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# taz.de -- Hamburger CDUler über Koalitionen: „Ich halte viel von Schwarz-G…
> Er will als CDU-Direktkandidat in den Bundestag und flirtet heftig mit
> Grünen und Liberalen. Marcus Weinberg über das angeschlagene Vertrauen
> zur SPD.
Bild: CDU-Familienpolitiker mit Hang zu Liberalität und zum ökologischen Umba…
taz: Herr Weinberg, macht Ihnen Wahlkampf noch Spaß?
Marcus Weinberg: Ja. Mein erster Bundestagswahlkampf war 2002, aber die
Themen ändern sich ständig, so bleibt es spannend. Ein politischer Mensch
hat immer Lust auf politische Debatten und Wahlkämpfe.
Lust auch auf vier weitere Jahre Große Koalition?
In meinem Bereich, der Familienpolitik, wäre ein neuer Impuls durch eine
neue Koalition schon wünschenswert.
Mit wem möchten Sie denn gerne regieren?
Ich persönlich halte grundsätzlich viel von einer schwarz-grünen
Zusammenarbeit. Auch in der Familienpolitik wäre das eine konstruktive
Konstellation. Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, mit den Liberalen
zusammenzuarbeiten.
Auch einer Jamaika-Koalition nach schleswig-holsteinischem Vorbild?
Christdemokratische Werte plus Liberalität und ökologischer Umbau der
Gesellschaft wäre eine spannende Option. Ob es im Bund klappt, alle drei
Parteien zusammenzubringen, dahinter steht allerdings ein zu großes
Fragezeichen. Dann lieber eine klare Zweierkonstellation.
Welche?
Die Mehrheit der Union präferiert eine christlich-liberale Koalition. Der
Wunsch ist sehr ausgeprägt. Ich bin da etwas indifferenter. Wenn die
Wahlergebnisse es zulassen, sollten wir mit den Grünen und der FDP
ausloten, was möglich ist.
Wo liegen Schnittmengen mit Grünen und Liberalen, die es mit der SPD nicht
gibt?
Mit den Liberalen meistern wir die wirtschaftspolitischen Herausforderungen
der Zukunft am besten. Mit den Grünen wäre die ökologische Erneuerung ein
zentrales Thema. Auch in der Familienpolitik gibt es viele Schnittmengen
mit den Grünen. Wir sind beide zum Beispiel gegen die
einkommensunabhängige Freistellung der Elternbeiträge im Kita-Bereich. Wer
viel verdient, kann auch Beiträge zahlen. Wir brauchen im Moment jeden
Euro, um die Qualität der Betreuung zu steigern.
Im reichen Deutschland gibt es erstaunlich viel Kinderarmut. Was läuft da
falsch?
Richtig ist, dass wir eine nicht unerhebliche Zahl von Kindern haben, die
unter Armut leiden. Wir müssen es schaffen, dass gerade Familien mit
geringem oder mittlerem Einkommen nicht unter Abstiegsängsten leiden,
sondern Aufstiegsperspektiven entwickeln. Wir müssen alle Eltern in die
Lage versetzen, eine gute Betreuung ihrer Kinder zu gewährleisten.
Wie?
Die SPD sagt, jedes Kind muss am Anfang des Schuljahrs einen neuen Ranzen
bekommen. Uns ist wichtig, dass die Eltern diesen neuen Ranzen kaufen
können. Wichtig ist doch für das Kind die Wahrnehmung, dass die Eltern in
der Lage sind, seine Lebenschancen zu verbessern.
Was waren in der ablaufenden Legislaturperiode die größten
familienpolitischen Erfolge und was ging mit der SPD nicht?
Einer der größten Erfolge war der weitere Ausbau der Kindertagesbetreuung.
Die Umsetzung des Rechtsanspruches auf einen Krippenplatz wurde mit mehr
als sechs Milliarden Euro vom Bund unterfüttert. In der Frauenpolitik
konnten wir unter anderem mit der Reform des Mutterschutzgesetzes oder dem
Umsetzen des „Nein heißt Nein“ durch eine Verschärfung des
Sexualstrafrechts einzelne Schutzbereiche ausbauen. Wir hätten zum Beispiel
die Themen religiös motivierter Radikalisierung, aber auch Gewalt von
links, gerne stärker in den Fokus gerückt.
Welche Projekte möchte der Familienpolitiker Marcus Weinberg nach der
Bundestagswahl vorantreiben?
