# taz.de -- FDP-Kandidatin über Bevormundung: „Ich bin nicht Christian Lindn… | |
> Die Unternehmerin Lencke Steiner spricht über Bevormundung – und meint | |
> den Staat, nicht ihren überpräsenten Parteichef. | |
Bild: „Können uns nicht alles bieten lassen“: Bremens FDP-Spitzenkandidati… | |
taz: Frau Steiner, waren Sie schon mal auf Jamaika? | |
Lencke Steiner: Bisher noch nicht. Aber es soll sehr schön dort sein. | |
Ihre Parteifreundin Katja Suding aus Hamburg soll so vom Kieler | |
Jamaika-Bündnis schwärmen. | |
Ein bisschen Karibik in Norddeutschland ist schon ganz cool, das kann ich | |
mir vorstellen. | |
Aber das ist nichts, was sich ausweiten ließe? | |
Doch, gerade hier in Bremen schiene mir das sogar dringend notwendig – und | |
auch für den Bund könnte das ein Modell sein. | |
Und was zieht Sie nach Berlin? | |
Ob ich selbst in den Bundestag komme, ist nicht sicher. Dafür bräuchte ich | |
zehn Prozent, das ist ein ambitioniertes Ziel. Mir geht es erst einmal | |
darum, ein Superergebnis aus Bremen heraus für die FDP zu erzielen, damit | |
die wieder in den Bundestag einzieht. Denn in den letzten Jahren hat man | |
schon gemerkt, dass die FDP fehlt. | |
Geht das konkreter? | |
Ja klar. Das Thema Freiheit und Eigenständigkeit hat immer mehr gelitten. | |
Wir werden immer mehr bevormundet, uns werden unsere Arbeitszeiten | |
vorgeschrieben, wir reden über irgendwelche Veggiedays … | |
Seit vier Jahren hat doch keiner mehr einen Veggieday gefordert. | |
Es geht doch vor allem um das Prinzip der Bevormundung: Nehmen wir mal das | |
Beispiel Arbeitszeiten. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie gibt eine | |
Maximalarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche vor. In Deutschland wurde das | |
so stark runtergebrochen, dass es jetzt heißt: Maximal acht Stunden am Tag | |
plus elf Stunden Ruhepause. Ich glaube aber, dass es heute viele Modelle | |
gibt, wo gerade auch Mamas sagen: ‚Mensch, ich möchte morgens mein Kind zur | |
Schule bringen und dann durcharbeiten, möchte dann aber auch irgendwie | |
abends noch mal Quality-Time mit der Familie verbringen. Und dann halte ich | |
die elf Stunden Ruhepause nicht ein. Dafür habe ich aber dann meinen Tag | |
definiert.‘ Mit unseren starren Regelungen geht das nicht. Es gibt | |
Branchen, wie die Windkraft, wo die Ingenieure als Selbstständige arbeiten, | |
weil sie zwölf Stunden im Einsatz sein müssen – was mit dem deutschen | |
Gesetz nicht vereinbar wäre. | |
Allerdings schützt es die Rechte von Angestellten. | |
Ich finde, wenn ich für mich entscheide, dass das gut ist, dann soll es | |
auch möglich sein. | |
Der Fokus Ihres Wahlprogramms liegt klar auf dem Thema Bildung. Ist das bei | |
einer Bundestagswahl nicht falsch adressiert? | |
Nein, überhaupt nicht! Bildung ist der Schlüssel für alles. In Deutschland | |
hängt es nach wie vor stark davon ab, aus welchem Elternhaus die Kinder | |
kommen. Davon hängen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ihr | |
Bildungserfolg ab. Und gerade jetzt durch die Neuordnung der | |
Bund-Länder-Finanzen ist es auch möglich, dass der Bund mehr Geld in die | |
Länder gibt, um für bessere Bildung zu sorgen. Ich finde, dass wir da viel | |
viel mehr Geld investieren müssen. Wir haben viel verpasst bei der | |
Digitalisierung, wir haben verpasst, für neue Lehrer zu sorgen – der | |
Unterrichtsausfall ist ja schon ein flächendeckendes Problem. | |
Das zu lösen bleibt aber Ländersache. | |
Wir als FDP setzen uns ja auch dafür ein, dass wir den Föderalismus bei der | |
Bildung abschaffen. | |
Das ist eine schöne theoretische Debatte, heißt aber, dass Sie, bevor Sie | |
das Bildungswesen selbst reformieren, das Grundgesetz ändern sowie die | |
Schulverwaltungen der Länder und der Kommunen umkrempeln müssen. Dauert das | |
nicht viel zu lange? | |
Wenn wir jetzt anfangen, erst mal mehr Geld vom Bund in die Länder | |
reinzugeben, wäre das ein erster Schritt. Gerade hier in Bremen geben wir | |
am wenigsten pro Kopf für Bildung aus – und haben in den Rankings wie dem | |
