# taz.de -- Wahl in Ruanda: Eine grüne Alternative | |
> Der Grüne Frank Habineza macht Wahlkampf gegen Ruandas Präsident Kagame. | |
> „Ich gebe euch die Freiheit zurück“, verspricht er den Bauern. | |
Bild: Der Wahlkampfkonvoi von Frank Habineza (aufrecht hinten im Auto) in Burera | |
Burera/Musanze taz | Kinder drängeln sich um eine wackelige Bühne. | |
Lautsprecherboxen dröhnen. Eine HipHop-Band rappt einen Wahlkampfsong: | |
„Doktor Frank Habineza ist unser Kandidat, er wird uns Demokratie bringen.“ | |
Staubige Kinderfüße in ausgelatschten Sandalen wippen zum Takt. Es sind | |
Schulferien in Ruanda. Und Wahlkampfzeit. | |
Die Musik hallt durch die Täler. Über die Hügel nähert sich das | |
Wahlkampfteam der Grünen, drei Autos und ein Minibus. Es ist einer der | |
letzten Tage vor der Wahl. Spitzenkandidat Frank Habineza und | |
Generalsekretär Jean-Claude Ntezimana sind entspannt. | |
„Noch vor zwei Wochen dachten wir, wir müssen den Wahlkampf abblasen“, sagt | |
Habineza. Ntezimana rekapituliert: Am ersten Wahlkampftag, im Bezirk Rusizi | |
im Südwesten, hätten Polizisten und Soldaten das Ortszentrum abgeriegelt | |
und den Einwohnern befohlen, in ihren Häusern zu bleiben. „Das sah nicht | |
aus wie Wahlkampf, sondern wie Bürgerkrieg.“ | |
Am Tag darauf, in Nyagatare im Osten, wo viele Kader der Regierungspartei | |
RPF (Ruandische Patriotische Front) herkommen, verbannte der | |
Bezirksvorsteher die Grünen auf den Friedhof. Niemand kam. „Wir sind dann | |
wieder abgefahren.“ | |
Als sich die Grünen beschwerten, sprach der zuständige Minister für | |
öffentliche Verwaltung ein Machtwort. „Seitdem ist es viel besser | |
geworden“, sagt Habineza und witzelt: „Vielleicht werden wir gewinnen.“ | |
Sein Mitstreiter Ntezimana schmunzelt. Alle im Team wissen: Sie werden nur | |
wenige Prozent holen. Aber immerhin bewerben sie sich für das höchste | |
Staatsamt, als erste Oppositionspartei in Ruanda überhaupt. | |
## David gegen Goliath | |
Es ist ein ungleicher Kampf. Der Konvoi mit den grün-weißen | |
Habineza-Postern fährt an gigantischen Kagame-Bannern vorbei. Zwischen den | |
Straßenlaternen hängen kilometerlange Lichterketten mit blau-weiß-roten | |
Wimpeln, den Farben der regierenden RPF. | |
Jedes staatliche Gebäude ist mit Kagame-Postern beklebt, Blumentöpfe und | |
Gartenzäune sind in den RPF-Farben angemalt. „Es gibt kaum einen Zentimeter | |
mehr für unsere Plakate“, sagt Ntezimana. | |
Kaum passieren die Wagen die Provinzhauptstadt Musanze, werden die Poster | |
weniger. Die Steilhänge sehen aus wie Flickenteppiche: Auf kleinen Äckern | |
wachsen Zuckerrohr, Mais und Kartoffeln, dazwischen klammern sich | |
Ziegelhäuser an die Hänge. Silberne Wellblechdächer glitzern in der Sonne. | |
Eukalyptushaine sollen Erdrutsche verhindern. Zwischen den Häusern | |
schlängeln sich Trampelpfade. | |
Hier am Fuße der Vulkankette, die Ruanda von Kongo trennt, leben besonders | |
viele Hutu, von hier stammten viele der Radikalen, die 1994 den Völkermord | |
gegen die Minderheit der Tutsi propagierten. In fast jedem Dorf liegen | |
Tutsi in Massengräbern. | |
Der Tutsi Kagame ist hier nicht sehr beliebt. Ab 1990 war seine Guerilla | |
RPF, heute Regierungspartei, von Uganda aus diese Berge hinabmarschiert, um | |
Ruanda zu erobern. | |
Auch der 40-jährige Habineza ist im Exil in Uganda aufgewachsen, als Sohn | |
eines Hutu-Vaters und einer Tutsi-Mutter. Nach dem Völkermord kam er zum | |
Studium nach Ruanda, arbeitete nebenher als Journalist. Damals war er noch | |
in der RPF. Dann überwarf er sich mit der Regierungspartei. | |
Als Umweltaktivist engagierte er sich beim Verband der Grünen in Afrika, | |
schloss Kontakte nach Europa. Seit 2009 versuchte er mehrfach, die Grünen | |
als Partei in Ruanda zu registrieren. | |
Ntezimana telefoniert vom Auto aus mit seinem Wahlkampfteam vor Ort in | |
Burera. Er muss ins Telefon schreien, um die Musik zu übertönen. „Sind | |
viele Polizisten stationiert?“, fragt er. Nur eine Handvoll, so die | |
Antwort. Er ist zufrieden: Der Wahlkampf wird nicht behindert. | |
„Die Bezirks- und Ortsvorsteher buhlen um Kagames Gunst“, erklärt der | |
Generalsekretär. Dass die Grünen überhaupt antreten dürfen, sei nicht | |
