| # taz.de -- Porträt Nicolás Maduro: Chávez’ Sohn | |
| > Seine Bevölkerung demonstriert gegen ihn, viele Staaten nennen ihn einen | |
| > Diktator: Wie hält sich Venezuelas Präsident Maduro an der Macht? | |
| Bild: Für Nicolás Maduro läuft's nicht so richtig rund | |
| Für Nicolás Maduro, den Präsidenten der Bolivarischen Republik Venezuela, | |
| war es eine gute Woche. Zumindest wenn man dem glaubt, was er per Twitter | |
| der Welt mitgeteilt hat. Rául Castro hat ihn zur Einrichtung der | |
| Verfasssunggebenden Versammlung beglückwünscht. Der lateinamerikanische | |
| Staatenbund Alba hat seine Solidarität mit Venezuela ausgedrückt. Russland | |
| hat die Sanktionen gegen das Land verurteilt. Und schließlich hat ihn die | |
| Verfassunggebende Versammlung im Amt bestätigt. | |
| Von außen betrachtet lief es weniger gut für Maduro. Immer mehr Regierungen | |
| nennen ihn nun einen Diktator, weil in der neuen Verfassunggebenden | |
| Versammlung nur seine Anhänger sitzen und das frei gewählte Parlament, in | |
| dem die Opposition die Mehrheit hat, entmachtet wurde. | |
| Zwölf amerikanische Staaten, darunter Brasilien, Argentinien und Mexiko, | |
| haben in Lima eine Deklaration verabschiedet, in der sie vom „Bruch der | |
| demokratischen Ordnung“ in Venezuela sprechen. Das südamerikanische | |
| Mercosur-Bündnis hat Venezuela mit derselben Begründung ausgeschlossen. Und | |
| Maduro persönlich steht bereits seit vergangener Woche auf der | |
| Sanktionsliste der USA. | |
| Eine so starke Polarisierung hat es selbst zu Chávez’ Zeiten nicht gegeben. | |
| Hugo Chávez war Maduros Amtsvorgänger und Mentor. Oder wie Maduro sagt: | |
| sein Vater. Maduro bezeichnet sich selbst nämlich gerne als „Chávez’ Sohn… | |
| Er will das Erbe des Mannes bewahren, der 1999 die Präsidentschaft antrat, | |
| um Venezuela umzukrempeln. Der die bisher Benachteiligten aus dem Schatten | |
| geleiten und soziale Gerechtigkeit schaffen wollte – und schließlich den | |
| „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ einführen. | |
| Ohne Chávez wäre Maduro nicht dorthin gekommen, wo er heute ist. Und ohne | |
| ihn wäre er wohl auch nicht mehr da. Denn sonderlich beliebt war er nie, | |
| aber er war nun mal von Chávez auf dem Totenbett zum Nachfolger auserkoren | |
| worden. | |
| ## In einer linken Familie aufgewachsen | |
| Nicolás Maduro, geboren 1962, war früh an Chávez’ Seite. Als der | |
| Fallschirmoffizier Chávez 1992 nach einem Putschversuch ins Gefängnis kam, | |
| setzte Maduro sich für seine Freilassung ein, zu der es 1994 kam. Dabei | |
| lernte er auch Chávez’ Anwältin kennen, Cilia Flores, seine heutige Frau. | |
| Auch sie sollte später einflussreiche Posten bekommen. Unter anderem wurde | |
| sie Parlamentspräsidentin und Generalstaatsanwältin und ist heute – wie | |
| auch Maduros Sohn – eine der 545 Delegierten der Verfassunggebenden | |
| Versammlung. | |
| Maduro ist in einer linken Familie aufgewachsen, schon sein Vater | |
| engagierte sich in der Arbeiterbewegung. Diesen Weg schlug auch Maduro ein. | |
| Er ging eine Weile nach Kuba und machte neben seiner Arbeit als Fahrer | |
| eines Linienbusses in Caracas erst als Gewerkschafter Karriere und dann in | |
| Chávez’ politischer Bewegung. 1999 schrieb er an der neuen Verfassung mit, | |
| wurde Abgeordneter im Parlament und Außenminister. Und schließlich – Chávez | |
| ließ sich inzwischen regelmäßig wegen seiner Krebserkrankung in Kuba | |
| behandeln – Vizepräsident. | |
| Maduro, seit Anfang 2013 Staatsoberhaupt, hat das Pech der späten Amtszeit. | |
| Chávez konnte dank steigender Erlöse aus den Erdölexporten Sozialprogramme | |
| finanzieren und den Staatsapparat aufblasen. Die Situation ist nun eine | |
| völlig andere. Es gibt nicht einmal mehr genügend Klopapier. | |
| Maduro mit seinem markanten Schnauzbart wird schnell omnipräsent, seine | |
| Ansprachen ans Volk werden in allen TV-Sendern übertragen. Aber seine | |
| Antworten auf die Misere wirken oft hilflos. Als im vergangenen Jahr der | |
| Strom knapp war, ließ er die Uhr um eine halbe Stunde vorstellen und | |
| entließ die Staatsbediensteten in den Teilzeitdienst. Als Antwort auf die | |
| Wirtschaftskrise gründete er neue Ministerien, von „Ökologischer Bergbau“ | |
| bis hin zu „Urban Gardening“. Mit der einzigen Folge, dass die | |
