Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Der Unverboingbare
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen: Ralf „Schnurz“ Stegner, der
> SPDler mit den Mundwinkeln, die bis zum Meeresgrund herunterhängen.
Bild: Ein Bild von einem sauertöpfischen Mannsbild: Ralf Stegner in Aktion
Schallendes Gelächter schwappt durch die Fenster und überflutet die nebenan
ruhenden Häuser. Unwillkürlich halten die Nachbarn inne, und ein Schmunzeln
breitet sich auf ihnen aus. „Das ist der Stegner!“, sagen sie und: „Jetzt
wissen wir, dass er wieder zu Hause ist!“
Bordesholm im Landkreis Rendsburg-Eckernförde, 25 Kilometer neben Kiel:
Hier wohnt Ralf Stegner. Genau: der SPD-Politiker, den man fernsehweit nur
mit ernst festgebackenem Gesicht kennt, mit Mundwinkeln, die bis zum
Meeresgrund herunterhängen – und der privat aus ganz anderem Holz gestrickt
ist.
Im Wirtshaus, wenn er seinen geliebten Skat drischt und mit seinen Sprüchen
den ganzen Laden unterhält, füllt ansteckendes Gelächter noch den letzten
Winkel der Gaststube. Ralf Stegner, der im Kieler Landtag als
Oppositionsführer gegen die breite Mehrheit anrudert, hier schwimmt er wie
ein Fisch im Wasser des Volkes!
Zu Hause sorgt er für Spaß und gute Laune bis unter die Decke.
Schenkelklopfend und nach Atem ringend sind seine Frau, die drei Söhne und
der Hund manchmal dem Erstickungstod nahe, wenn Ralf Stegner, Chef der
Landes-SPD und Mitglied des Bundesvorstands genau derselben Partei, wieder
einen Spitzenwitz auswirft!
## Stegner ist auch ein Mensch
Daheim ist Ralf Stegner ein Mensch, in der Öffentlichkeit Politiker. Beides
ist er mit Haut und Hirn. Hier ein Schelm, ein Schalk, ein lockerer Vogel –
dort, vor den Kameras, mit Unmut vollgesogen, mürrisch und miesepetrig. Das
für draußen aufgesteckte, professionelle Lächeln hat Stegner nie gelernt.
Er ist kein Schauspieler, sondern echt bis unter die Haarwurzeln.
„Theatralische Politik made in USA“ – auf den Namen hörte seine bitter
grundierte Doktorarbeit an der Universität Hamburg, nachdem er zuvor in den
Vereinigten Staaten einen großen Batzen wegstudiert hatte und die Kennedy
School of Government der Harvard-Universität hochgerüstet mit einem Master
of Public Administration verlassen hatte.
Ellenbogen und Eigensinn waren Stegner als mittleres von fünf Kindern schon
mit der Muttermilch eingeimpft worden, damit er sich dreißig Jahre später
gegen die Sprösslinge der Mächtigen und Reichen mit Pauken und Trompeten
behaupten konnte. Die folgten bloß der von Daddy gelegten goldenen Spur;
Stegner biss sich ohne Hilfestellung nach vorn und blieb seine eigene
Marke.
Von außen auf eine Linie festschrauben ließ er sich nie: Erst ein vom
linken Zeitgeist gefütterter Schüler, leierte er dann seinen Wehrdienst
brav runter. Als Student in Freiburg erschuf er eine Juso-Gruppe und nahm
dann als erwachsener Mensch in der Senatskanzlei des eher rechts
gepanzerten Hamburger Bürgermeisters Henning Voscherau Platz.
