nicht nach einer goldenen Plakette suchen.
25 Aug 2017
## LINKS
[1] /Kommentar-Guetesiegel-fuer-Bordelle/!5436207
## AUTOREN
Tanya Falenczyk
## TAGS
Prostitution
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