# taz.de -- Pro und Contra Haushaltshilfe: Putzen und putzen lassen | |
> Darf man eine Reinigungskraft engagieren? Das sichert keine Existenz, | |
> findet eine Autorin. Ein ganz normaler Job, sagt eine andere. | |
Bild: Füttert man mit der Anstellung einer Putzfrau das kaputte System? | |
## Putzt selbst! | |
Es ist nicht in Ordnung, einen anderen Menschen niederknien zu lassen, nur | |
damit dieser den Dreck wegmacht, für den man sich zu schade ist. Wer keine | |
Zeit hat oder keine Lust auf den meditativen Moment mit dem Putzlappen, der | |
sollte dringend in sich gehen und über die eigene Work-Life-Balance | |
nachdenken. Nur Dreck machen, aber sich nicht um dessen Beseitigung zu | |
kümmern, das passt auf den Privathaushalt mit Putzkraft genauso wie auf den | |
Zustand einer Gesellschaft, in der sich nur wenige Gedanken darüber machen, | |
welche Konsequenzen das eigene Handeln hat. | |
Nur weil man kritisiert, dass Menschen für sich putzen lassen, heißt es | |
nicht, dass man die Arbeit der Putzkräfte abwerten will. Aber: Der erhabene | |
Anspruch „Ich unterstütze dich, indem ich dich für mich putzen lasse“ | |
funktioniert meistens nicht. Putzkräfte, die für Privathaushalte arbeiten, | |
leben oft prekär. Sie sind normalerweise nicht fest angestellt, viele | |
arbeiten schwarz oder ohne Arbeitserlaubnis. Sie haben keine Sicherheiten: | |
Werden sie alt oder krank, müssen sie oft trotzdem weiterarbeiten oder | |
haben eben kein Geld. Viele machen mehrere Jobs gleichzeitig, um irgendwie | |
auf ein Monatsgehalt zu kommen, von dem sie leben können. Putzkräfte haben | |
keine Lobby – und so bestimmen ihre Arbeitgeber die Bedingungen, unter | |
denen sie arbeiten. Lehnen sie eine zu niedrige Bezahlung ab, macht die | |
Arbeit eben ein anderer. | |
Sich durch einen Putzjob ein Studium zu finanzieren oder eine Zeit zu | |
überbrücken, in der man gerade nicht so viel Geld hat, ist eine Sache, die | |
vielleicht sogar funktioniert. Oft wird aber aus einer vermeintlichen | |
Übergangsphase ein Dauerzustand. Häufig gehen Menschen mit | |
Migrationshintergrund putzen, wenn sie sich auf dem Arbeitsmarkt in | |
Deutschland nicht durchsetzen können. Es hat auch eine rassistische | |
Dimension, wenn einige Deutsche es für legitim halten, dass diese Menschen | |
sich bei ihnen für wenig Geld den Rücken krumm machen. Manchmal haben sie | |
einen höheren Abschluss als die Arbeitgeber selbst – aber oft scheitert ein | |
Jobwechsel an Geldnot, Sprachbarrieren und einer fehlenden Anerkennung. Das | |
ist ein echtes gesellschaftliches Problem, das bleibt, wenn wir das | |
zulassen. | |
Für die schnelle Fremdreinigung gibt es jetzt sogar Putzplattformen, auf | |
denen man mal eben per App einen Menschen buchen kann. Wer das ist, ist | |
uninteressant – es zählt nur die schnelle Erledigung der Dienstleistung. | |
Das macht den Umgang von Menschen untereinander noch unverbindlicher und | |
unpersönlicher. „Viele sind froh, dass es jemanden gibt, der auf der | |
gesellschaftlichen Leiter noch unter ihnen steht“, sagt Jessica Reisner von | |
der Initiative Arbeitsunrecht e. V., die sich für Putzkräfte einsetzt. | |
Man kann als Privatperson kaum jede Ausbeutung verhindern, aber man kann | |
aufhören, selbst auszubeuten. Wenn es gar nicht ohne Unterstützung im | |
Haushalt geht, könnten sich mehrere Haushalte eine angemeldete Putzfrau | |
oder einen -mann teilen. Und dafür sorgen, dass die Person bekommt, was | |
auch wir von unseren Arbeitgebern wollen: gesicherte Lebensumstände durch | |
den ausgeübten Beruf. Ivy Nortey | |
*** | |
Lasst putzen! | |
Nur weil man sich oft niederbeugen muss, ist Putzen keine niedere Arbeit. | |
Oder sagen wir, das Putzen ist genauso wenig niedere Arbeit wie die eines | |
Redakteurs, der sich zur Nachricht über den Besuch der Bundeskanzlerin im | |
Wurfhaus des Bundesleistungszentrum Kienbaum eine Titelzeile ausdenken | |
muss. Es ist Arbeit, die gemacht werden muss. | |
Die Frage „Darf man für seine eigene Wohnung Putzkräfte bezahlen?“ ist | |
keine Frage, sondern Quatsch und verrät viel über den, der diese Frage | |
überhaupt stellt. Sie haben irgendwelche fiesen feudalen Bilder von | |
Haziendabesitzern und Sklavenhaltern. Dass es das durchaus gibt, ist keine | |