Bildungsmonitor mit die schlechtesten Ergebnisse bundesweit. Es sollte | |
allen ein Anliegen sein, dass deutsche Kinder überall die gleichen | |
Bildungschancen haben. Und für mich ist das eine Bundesaufgabe. Und es ist | |
doch nur fair, wenn wir in unserem Programm die Leitlinien dafür festlegen, | |
wie gute Bildung für uns aussieht. Dann wird es in den Ländern, in denen | |
wir mitregieren, auch so umgesetzt. | |
Das ist ein wichtiger Punkt, denn an der Verbindlichkeit des Programms kann | |
man zweifeln, seit sich Ihr Vorsitzender zur Krim geäußert hat: Das | |
Programm will eine klare Haltung gegen Russland, Christian Lindner hingegen | |
Tabus brechen und die Krim-Besetzung tolerieren. Was gilt denn nun? | |
Ich glaube, dass einige die Äußerungen von Christian Lindner in den | |
falschen Hals bekommen haben. Er hat natürlich Recht, wenn er sagt, wir | |
können Putin nicht dazu zwingen, dass er morgen aus der Krim abzieht. Das | |
wird nicht passieren. Und da muss man sich überlegen, wie kriegt man dieses | |
Problem in den Griff, um auf diplomatischem Weg dafür zu sorgen, dass er | |
ein Einsehen hat. Das ist, was Christian Lindner bezweckt hat. Insofern | |
sind seine Äußerungen nicht konträr zum Wahlprogramm. | |
Laut dem will man Russland auffordern, „die völkerrechtswidrige Besetzung | |
der Krim unverzüglich zu beenden“, Lindner will sie als „dauerhaftes | |
Provisorium“ betrachten: Das wäre kein Widerspruch? | |
Dann sagen Sie mir doch mal, wie Sie von Deutschland aus Putin dazu zwingen | |
wollen, dass er die Besetzung beendet. Das schaffen Sie nicht! | |
Das steht aber nicht im Programm. Das will eine „klare Linie“ – und Lindn… | |
den Konflikt einkapseln. | |
Ich bin nicht Christian Lindner. Wenn Sie lieber mit ihm sprechen wollen … | |
Der Wahlkampf ist halt schon sehr auf ihn zugespitzt, finden Sie nicht? | |
Nein, nicht nur. Es nehmen viele so wahr, und ich glaube, das ist für die | |
Positionierung der FDP derzeit auch ganz gut. Aber wir haben auch sehr | |
viele in der zweiten, dritten bis hundertsten Reihe. Es ist nicht richtig, | |
uns auf Christian Lindner zu reduzieren. Ich nenne da nur Alexander Graf | |
Lambsdorf, Katja Suding, Nicola Beer und Wolfgang Kubicki. | |
Ich finde Programmfragen auch interessanter. Halten Sie da zum Beispiel das | |
Spannungsfeld Innere Sicherheit versus Freiheitsrechte für angemessen | |
berücksichtigt? | |
Da sind wir klar für eine bessere Ausstattung der Polizei und für mehr | |
Personal und selbstverständlich dafür, viel zu digitalisieren: Bei | |
Digitalisierung wollen wir uns insgesamt stark positionieren, in allen | |
Themenfeldern quer durch das Programm. Das ist Ihnen sicher aufgefallen. | |
Was aber fehlt, ist eine deutliche Positionierung in der auch für Liberale | |
[1][wichtigen] Debatte um Präventiv-Haft für Gefährder und Menschen- und | |
Freiheitsrechte. Wo stehen Sie denn da? | |
Wir sagen: In dem Moment, wo sich hier jemand nicht benimmt, und unsere | |
Rechte hier mit Füßen tritt, dass er dann konsequent abgeschoben wird. Wir | |
stehen dafür, dass der Rechtsstaat auch durchgesetzt wird. | |
Der Begriff des Gefährders ist ja noch gar kein strafrechtlicher. Da gab es | |
ja noch gar keine Straftat … | |
Naja, mit einer besseren Verzahnung der Polizeibehörden hätte man jemanden | |
wie Anis Amri, den Berliner Weihnachtsmarktattentäter, auch besser | |
überwachen und auch länger wegsperren können. Es ist wichtig, solche Taten | |
zu vereiteln. | |
Also finden Sie auch [2][die Entfristung der Gefährderhaft] à la Bayern | |
okay? | |
Nein, in Bayern übertreiben Sie es. Aber ich sag’s noch einmal: Wenn sich | |
einer in Deutschland nicht benimmt und verurteilt wird, dann fliegt er halt | |
raus. Wir können uns hier nicht alles bieten lassen. | |
4 Sep 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.deutschlandfunk.de/anti-terror-kampf-es-gibt-keine-gesetzeslueck… | |
[2] http://www.deutschlandfunk.de/gefaehrdergesetz-in-bayern-ein-schritt-weg-vo… | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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