Da gibt es den Ausbau der Qualität der Betreuungsangebote für Kinder und
die Erweiterung des Rechtsanspruches auf eine Ganztagsbetreuung. Ich kämpfe
für die Einführung eines Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz bis zum
zehnten oder sogar bis zum 14. Lebensjahr. Damit Eltern mehr Zeit für die
Familie haben, brauchen wir ein familiengerechtes Zeitmanagement mit
Jahres- und vor allem Lebensarbeitszeitkonten. Wir müssen den Wünschen der
Eltern gerecht werden, die ihre Arbeitszeit flexibler einteilen und die
Familienzeit partnerschaftlicher aufteilen wollen.
Die SPD hat erst vor wenigen Monaten gegen die Mehrheit in der CDU zusammen
mit den Grünen und den Linken die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
durchgesetzt. Sie haben sich über diesen faktischen Koalitionsbruch
geärgert, dem Antrag aber zugestimmt. Wieso?
Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare finde ich richtig. Es
wird niemanden etwas genommen, aber vielen etwas gegeben. Aber in der Union
gibt es viele kritische Stimmen, begründet mit ethischen, aber auch
verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch wenn es eine Minderheit ist, muss man
dieser mit Respekt begegnen. Wir hatten mit der SPD im Koalitionsvertrag
festgeschrieben, alle Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Paare
abzubauen, aber die „Ehe für alle“ zunächst auszunehmen. Der Vorstoß der
SPD entgegen diese Absprache war ein Vertrauensbruch.
Aber für Sie muss es ungemein befreiend sein, dass das Thema vom Tisch ist,
oder?
Es ist gut, dass ich nicht mehr erklären muss, warum ich persönlich für die
Öffnung der Ehe bin, aber wir als CDU nicht zustimmen können. Diese
Ambivalenz war schon schwierig.
Überhaupt hat man bei Ihren inhaltlichen Positionen mitunter den Eindruck,
Sie wären bei der SPD oder bei den Grünen besser aufgehoben. Sind Sie
versehentlich in der falschen Partei?
Sicher gehöre ich zu denen, die im CDU-Spektrum als sehr liberal gelten.
Die Überschneidungen zu Positionen der Sozialdemokraten und der Grünen ist
dann schon mal gegeben, aber die politische Heimat ist die Union,
insbesondere im Bezug zu christdemokratischen Werten. Mir sind besonders
sozialethische Grundpositionen in der Union wichtig, wie gleicher Lohn für
gleiche Arbeit und das jeder von seiner Arbeit leben können muss. Bei
Themen wie der Flüchtlingspolitik bin ich ein klarer Merkelianer. Und
vielleicht braucht die Union auch Mitglieder wie mich.
Sie waren bis 2015 Landesvorsitzender der Hamburger CDU. Wieso entwickelt
sich der Landesverband seit Ihrem Rücktritt stetig nach rechts?
Nach einer langen Phase der Öffnung auch in Richtung der Grünen, als ein
liberal-progressives Bild der CDU im Vordergrund stand, gibt es in weiten
Teilen der Hamburger CDU verstärkt den Wunsch, die eher konservativen
Themen wieder mehr in den Vordergrund zu stellen. Das sind Zyklen, die jede
Partei erlebt. Auch ich stehe selbstverständlich für konservative Themen,
betone es aber nicht jeden Tag drei Mal.
Die Hamburger CDU ist immer noch eine nahezu frauenfreie Zone. Verzweifeln
Sie da manchmal an der eigenen Partei?
Ich bin Vorsitzender der CDU in Hamburg-Altona und zwei der drei bisherigen
Frauen in der Hamburgischen Bürgerschaft kamen aus Altona. Das Thema ist
hochgekocht bei der Aufstellung der Bundestagsliste, wo erst auf
Listenplatz fünf eine Frau kandidiert. Wir alle haben die Wirkung einer
solchen Konstellation unterschätzt. Ich auch! Die Frage lautet aber auch:
Wie können wir die CDU interessanter für Frauen machen?
Und wie ist Ihre Antwort?
Wir müssen über Inhalte für Frauen attraktiver werden und ihnen mehr
Chancen der Beteiligung geben, wenn sie in der CDU mitarbeiten wollen. Wir
müssen für diese Frauen dann das Licht an- und die Türen weit aufmachen.
14 Aug 2017
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Marcus Weinberg
Jamaika-Koalition
Familienpolitik
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