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# taz.de -- Manipulation von Fotografien: Merkel schwitzt!
> Fotografien gelten als verlässliche Quellen. Aber gefälschte Fotos sind
> nicht leicht zu erkennen. Es gibt Tricks, um Fakes zu erkennen.
Bild: Die Kanzlerin hat auch Schweißflecken? Schnell, wegretuschieren!
Brennende Barrikaden im Schanzenviertel während des G20-Gipfels. Davor
steht ein junger Mann, der mit seinem iPhone ein Selfie von sich schießt.
Dieses Foto wurde in den sozialen Medien stark diskutiert: Ist die
Fotografie des Riot-Hipsters echt oder hat den Mann jemand in die Szene
hineinmontiert? Mittlerweile ist die Authentizität des Selfies geklärt.
Spiegel Online ist der Urheber, ein österreichischer Journalist, dessen
Namen nicht genannt werden soll, bekannt. Eine zusätzliche fotoforensische
Analyse, die Prüfung der Metadaten sowie Berichte von Augenzeug*innen
bestätigen die Echtheit.
Was die Diskussion über dieses Bild erahnen lässt, [1][bestätigt eine
aktuelle Studie] aus dem Fachmagazin Cognitive Research: Principles and
Implications: Nur 66 Prozent der Proband*innen erkannten, ob ein Foto
manipuliert war oder nicht, und 55 Prozent konnten bei einem gefälschten
Bild den Fehler nicht lokalisieren.
Die Wissenschaftler*innen der Universität Warwick legten 707
Teilnehmer*innen zehn verschiedene Fotos vor; fünf davon original, die
übrigen fünf manipuliert. Bei den Fälschungen erkannten die Proband*innen
physikalisch plausible Manipulationen besser, wie etwa deutlich aufgehellte
Zähne, geglättete Gesichtsfalten oder hinzugefügte Objekte, als
physikalisch unplausible Aufnahmen: verzerrte Baumkronen, Spiegelungen von
Bäumen im Wasser, obwohl keine Bäume zu sehen waren, oder Schatten, die mit
dem Lichteinfall nicht übereinstimmten.
Zwar manipulierten die Forscher*innen ihre Fotografien mithilfe von
modernen Bildbearbeitungsprogrammen, aber schon weit vor solchen
Möglichkeiten gab es gefälschte Abbildungen. Im 17. Jahrhundert etwa
signierte Rembrandt die Bilder seiner Schüler, um deren Verkaufszahlen zu
steigern. Und die Künstler Michelangelo, Rubens oder Monet waren geübt im
Kopieren der Werke ihrer Kollegen – allerdings wohl eher, um andere
Malstile zu lernen.
## Stalins Gesicht glätten
Das kommt freilich unschuldig daher im Vergleich zu dem, was heute mit ein
paar Klicks alles möglich ist. Vermeintliche Makel wie ein Bäuchlein,
Hautrötungen oder Schweißflecken lassen sich mit Photoshop ganz einfach aus
einem Foto entfernen. Ohne solch nachträgliche Schönungen kommt in der
Beauty- und Lifestyle-Branche heute kaum noch ein Bild aus. Aber auch von
Politiker*innen gibt es aufgehübschte Fotografien.
Als Bundeskanzlerin Merkel bei den Bayreuther Festspielen 2005 den Arm zum
Gruß hob, entblößte das einen unliebsamen Fleck. Der Bayerische Rundfunk
(BR) präsentierte jedoch auf seiner Website dasselbe dpa-Foto mit einer
blitzblanken Achsel. Der BR bedauerte den Vorfall öffentlich, denn der
verantwortliche Mitarbeiter habe damit gegen interne Standards verstoßen.
Der Deutsche Journalisten-Verband betonte in einer knappen Stellungnahme
die Kennzeichnungspflicht für retuschierte Fotos.
Auch Fotografien von Stalin verschönerten in der damaligen Sowjetunion
Retuscheur*innen mit Skalpell, Tuschpinsel und Airbrush, um das
pockennarbige Gesicht des Diktators zu glätten. Es gab ebenso die
Anordnung, ganze Personen aus Bildern zu tilgen. So entfernte man den
Volkskommissar für Staatssicherheit Nikolai Jeschow nach seiner Hinrichtung
1940 aus sämtlichen Fotos. Historiker*innen nehmen an, dass eine solch
verdeckte Retusche aufgrund der Masse an zu bearbeitenden Bildern nicht
lange möglich war. Indizien dafür sind Fotos, in denen man unliebsame
Personen einfach mit einem dicken Stift übermalte.
Ebenso wie die frühere Sowjetunion war die DDR geübt darin, Bilder zu
fälschen. So zeigt ein Foto den Handschlag des KPD-Vorsitzenden Wilhelm
Pieck und des Vorsitzenden des SPD-Zentralausschusses Otto Grotewohl 1946,
der die SED-Parteigründung aus dem Zusammenschluss von KPD und SPD
besiegelte. Auf dem Originalfoto sah man den zweiten KPD-Vorsitzenden Kurt
Müller im Hintergrund zwischen den beiden Männern. Als die Stasi Müller
1950 gefangen nahm, verschwand er aus dem Bild.
## Fotografien als Quelle
Die Gefahr der Bildmanipulation liegt nicht allein darin, dass
Betrachter*innen Fälschungen nicht lokalisieren oder erkennen können, wie
die aktuelle Studie zeigt. Das eigentliche Problem ergibt sich erst, wenn
man bedenkt, dass Fotografien als verlässliche Quelle gelten. Das Vertrauen
mag verständlich sein, denn laut Pressekodex sollen Medienhäuser ihre Fotos
nicht bearbeiten, und falls doch, dann mit Kennzeichnung.
Es gibt Tricks, um digitale Manipulationen zu erkennen. Zum einen die
Plausibilitätsprüfung: Stimmen Schatten und Lichtquellen überein? Gehört
jede Spiegelung zu einem passenden Objekt? Gibt es Verzerrungen? Zum
anderen hilft ein Blick auf die Bildquelle: Die dpa ist in der Regel
vertrauenswürdiger als eine private Facebook-Profilseite. Zuletzt gibt es
die umgekehrte Google-Bildersuche, die Quellen von zuvor hochgeladenen
unbekannten Bilddateien ausfindig macht.
Eine Restskepsis sollte aber immer bleiben. Denn „Fotografien lügen, sogar
ohne Manipulation“. Das schrieb Eddie Adams, der Fotograf der
preisgekrönten Aufnahme einer öffentlichen Hinrichtung im Vietnamkrieg,
„Saigon Execution“. Bilder sind Momentaufnahmen: Sie verraten nicht, was
Minuten vor oder nach der Aufnahme geschehen ist, und auch nicht, was
rechts oder links von der abgebildeten Szene passiert. Eine objektive
Beweiskraft ist so von vornherein schwierig. Das macht Fotografien, so
Adams, zur „mächtigsten Waffe der Welt“.
20 Aug 2017
## LINKS
[1] https://cognitiveresearchjournal.springeropen.com/articles/10.1186/s41235-0…
## AUTOREN
Johanna Feckl
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
Photoshop
Fake News
Medienrecht
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Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Türkei
taz на русском языке
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