Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Regierungskrise in Kroatien: In Zagreb tun sich Abgründe auf
> Ein strauchelnder Konzern könnte das Land in eine Wirtschaftskrise
> stürzen. Eine Regierungskrise hat der Gigant Agrokor bereits ausgelöst.
Bild: Minister Andrej Plenković muss nicht nur seine Krawatte geradeziehen
Split Zwar überdecken der gleißende Sonnenschein und die Festlichkeiten zum
1. Mai die gedrückte Stimmung etwas, doch die neuerliche Regierungskrise
macht den Menschen zu schaffen. Sie könnte sich zu einer wirtschaftlichen
Katastrophe entwickeln. „Das hättest du sehen müssen, wie kalt unser
Regierungschef Andrej Plenković vergangene Woche innerhalb von drei Minuten
drei seiner Minister entlassen hat“, sagt der 30-jährige Ante, der gerade
ein neues Café in einem Dorf auf der Insel Čiovo eröffnet. „Jetzt wird
alles wieder unsicher.“
Der ganze Vorgang hätte als rein parlamentarisches Spektakel wohl nur die
in Kroatien gewohnten Folgen, Neuwahlen auszuschreiben und alles beim Alten
zu belassen. Diesmal geht es jedoch um die wirtschaftliche Basis des
Landes. Denn den Hintergrund der Krise bildet der Streit über den ins
Straucheln geratenen Lebensmittelriesen Agrokor, der 60.000 Mitarbeiter
beschäftigt und zu dem 72 Firmen gehören. Der Konzern steht für 15 Prozent
des kroatischen Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Die Schuldenlast der Firma beläuft sich jetzt auf über 6 Milliarden Euro,
was fast einem Jahresumsatz der Firma entspricht. Bräche Agrokor zusammen,
kollabiert das gesamte Wirtschaftssystem. Und damit die Machtbasis der
bisherigen Regierungspartei HDZ.
Denn der Konzern wurde während der 90er Jahre unter dem ersten Präsidenten
des unabhängigen Kroatiens, Franjo Tuđjman, aus dem Volkseigentum des
sozialistischen Jugoslawiens geformt. Der Chef von Agrokor, Ivica Todorić,
war einer der Günstlinge, der im Zuge dieser Art von Privatisierung ganze
Landstriche und Firmen zu symbolischen Preisen erwerben und so den Konzern
formen konnte. Finanzminister Zdravko Marić war ein Spitzenmanager dieses
größten kroatischen Unternehmens, bevor er letztes Jahr in die Regierung
wechselte.
## Misstrauensantrag gegen den Minister
Die neue Regierungskrise war ausgelöst worden, als die Minister des
Koalitionspartner Most es ablehnten, den Minister gegen einen
Misstrauensantrag in Schutz zu nehmen. Most-Begründer Petrov warf Plenković
und Marić vor, ihre schützende Hand über die Korruption und Unfähigkeit des
Managements zu halten. Im Gegenzug entließ Plenković nicht nur die
Most-Minister, er forderte Petrov auch auf, als Parlamentspräsident
zurückzutreten. Dieser Misstrauensantrag scheiterte jedoch am Widerstand
der sozialdemokratischen Opposition.
Die Hauptgeldgeberin des Konzerns, die russische Sberbank, will Agrokor
zwar noch mal Kredite (300 Millionen Euro) gewähren, sie will jedoch an der
Unternehmensführung teilhaben. Die Schulden von Agrokor bei der Sberbank
belaufen sich auf 1,3 Milliarden Euro. Agrokor ist nach Meinung der
Opposition nun abhängig vom guten Willen der russischen Sperbank und
Kroatien damit von Präsident Wladimir Putin. „Das ist alles großer Mist“,
sagt Ante. Er bangt allerdings mehr um die Gewährung des Kredits, den er
für sein Café benötigt.
1 May 2017
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Kroatien
Wirtschaftskrise
HDZ
Europäische Union
Kroatien
Kroatien
Kroatien
Kroatien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nationalismus in Kroatien: Knietief in der Krise
Die Wirtschaft schwächelt, der Handelskonzern Agrokor ist bankrott. Die
Präsidentin ist auf dem besten Weg, es sich mit den Nachbarn zu
verscherzen.
Handelsbeziehungen auf dem Westbalkan: Kampf um Beeren und Melonen
Kroatien erschwert die Einfuhr von Obst und Gemüse aus den Nachbarstaaten.
Deren Regierungen wehren sich. Wie es scheint, haben sie damit Erfolg.
Kommentar Parlamentswahl Kroatien: Jetzt kommt es auf die Kleinen an
Für die Linke in Kroatien ist das Wahlergebnis eine kräftige Backpfeife.
Das Land wird aber auf Europa ausgerichtet bleiben.
Parlamentswahl in Kroatien: Keine klare Mehrheit
Überraschend gewinnt die konservative HDZ bei der vorgezogenen Wahl, ist
aber auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die Wahlbeteiligung war
niedrig.
Kommentar Kroatien: Eigentor für die Rechtspopulisten
Das Zerwürfnis zwischen HDZ und dem Regierungschef hat zur Abwahl der
Regierung geführt. In der Neuwahl liegt eine Chance für linke Parteien.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.