# taz.de -- Handelsbeziehungen auf dem Westbalkan: Kampf um Beeren und Melonen | |
> Kroatien erschwert die Einfuhr von Obst und Gemüse aus den | |
> Nachbarstaaten. Deren Regierungen wehren sich. Wie es scheint, haben sie | |
> damit Erfolg. | |
Bild: Wochenmarkt in der kroatischen Stadt Pula | |
Split taz | Schon seit Mitte Juli war auf den Obstmärkten der von Touristen | |
überlaufenen kroatischen Küstenstädte Trogir und Split zu merken, dass | |
irgendetwas nicht stimmte. Wo waren die köstlichen Himbeeren und Blaubeeren | |
aus Bosnien? Wo die preiswerten Melonen aus Mazedonien? Zudem verlangten | |
die kroatischen Händler viel höhere Preise für ihre als einheimisch | |
(domaći) angepriesene Ware. | |
Bald wurde klar, was da auf den Märkten ablief. Kroatien hatte die Einfuhr | |
von Frischware aus den Nachbarländern blockiert. In der vergangenen Woche | |
wurde noch eins drauf gesetzt. Seither kostet ein kroatisches Zertifikat | |
für eine Hygienekontrolle an der Grenze 2.000 Kuna (270 Euro) pro Obst- | |
beziehungsweise Gemüsesorte in einem Lastwagen. Zuvor betrug der Preis 12 | |
Euro für eine gesamte Lastwagenladung. Dadurch verteuerten sich Obst und | |
Gemüse über Gebühr. | |
Die Bauern aus den Westbalkanstaaten mobilisierten ihre Politiker. Mit | |
Erfolg. Die Minister aus vier Westbalkanstaaten trafen sich am Montag | |
dieser Woche in Sarajevo und erhoben Protest. Mehr noch: Sie stellten den | |
Kroaten ein Ultimatum. Sollte Zagreb bis zum kommenden Montag keinen | |
Rückzieher machen, würden Serbien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und | |
Montenegro ihrerseits kroatische Waren an den Grenzen kontrollieren lassen. | |
Der serbische Handelsminister Rasim Ljajić sagte, Kroatiens Nachbarländer | |
wollten keinen Handelskrieg. Er warnte jedoch vor Vergeltungsmaßnahmen, | |
sollten die Gebühren nicht gesenkt werden. Er ließ zudem durchblicken, dass | |
bei diesen Kontrollen dann kroatische Waren bis zu vier Wochen an den | |
Grenzen aufgehalten werden könnten. | |
## Rückhalt aus Europa | |
Vielleicht fühlten die Minister der Westbalkanstaaten sich auch deshalb | |
stark, weil sie sich des Rückhalts aus Europa sicher sind. Erst vor wenigen | |
Wochen hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident | |
Emmanuel Macron bei einem Treffen in Triest die Staaten des Westbalkan | |
aufgefordert, eine Freihandelszone zu schaffen. Indem die Staaten des | |
Westbalkans Kroatien Diskriminierung und Protektionismus vorwerfen können, | |
handeln sie im Rahmen der von der EU formulierten Politik für die Region. | |
Zudem verstößt Kroatien gegen die Bestimmungen der Welthandelsorganisation | |
(WTO) und die Abkommen der EU mit den sechs Beitrittskandidaten. Bosnien | |
und Herzegowina hat bereits eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission | |
eingelegt, Montenegro bei der WTO. Derzeit werden Gespräche zwischen den | |
zuständigen Ministerien geführt. | |
Laut dem bosnischen Außenminister, Mirko Šarović, könnte Kroatien dem Druck | |
nachgeben. Seit Dienstag ist die kroatische Seite in der Tat schon etwas | |
kleinlaut geworden. Premierminister Andrej Plenković erklärte, die | |
anfallenden Gebühren seien wohl etwas zu hoch ausgefallen. | |
Jetzt steht der kroatische Landwirtschaftsminister Tomislav Tolušić im | |
Regen. Nach einem Bericht der Tageszeitung Jutarnji list habe er diese | |
Entscheidung allein getroffen und seinen Premierminister nicht informiert. | |
Der erklärte denn auch gestern beflissen, er erwarte, dass das Problem in | |
ein oder zwei Wochen gelöst werde. Er schlug den Vertretern der vier Länder | |
vor, sich am kommenden Montag in Zagreb zu treffen. | |
## Preise drücken | |
Das hilft aber den Bauern, den Ex- beziehungsweise Importeuren für diese | |
verderblichen Waren nur wenig. Denn ganze Lastwagenladungen mussten | |
angesichts der Hitze schon entsorgt werden. Schon im Juli klagten bosnische | |
Landwirte, einige kroatischen Händler versuchten die Preise für bosnische | |
Himbeeren und andere Produkte zu drücken, so dass gar keine Verkäufe | |
zustande kämen. | |
Dies jedoch trifft auf den Widerstand der katholischen herzegowinischen | |
Bauern, die bisher treue Parteigänger der kroatischen Regierungspartei HDZ | |
waren. Die Herzegowina könnte in großem Maßstab preiswertes Gemüse, Obst | |
und Wein nach Kroatien liefern und leidet daher besonders unter dem | |
Konflikt. Die kroatische Handelskammer warnte zudem: Bei einem Boykott | |
kroatischer Waren durch die Westbalkanländer würde Kroatien in eine tiefe | |
Krise gestürzt. | |
11 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Kroatien | |
Bosnien und Herzegowina | |
Handel | |
Serbien | |
Europäische Union | |
Landwirtschaft | |
Westbalkan-Staaten | |
Kroatien | |
Balkan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nationalismus in Kroatien: Knietief in der Krise | |
Die Wirtschaft schwächelt, der Handelskonzern Agrokor ist bankrott. Die | |
Präsidentin ist auf dem besten Weg, es sich mit den Nachbarn zu | |
verscherzen. | |
Industrielle Landwirtschaft: Warum die Beeren so billig sind | |
Warum ist das Obst im Supermarkt so günstig? Weil Arbeiter aus Asien für | |
wenig Geld auf portugiesischen Plantagen schuften. | |
EU-Gipfel zu Westbalkanstaaten: Wir wollen euch jetzt doch | |
Der wachsenden Einfluss von Russland und China auf dem Balkan hat die EU | |
alarmiert. Ein Beitritt der Staaten wird wieder wahrscheinlicher. | |
Regierungskrise in Kroatien: In Zagreb tun sich Abgründe auf | |
Ein strauchelnder Konzern könnte das Land in eine Wirtschaftskrise stürzen. | |
Eine Regierungskrise hat der Gigant Agrokor bereits ausgelöst. | |
Kommentar EU und Balkankrise: Zu lange weggeschaut | |
Die EU und die Kanzlerin haben begriffen: An der Südostflanke Europas | |
brauen sich gefährliche Entwicklungen zusammen. |