| # taz.de -- Linken-Kandidatin über Arroganz großer Parteien: „Männer drän… | |
| > Pia Zimmermann kandidiert erneut für den Bundestag. Die Linke über die | |
| > Quotenregel und wieso sie Fußballerinnen in den Bundestag einlud | |
| Bild: Die erste weibliche Spitzenkandidatin der Linken in Niedersachsen: Pia Zi… | |
| taz: Frau Zimmermann, warum haben Sie eine Fußballmannschaft in den | |
| Bundestag eingeladen? | |
| Pia Zimmermann: Ich fand es unglaublich, dass die Frauen des VfL Wolfsburg | |
| Meister werden und das nicht feiern durften. Das muss man sich mal | |
| umgekehrt vorstellen: Die Männer dürfen nicht feiern, weil die Frauen noch | |
| in der Relegation stecken? Unvorstellbar. Da wollte ich ein Zeichen setzen. | |
| Wann kommen die Fußballerinnen? | |
| Leider hat es bisher nicht geklappt, weil viele in den Urlaub gefahren | |
| sind, nachdem sie erfahren haben, dass sie nicht feiern dürfen. | |
| Sind Sie Fan der Mannschaft? | |
| Ja, auf jeden Fall. Ich war schon oft mit meiner Enkelin im Stadion und | |
| habe selbst als Jugendliche Fußball im Verein gespielt. | |
| Ist das eine typische Ungleichbehandlung in unserer Gesellschaft? | |
| Ja. Frauen verdienen weniger, haben die schlechteren Jobs und | |
| Arbeitszeiten, sind mehr von Altersarmut bedroht. Frauen sind im | |
| Wesentlichen diejenigen, die die Sorge- und Pflegearbeit verrichten müssen | |
| und die Kinder erziehen. Das ist eine große Ungerechtigkeit. | |
| Sind Sie selbst auch zu Hause geblieben, um sich um Ihre drei Kinder zu | |
| kümmern? | |
| Bei meinem dritten Kind bin ich für ein Jahr in Erziehungsurlaub gegangen. | |
| Bei den anderen beiden habe ich es nicht gemacht, weil ich studiert habe. | |
| Ich war aber eine Zeit lang arbeitslos. | |
| Warum das? | |
| Das war unfreiwillig. Ich habe mich viel beworben und hatte auch viele | |
| Bewerbungsgespräche und bin fast immer in die letzte Runde gekommen. Aber | |
| damals haben die ArbeitgeberInnen schon gegoogelt und dann stand bei mir | |
| PDS. Das hat sich für mich angefühlt wie ein Berufsverbot. | |
| Waren die Personaler abgeschreckt? | |
| Das ist jetzt nicht mehr so dramatisch in der Linken, aber die PDS war | |
| schon ein Ausschlusskriterium. Ich habe keine feste berufliche Perspektive | |
| mehr als Sozialpädagogin bekommen. Ich bin dann putzen gegangen. | |
| Und in Ihrer politischen Arbeit? | |
| Da konnte ich mich durch die konsequenten Quotierungsregeln in unserer | |
| Partei mit meinen Fachthemen durchsetzen. Das Reden alleine bringt nichts. | |
| Die Männer würden sich immer wieder in die erste Reihe stellen. Bei Wahlen | |
| ist es bei der Linken so, dass auf allen ungeraden Listenplätzen eine Frau | |
| kandidiert. | |
| Wie kommt es dann, dass Sie die erste weibliche Spitzenkandidatin der | |
| Linken in Niedersachsen sind? | |
| Weil sich auch bei uns die Männer nach vorne drängeln. Wir Linken sind ja | |
| keine besondere Spezies. | |
| Wollen Sie etwas anders machen als Ihre männlichen Kollegen? | |
| Ich meine schon, dass es einen Unterschied gibt zwischen Frauen und | |
| Männern. Männer kämpfen öfter mit harten Bandagen und stellen sich selbst | |
| in den Mittelpunkt. Bei Frauen ist es meiner Erfahrung nach eher so, dass | |
| sie Teamplayer sind. Ich glaube, das tut uns gut. | |
| Ist das nicht wieder ein Stereotyp? | |
| Ja. Das heißt auch nicht, dass es nicht auch Frauen gibt, die sich | |
| durchboxen. Aber ich finde, man darf als Frau Frau bleiben, auch in | |
| Männerdomänen. | |
| Wie sind Sie zur Politik gekommen? | |
| Ich bin in eine Arbeiterfamilie hineingeboren worden und meine Eltern haben | |