Frage. Aber die Frage in einem demokratischen Land ist nicht die nach | |
Sklaverei, sondern nach gerechter Bezahlung. Die einzige Frage, die im | |
Zusammenhang mit Putzkräften in Privathaushalten gestellt werden sollte, | |
lautet so wie bei jeder gesellschaftlichen Arbeit: Welche Fähigkeiten gibt | |
es und welche Bedürfnisse, und wie können wir das so regeln, dass davon | |
jeder seinen Nutzen hat? | |
Wer ernsthaft der Meinung ist, weil Putzkräfte drastisch unterbezahlt | |
würden, dürfe man in seinem Privathaushalt keine haben, sollte sich selbst | |
genauso energisch fragen, wie sehr er oder sie dazu beiträgt, dass Löhne | |
immer weiter gesenkt werden, indem man unbezahlte Praktika, Überstunden und | |
untertarifliche Bezahlung bei Jobs in Kauf nimmt, die nur einen | |
vermeintlich besseren Ruf als Kloputzen haben. Im Fall der selbst | |
angestellten Putzkraft lässt sich das zudem sehr einfach beheben, indem man | |
sie übertariflich oder mit dem gleichen Stundenlohn bezahlt, den man selber | |
verdient. | |
Ich selbst habe mir mit dem Putzen fremder Wohnungen mein Abitur und mein | |
Studium finanziert, das meine Mutter, die Jahrzehnte ihres Lebens Putzfrau | |
war, nicht bezahlen konnte. Und ich war dem maoistischen Motorradhändler | |
und dem Hausmeister eines Kulturhauses unendlich dankbar, dass sie ihre | |
Böden, Waschbecken, Fenster und Kloschüsseln nicht selber putzten, sondern | |
mich dafür bezahlten. | |
Ich habe mit einer lateinamerikanischen Putzfrau zusammengewohnt, die | |
selbst eine Putzfrau bezahlte, um ihre eigene Wohnung putzen zu lassen. Die | |
diversen Diskussionen, die ich in linken WGs über das Anstellen von | |
Putzkräften hatte, haben mich an den Linken verzweifeln lassen. Denn das | |
Ressentiment, die Sichtweise auf die Putzfrau als niedere Arbeitskraft, | |
steckt am Ende hinter all diesen moralisch verdrucksten Argumentationen, | |
die alle innerhalb weniger Minuten widerlegt werden können. | |
Sicher, man sollte nicht sein Leben lang putzen müssen. Aber dem ein oder | |
anderen Linken würde es nicht schaden, wenn er mal selbst für Geld putzen | |
ginge, um sein Wissen über die Würde einer Putzkraft aufzubessern. Kurz, | |
der Kampf für die Arbeiterklasse beginnt damit, eine Putzkraft für die | |
eigenen vier Wände zu bezahlen. Doris Akrap | |
12 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
Ivy Nortey | |
## TAGS | |
Putzen | |
Ausbeutung | |
Minijob | |
Arbeiterklasse | |
Haushaltshilfe | |
Gebäudereinigungsbranche | |
Minority Report | |
Gastarbeiter | |
Minijob | |
Diskriminierung | |
Mindestlohn | |
Moral | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zuschuss für die Haushaltshilfe: Gutscheine gegen Schwarzarbeit | |
Neun von zehn Haushaltshilfen arbeiten unangemeldet. Das soll ein neues | |
Gutscheinsystem ändern, verspricht Minister Hubertus Heil. | |
Gründerinnen über ihr Putz-Start-up: „Sauberes Gefühl“ | |
Putzen gilt für viele als äußerst unbeliebte Tätigkeit. Zwei Frauen haben | |
einen Reinigungsservice gegründet, der ökologisch und sozial fair sein | |
will. | |
Coronakrise und Hausarbeit: Nicht wertgeschätzt | |
Manche langweilen sich in der Isolation. Unsere Autorin putzt. Und sieht in | |
der Coronakrise einen Anlass, Hausarbeit neu zu bewerten. | |
Internationaler Tag der Putzfrau: Die mit dem Staub tanzt | |
Der Jahrestag ist ein Anlass, die oft unsichtbare, schlechtbezahlte und | |
harte Arbeit von Frauen endlich anzuerkennen. | |
Minijobs und Mindestlohn: Bald ein echter Job? | |
Der Mindestlohn wirkt auch bei Minijobs. Arbeitnehmer nehmen vermehrt ihre | |
Rechte in Anspruch. Aber Defizite bleiben bestehen. | |
Zweifelhafte Werbung: Wenn die „Putzfee“ ihren Pass zeigt | |
Eine Charlottenburger Reinigungsfirma wirbt damit, nur „deutsche“ | |
Putzfrauen anzustellen, kein „Multi Kulti“. Unsere Autorin wollte wissen, | |
warum. | |
Ausgehebelter Mindestlohn: Kreative Lohngestaltung | |
Viele Minijobber bekommen keinen Mindestlohn, sagt eine Studie. In Kneipen | |
und im Handel wird oft die wirkliche Arbeitszeit nicht dokumentiert. | |
Dreck und Moral: Dürfen Linke putzen lassen? | |
Natürlich nicht! Trotzdem beschäftigt die Chefin der Grünen eine Putzhilfe | |
und selbst die Linkspartei wackelt bedenklich. |