| Staatsausgaben weiter stiegen. | |
| Leute aus Chávez’ Umfeld sagen heute, Chávezhabe sich bewusst einen nicht | |
| ganz so fähigen Stellvertreter ausgesucht, weil er bis zuletzt daran | |
| geglaubt hat, zurück an die Macht zu kommen. Und da konnte er niemanden | |
| gebrauchen, der ihm gefährlich würde. | |
| Maduro hat aber auch selbst kräftig am Machterhalt gearbeitet. Er hat sich | |
| die Institutionen gefügig gemacht, der Oberste Gerichtshof entscheidet in | |
| seinem Sinne, und der Oberste Wahlrat hat das von der Opposition initiierte | |
| Abwahlreferendum ins Leere laufen lassen. Dass das Parlament schon länger | |
| nicht mehr viel mitzuentscheiden hat, war ihm offenbar nicht genug. Als | |
| erste Amtshandlung hat die Verfassunggebende Versammlung die | |
| Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz entlassen, die sich zur stärksten | |
| Kritikerin Maduros gewandelt hatte. Und die Versammlung soll ihm die Macht | |
| auf Dauer sichern. Adiós, Gewaltenteilung. | |
| ## Loyalität des Militärs erkauft | |
| Maduros wohl wichtigster Schachzug: Er hat sich die Loyalität des Militärs | |
| erkauft. Das ist in Venezuela besonders wichtig, wo der Putsch lange Zeit | |
| die normale Form des Machtwechsels war. Maduro, anders als Chávez kein | |
| Soldat, hat mehr als ein Drittel der Ministerposten mit Militärs besetzt. | |
| Die mehr als 2.000 Generäle im Land haben viele Privilegien, sie sind mit | |
| der Lebensmittelverteilung betraut und können zum Vorzugskurs Dollars | |
| eintauschen. Sie haben also ein Interesse am Status quo. Die Versuche von | |
| sehr kleinen Gruppen aktiver oder ehemaliger Soldaten, gegen die Regierung | |
| zu rebellieren – wie vor einer Woche in Valencia – stellten für Maduro | |
| deshalb keine Gefahr da. | |
| Nicolás Maduro betont gern, wie nah ihm Chávez sei. Mal begegnet ihm sein | |
| Geist als Vogel, mal erkennt er sein Gesicht an der Wand eines | |
| U-Bahn-Tunnels. Und er versucht, ihm auch rhetorisch nachzueifern, gern im | |
| Trainingsanzug in den Nationalfarben Gelb-Blau-Rot. Er wettert gegen den | |
| „Imperialismus“ und die „faschistische Opposition“. Eines hat Maduro von | |
| Chávez aber nicht gelernt: gut zu reden. Seine Ausführungen sind | |
| umständlich, ihm fehlt der Witz, das Charisma – und auch eine Vision. | |
| Es ist aber auch schwierig, eine Vision zu entwickeln, wenn die meisten | |
| Menschen im Land nicht einmal wissen, wie sie den Tag überstehen sollen, | |
| weil es nicht genügend Lebensmittel und Medikamente gibt und die Preise | |
| explodieren. Seit Monaten protestieren Regierungsgegner auf der Straße, | |
| mehr als 120 sind dabei gestorben. | |
| ## In Sachen Öl ziemlich flexibel | |
| Venezuela verkauft derweil weiter Erdöl an die USA, rund 740.000 Barrel am | |
| Tag, es bleibt für den Erzfeind der drittgrößte Öllieferant. Denn es | |
| braucht die Dollars, um überhaupt noch irgendetwas importieren zu können. | |
| In dieser Sache ist Maduro ziemlich flexibel. Jüngst hat er sogar | |
| angekündigt, dass er gern mit US-Präsident Trump persönlich sprechen würde, | |
| wenn sie sich kommenden Monat bei der UN-Vollversammlung treffen. „Herr | |
| Donald Trump, hier ist meine Hand“, sagt er am Donnerstag während einer | |
| dreistündigen Rede vor der Verfassunggebenden Versammlung. | |
| Im eigenen Lager bröckelt die Unterstützung Maduros nur langsam. Es gibt | |
| eine Gruppe, die sich als Chavisten sieht, den Präsidenten aber nicht | |
| unterstützt. Viele halten zu Maduro, weil sie vom Regime profitieren: Arme | |
| bekommen so manchmal noch günstig Lebensmittel. Wenn sie einen Job im | |
| Regierungsapparat haben, können sie sich vielleicht an einer Kasse | |
| bedienen. | |
| Andere sind immer noch überzeugt, dass Maduro den richtigen Weg geht. „Wir | |
| sind Chavistas bis zum Tod“, schrieb die Fußballlegende Maradona, die „Hand | |
| Gottes“, kürzlich auf Facebook. „Wenn Maduro es befiehlt, bin ich bereit, | |
| als Soldat für ein freies Venezuela gegen den Imperialismus zu kämpfen.“ | |
| Nicolás Maduro gefällt das. Was sein „Vater“ Hugo Chávez von all dem hä… | |
| weiß allerhöchstens Gott selbst. | |
| 11 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Erb | |
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