| damals geguckt, dass mein Bruder und ich zu einer Jugendorganisation | |
| gingen. Ich glaube nicht, dass sie wussten, was genau die Falken waren … | |
| Die Falken waren die Sozialistische Jugend Deutschlands. | |
| Mit acht Jahren bin ich das erste Mal mit ins Zeltlager gefahren. Es gab | |
| ganze Zeltdörfer mit eigenen Namen. Wir haben BürgermeisterInnen und | |
| ParlamentarierInnen gewählt, die das Dorfleben mitbestimmt haben. Da lernt | |
| man natürlich, für die eigenen und die gemeinsamen Interessen einzutreten. | |
| Mit 16 bin ich dann in die SPD eingetreten. | |
| Und wieder ausgetreten. | |
| Ja, da kam der Nato-Doppelbeschluss. Für mich ist Frieden das Wichtigste, | |
| keine Kriegseinsätze, keine Waffenlieferungen. Das zieht sich durch mein | |
| ganzes Leben. | |
| Woher kommt das? | |
| Das hat etwas mit der Biografie meines Vaters zu tun. Seine Schwester ist | |
| im Faschismus im Euthanasieprogramm umgebracht worden. Das hat mein Vater | |
| sein ganzes Leben lang mit sich herumgeschleppt. Ich habe mich viel mit | |
| dieser Geschichte befasst und bin Antifaschistin durch und durch. Im | |
| Gegensatz zur SPD war das soziale Programm der PDS dann genau das, was mir | |
| nahelag. | |
| Jetzt vertreten Sie die Linke. Doch warum sollte man eine Partei wählen, | |
| mit der sowieso niemand regieren will? | |
| Also ob mit uns keiner regieren will, da warten wir mal die | |
| Bundestagswahlen ab. Und warum man die Linke wählen soll, ist doch klar: | |
| Die neoliberale Politik der letzten Jahre hat den Menschen nicht geholfen, | |
| sondern die Armen zahlreicher und die Reichen reicher gemacht. Wenn es die | |
| Linke nicht mehr im Parlament gibt, wird keiner mehr den Finger in die | |
| Wunde legen. | |
| Also sind Sie ein Korrektiv? | |
| Mindestens ein Korrektiv. | |
| Waren Sie manchmal frustriert, wenn Sie als Pflegeexpertin Ideen in den | |
| Bundestag eingebracht haben und diese abgeschmettert wurden? | |
| Das war eigentlich immer so. Gerade wenn die KollegInnen von der SPD und | |
| von CDU/CSU in einer Arroganz sondergleichen einen mit Anträgen so | |
| auflaufen lassen, kann das wirklich frustrierend sein. Trotzdem gelingt es | |
| uns, Themen in die Öffentlichkeit zu bringen. | |
| Sie kämpfen für Verbesserungen für Pfleger und Patienten. Haben Sie selbst | |
| Angst davor, einmal pflegebedürftig zu werden? | |
| Klar. Ich finde das eine gruselige Vorstellung, weil Pflege in unserer | |
| Gesellschaft leider nichts mit sozialer Teilhabe zu tun hat. Manchmal heißt | |
| es noch nicht einmal: warm, satt und sauber. Es kann vorkommen, dass | |
| PatientInnen aus Zeitdruck nicht richtig gewaschen werden oder unzureichend | |
| zu essen bekommen – und wenn, dann Schokoladenpudding, weil der besser | |
| flutscht. Das sind krasse Zustände. | |
| Was müsste sich ändern? | |
| Wichtig sind mehr Personal und mehr Geld. Denn wenn sich etwas für die | |
| KollegInnen zum Positiven verändert, ändert sich auch etwas an der | |
| Situation der BewohnerInnen. | |
| Warum wollen Sie mit 60 Jahren nochmal in den Bundestag? Hat Ihre Partei | |
| keinen Nachwuchs? | |
| Natürlich haben wir geeigneten Nachwuchs. Auf Platz vier steht bei uns auf | |
| der Landesliste ein junger Mann … | |
| … Victor Perli ist 35 Jahre alt. | |
| Ja. Wir kämpfen dafür, dass er mit in den Bundestag einzieht. Aber warum | |
| sollte ich aufhören, mich auch im Bundestag für einen Politikwechsel | |
| einzusetzen, nur weil ich 60 Jahre alt bin? Ich bin eine Kämpfernatur. Und | |
| es gibt immer noch viel zu tun. | |
| 21 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Scharpen | |
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