## Stegner schießt zurück
1990 aber zog er, vom links gestrickten Björn Engholm fasziniert, als
Referent ins Kieler Sozialministerium um und kam nach diversen
Zwischenlandungen in anderen Ministerien 2003 auf dem Sessel des
Finanzministers an. Sofort plante Stegner eine Steuerreform, die die
Spitzenverdiener schlachten sollte – doch 2005 sattelte er um und diente
dem CDU-Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen als Innenminister. Als
solcher kritisierte er 2007 Schäuble für seine überspitzten
Sicherheitsgesetze – erließ aber selber ein gepfeffertes Polizeigesetz und
stauchte den opponierenden Datenschützer auf Spatzengröße zusammen.
Das sind klaftergroße Widersprüche – scheinbar; denn Kontraste sind, wie
jeder weiß, der Futterboden jedes komischen Vogels. So passt alles niet-
und nagelfest zusammen!
Weil Stegner sich immer und ewig treu ist, hielt ihn 2008 selbst sein mit
Dukaten und Assignaten gepolsterter Ministerposten nicht ab, seinen
Vorgesetzten Carstensen anzupfeifen, der Dirk Jens Nonnenmacher, der die
HSH Nordbank in den Ruin geritten hatte, noch einen Bonus zustecken wollte.
Daraufhin ging die Koalition mit der Union in Stücke. Schnurz: Als
ausgebildeter Fußballschiedsrichter ist Stegner gewohnt, bei einem
Verbrechen die rote Karte zu ziehen, selbst wenn das ein Handgemenge mit
Verstümmelten heraufbeschwört.
Den Kieler Landtag bevölkert er seit 2005, konnte allerdings niemals das
Direktmandat erringen. Warum? Ohne sich im Gestrüpp von Mutmaßungen
verirren zu wollen, darf man annehmen, dass die hundert Prozent aus
Bordesholm die null Prozent aus den anderen Wahllokalen nicht
kompensierten. Dort kannte man nur das öffentliche Raubein, das als 1959
geborener Sohn eines Dorfgasthofs die Wirtshausschlägereien mit der Zunge
fortführte: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer treffsicher mit Kim Jong Un
verglich, um nur ein Beispiel aus der Kiste zu holen.
Zugleich ist Ralf Stegner, ein weiterer Kontrast, ein in Kultur badender
Feingeist, der Musiktipps twittert und eine Zeitlang Gedichte ausdünstete.
Noch ein Gegensatz: Statt empfindsamer Lyrik verfasste er gesalzene
Epigramme, die seinen Gegnern die Galle aus den Poren trieben. Die
Marschroute des Unverboingbaren ist damit klar: Ralf Stegner ist und bleibt
Ralf Stegner!
22 Aug 2017
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Ralf Stegner
Deutsche Politik
Kriminalität
Schleswig-Holstein
Sprachkritik
Tarek Al-Wazir
Sprache
Franz Kafka
Sprachkritik
Sprachkritik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Mit der halben Welt verständig
Sprachkritik: Fehler passieren nicht nur als Ausdruck des Unbewussten,
manche beruhen schlicht auf Schusseligkeit oder Unkenntnis.
Die Wahrheit: Der Ausgehfertige
In unserer beliebten Reihe „Schurken, die die Welt beherrschen wollen“
kommt heute der Hesse Tarek Al-Wazir zum Aufruf.
Die Wahrheit: Jemand meckern?
Sprachkritik: Stummelsätze sind derzeit schwer modern und bieten die
Möglichkeit, in kindliches Lallen zurückzuverfallen.
Die Wahrheit: Die Verwandlung
Sein Name ist Samsa. Aber heißt er wirklich so? Und warum krabbelt der
Käfer über sein Papier? Ach, könnte man es doch bloß aufschreiben …
Die Wahrheit: Rein, raus, raus, rein
Die Richtung beim Hin und Her hat es in sich, denn beides bedeutet
Unterschiedliches in der Hochsprache. Eine Sprachkritik.
Die Wahrheit: Dem Dativ zum Gruße
Um das altertümelnde Morphem des Wemfalls sammeln sich immer mehr Anhänger.
Sie hegen oft nicht einmal ironische Absichten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.