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# taz.de -- Aydan Ösoğuz über soziale Gerechtigkeit: „Dieser Leitkultur-Po…
> Die Hamburger SPD-Spitzenkandidatin Aydan Ösoğuz will nach der Wahl zur
> Integrationsministerin aufsteigen und setzt auf das Thema soziale
> Gerechtigkeit
Bild: „Eine übergeordnete Stelle mit klaren Kompetenzen“: Aydan Ösoğuz h…
taz: Frau Özoğ uz, Sie arbeiten als Staatsministerin direkt im Kanzleramt.
Wie ist Ihr Kontakt zur Kanzlerin?
Aydan Özoğuz: Der Arbeitskontakt ist gut. Da ich aber eine unabhängige
Beauftragte bin, arbeite ich auch sehr unabhängig. Wir machen unsere
Projekte alle selbständig.
Heißt das, Sie werden gar nicht wahrgenommen?
Nein. Aber das Kanzleramt hat sich 2015 entschieden, parallel zu meinem
Stab einen weiteren Flüchtlingsstab aufzubauen. Das hat die Arbeit intern
nicht erleichtert.
Eine Konkurrenzsituation?
Das weniger. Denn wir sind als unabhängige Stelle mit der
Querschnittsaufgabe Integration bei allen Gesetzesvorhaben dabei. Insofern
reden wir bei allem mit, zum Beispiel beim Integrationsgesetz, bei dem das
Innen- und das Arbeitsministerium federführend waren. Bei solchen Gesetzen
werden wir sehr eingebunden und bringen wichtige Expertise ein.
Wäre ein eigenständiges Integrationsministerium nicht sinnvoller?
Ja, natürlich. Ich habe das schon vor eineinhalb Jahren gefordert. Es gibt
kein Ressort, das mit Integration nichts zu tun hat, ob Familie, Bildung,
Arbeit, Wirtschaft oder Inneres. Aber es gibt keine Stelle, wo die Themen
Migration und Integration stringent gebündelt und federführend aufbereitet
werden. Wir haben in dieser Frage gewissermaßen die zwei Pole globale
Entwicklungszusammenarbeit vor Ort und Integrationspolitik hier. Dieses
breite Themenspektrum sollte von einer zuständigen Stelle, von einem
Ministerium, bearbeitet werden.
Würde die SPD, wenn sie wieder mitregierte, auf einem
Integrationsministerium bestehen?
Es besteht Einigkeit in der Parteiführung, dass es künftig eine
übergeordnete Stelle mit klaren Kompetenzen geben muss. Das muss kein
Ministerium sein, kann aber. Ein Ministerium entsteht aber auch nicht über
Nacht, sondern muss natürlich sehr ordentlich vorbereitet werden.
Die Migrations- und Flüchtlingspolitik ist ein ewiges Streitthema in der
Koalition und auch in der Union. Innenminister Thomas de Maizière (CDU)
forderte jüngst die Besinnung auf eine „deutsche Leitkultur“. Für Sie
unerträglich?
Dieses Thema nervt mich vor allem, weil es in Wahlkämpfen immer wieder
rausgekramt, aber nie mit konkreten Inhalten beantwortet wird, und nach der
Wahl wieder in der Mottenkiste verschwindet. Dieser Populismus ärgert mich.
Wir brauchen stattdessen eine ehrliche Debatte darüber, was wir von
Einwanderern erwarten und was nicht. Aber Leitkultur bedeutet ja die
Überhöhung von irgendetwas spezifisch Deutschem, ohne es konkret zu
benennen.
Wie könnte das konkreter sein?
Klar ist doch: Die Basis ist das Grundgesetz und seine Werteordnung. Und
darauf aufbauend müssen wir uns gemeinsam über viele Dinge verständigen, um
Gegenwart und Zukunft zu gestalten. Das ist ein Gesellschaftsvertrag, den
wir in Wahrheit brauchen.
Die CSU fordert Obergrenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Reiner
Populismus?
Ich finde diesen Streit in der Union schon skurril. Frau Merkel sagt Nein,
Herr Seehofer sagt für Bayern Ja. Die sind sich überhaupt nicht einig in
der Union, die WählerInnen wissen deshalb nicht, was sie bekommen. Aus
unserer Sicht ist eine Obergrenze vollkommen unrealistisch, deshalb ist sie
für die SPD kein Thema.
Sie kandidieren bei der Bundestagswahl am 24. September zum zweiten Mal als
Spitzenkandidatin der Hamburger SPD. Was sind die Wahlziele?
Mehr Gerechtigkeit auf allen Ebenen. Das fängt an bei der Bekämpfung von
Armut speziell bei Frauen und Senioren hier in Deutschland durch neue
Steuermodelle und höhere Renten und geht bis zum Einsatz für mehr Frieden
im Nahen Osten und anderen Krisengebieten dieser Welt. Ganz wichtig ist
auch kostenlose Bildung von der Kita bis zum Meister- oder Studienabschluss
– und dabei ist ein ganz zentraler Punkt die Stärkung der beruflichen
Ausbildung.
Um Wahlziele zu erreichen, muss man regieren – mit wem will die SPD?
Also erst einmal muss man die Wahl gewinnen und so stark werden, dass man
sich den Koalitionspartner aussuchen kann.
Wenn wir im Bereich der Realpolitik bleiben, kann die SPD nur als
Juniorpartner der CDU an der Regierung bleiben.
Abwarten. Im Bereich der Realpolitik kämpfe ich für eine starke SPD.
Als stellvertretende Bundesvorsitzende kennen Sie doch die internen
strategischen Diskussionen. Wo steht die SPD als Alternative zur CDU?
Das Ergebnis dieser Diskussionen ist, dass an einer starken SPD kein Weg
vorbeigehen darf.
Könnte aber doch passieren. Kann Martin Schulz Parteichef bleiben, wenn er
die Wahl vergeigt hat?
Die Frage stellt sich nicht.
Und wenn doch, kommt dann als letzte Rettung Olaf Scholz?
Die Frage stellt sich logischerweise auch nicht.
Wenn aber doch, bekäme Hamburg dann im Tausch nicht nur erstmals eine
Bürgermeisterin, sondern auch gleich eine muslimische?
Das ist ganz sicher nicht mehr im Bereich der Realpolitik.
28 Aug 2017
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Integration
Soziale Gerechtigkeit
Flüchtlinge
Leitkultur
Integrationsbeauftragte
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
FDP
Studentenwohnheim
Integration
Hamburg
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