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# taz.de -- Themenabend über Zuhälter im Ersten: Prinzessinnen und andere Vor…
> Der ARD-Themenabend „Skrupellose Loverboys“ handelt von Männern, die
> Frauen zur Prostitution verführen. Leider nervt er mit Ressentiments.
Bild: Cem (Samy Abdel Fattah) verführt Caro (Anna Bachmann), aber mit Hinterge…
Ein einziges Wort macht diesen Film zur Belastungsprobe für die Nerven:
„Prinzessin“. In dem Drama „Ich gehöre ihm“ sagt es die männliche
Hauptfigur immer wieder zu der weiblichen Hauptfigur. Bei jedem
Aufeinandertreffen der beiden hofft man, er möge sie bitte nur dieses eine
Mal nicht so nennen – meist vergeblich. Eingebettet wird das Wort in
Dialoge, die an Daily Soaps erinnern. Das ist erstaunlich, denn immerhin
handelt es sich bei dieser Produktion um den Auftakt zu einem
ARD-Themenabend (also: Spielfilm plus anschließender Doku), sie sollte also
idealerweise auf allen Ebenen einen gewissen Anspruch erfüllen.
Der Abend steht unter dem Titel „Skrupellose Loverboys“. Damit sind junge
Männer gemeint, die noch jüngeren Mädchen die große Liebe vorspielen, sie
von sich abhängig machen und zur Prostitution zwingen. Erstmals tauchte der
Begriff um das Jahr 2000 in den Niederlanden auf, seit einigen Jahren wird
er auch in Deutschland verwendet.
Der Film schildert den idealtypischen Verlauf einer Loverboy-Tat: Die
unscheinbare 15-jährige Schülerin Caro (Anna Bachmann) trifft den
Dicke-Hose-Typen Cem (Samy Abdel Fattah). Er ist attraktiv, charmant, fährt
ein dickes Auto. Das Mädchen kann kaum fassen, dass er sich ausgerechnet in
sie verliebt hat und ihr ständig Liebesschwüre macht. Cem ist allerdings
ein Zuhälter und auf Mädchen wie sie spezialisiert. Mit Psycho-Tricks
entfremdet er sie von ihrem Umfeld und schickt sie auf den Strich.
Die psychologischen Betrachtungen der Figuren bleiben an der Oberfläche.
Warum genau das Mädchen diesem Süßholzraspler verfällt, wird nicht
gründlich genug erkundet. Auffällig ist dagegen, dass sich die Kreativen
(Buch: Angela Gilges und Ruth Olshan, Regie: Thomas Durchschlag) dafür
entschieden haben, in ihrer Geschichte einen Mann mit türkischem
Migrationshintergrund zum Täter zu machen.
Belastbare Belege dafür, dass Loverboys in der Realität meist Ausländer
sind oder einen Migrationshintergrund haben, gibt es nicht:
„Loverboy-Methode“ ist kein Rechtsbegriff, das Vorgehen zählt zur Kategorie
Menschenhandel und wird nicht extra erfasst. Trotzdem heißt es auch in der
anschließenden Doku „Verliebt, Verführt, Verkauft“ von der Autorin Diana
Ahrabian: „Polizei und Beratungsstellen sagen, die Täter haben in den
meisten Fällen ausländische Wurzeln.“
## Falsche Fixierung auf Ausländer
Das stimmt nicht ganz. So weist zum Beispiel das Projekt „Liebe ohne Zwang“
auf seiner Website darauf hin, dass es für so eine Behauptung keine
statistischen Belege gibt und beispielsweise auch Verbindungen zu Rockern
sowie rechtsextremen Gruppen bekannt sind. In der Doku aber wird sogar ein
nachgesprochener Mitschnitt eines abgehörten Telefonats eines Loverboys mit
ausländischem Akzent vorgetragen.
In dieser Häufung ist das mindestens fahrlässig. Es gibt außerdem Probleme
mit dem schwammigen Begriff „Loverboy“. So stellt sich die Frage, ob das
Vorgehen überhaupt neu oder nicht doch eine uralte Zuhälter-Methode ist. In
der Doku wird auf solche Fragen gar nicht und auf das Fehlen von
Statistiken nur in Nebensätzen hingewiesen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es ist angemessen, sich mit diesem
abscheulichen Phänomen ausführlich zu beschäftigen. Die Opfer erleiden
höllische Qualen, Aufklärung kann Unheil verhindern. Auch ist es kein
grundsätzliches Problem, wenn in Filmen Kriminelle mit
Migrationshintergrund auftauchen und Dokus darauf hinweisen, wenn Taten vor
allem von Ausländern oder Menschen mit Migrationshintergrund begangen
werden.
Es ist aber nicht in Ordnung, Ressentiments zu bedienen. An diesem
Themenabend werden zwei Stunden lang Täter mit ausländischen Wurzeln
präsentiert. Ohne Belege dafür, dass dies auch die Wirklichkeit abbildet.
Es wäre besser gewesen, sich dem Thema mit kühlem Kopf zu nähern, auf
Widersprüche und Leerstellen hinzuweisen. Und das Wort „Prinzessin“
seltener ins Drehbuch zu schreiben!
30 Aug 2017
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
Prostitution
Zuhälterei
Zwangsprostitution
Sexarbeit
USA
Prostitution
Mithulogie
Prostitution
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