zuletzt auf eine Anordnung Kagames zurückzuführen. | |
Bei den letzten Wahlen 2010 war das undenkbar. Mehrfach wurde die | |
Parteigründung sabotiert, der Vizeparteichef wurde enthauptet aufgefunden. | |
Zwei Jahre verbrachte Habineza im Exil in Schweden. Erst nach seiner | |
Rückkehr 2013 gelang es, die Partei zu registrieren. | |
„Das war eine entscheidende Zeit für das Regime“, analysiert Ntezimana. | |
Entwicklungshilfen für Ruanda waren damals eingefroren worden. Eine der | |
Forderungen aus Europa: die Zulassung der Grünen als Opposition. | |
Ntezimana lacht, als er sich an Kagames Rede im Radio erinnert: „Er sprach | |
von den blauen und gelben und schwarzen Parteien.“ Er werde diese Parteien | |
zulassen, doch wenn sie die Linie überschreiten, werde ihnen Hass | |
entgegenschlagen. „Das ist typisch für ihn: Er hat uns Grüne mit keinem | |
Wort erwähnt, aber die Warnung war klar.“ | |
Und was ist Kagames „Linie“? Ntezimana legt die Stirn in Falten: „Man darf | |
ihn nicht beleidigen“, sagt er. „Und man darf keine ethnische Spaltung | |
propagieren“ – gemeint ist der Rekurs auf Hutu und Tutsi als getrennte | |
Volksgruppen. | |
## Kagame, der General | |
Darf man die Militärdiktatur kritisieren? „Ja“, sagt Ntezimana: „Das ist | |
unser stärkster Programmpunkt. Wir wollen Habineza als zivile Alternative | |
präsentieren. Denn Kagame ist und bleibt ein General“. | |
In diesem Moment macht der schwarze Geländewagen einen Knall. Der Reifen | |
ist geplatzt. Die Bergstraße ist frisch geteert, am Wegrand liegt | |
Bauschutt. | |
Während Wahlhelfer den Reifen wechseln, erzählt Habineza von seinen | |
ökologischen Recherchen. Seit Jahrhunderten bauten die Bauern auf den | |
fruchtbaren Lavaböden hier Hirse an, aus welcher das traditionelle Bier | |
„Ikikage“ gebraut wird. Die Hutu-Bauern belieferten den Tutsi-König damit. | |
Doch die Regierung Kagame hat die Landwirtschaft reformiert, die Bauern in | |
Kooperativen organisiert, Monokulturen eingeführt. „Die Menschen hier | |
dürfen jetzt nur noch Kartoffeln und Zuckerrohr anbauen, keine Hirse mehr“, | |
erläutert Habineza. | |
Die Fahrt geht steil bergauf. Die Luft wird dünner und kühler, die Erde | |
dunkler, fast schwarz vom Lavastaub. Scharfkantiges Geröll bedeckt die | |
Steilhänge. Landwirtschaft ist hier Knochenarbeit. Um die gewaltigen | |
Vulkankegel, knapp 5.000 Meter über dem Meeresspiegel, ballen sich | |
Regenwolken. | |
Als Habinezas Jeep in das Dorf fährt, wo die Musik aus den Boxen wummert, | |
jubeln ihm mehrere hundert Menschen zu: Bauern in Gummistiefeln, die Hacke | |
geschultert; Frauen mit Babys im Tragetuch. Ein paar Polizisten gucken | |
gelangweilt zu. | |
Der grüne Spitzenkandidat wirkt freudig überrascht, setzt sich auf einen | |
Plastikstuhl unter einem Zeltdach und wedelt eine Wimpel mit den | |
Partei-Symbolen: Sonnenblume und Adler. | |
## Heilpflanzen und Hirsebier | |
Habinezas Rede ist kurz. Er konzentriert sich auf das, was die Bauern | |
bewegt: die Landwirtschaft, vor allem das Saatgut, das vom Militär verteilt | |
wird. „Heute ist euer Erntefest“, sagt er zu den Bauern: „Aber ich sehe | |
euch nicht feiern, ich sehe euch kein Ikikage trinken, denn die Regierung | |
hat euch euer Land genommen und verbietet euch, Hirse anzubauen.“ | |
Dann verspricht er: „Wenn ihr mich wählt, dann gebe ich euch die Freiheit | |
zurück, das anzupflanzen, was ihr wollt“. | |
Die Menge jubelt. Habineza zeigt auf die Vulkane mit ihren Regenwaldhängen. | |
Ruandas Regierung erwirtschaftet viel Geld mit dem Tourismus bei den | |
Berggorillas dort oben. Erst neulich eröffnete nur ein paar Kilometer | |
entfernt eine Luxus-Lodge: 1.400 Dollar die Nacht. Die Anwohner dürfen | |
derweil den Wald nicht mehr betreten, aus Naturschutzgründen. | |
„Ich weiß, diese Bäume sind für euch medizinische Heilpflanzen, doch die | |
Regierung verbietet auch das“, ruft der Grüne. „Ich werde euch das Recht | |
auf euren Wald wiedergeben!“ Wieder lautes Klatschen. | |
Der 18-jährige Eric Tuyishime in der Menge freut sich. „Oh, ich bin dem | |
Doktor so dankbar“, sagt er. „Ich werde auf jeden Fall für ihn stimmen“.… | |
hat gerade sein Informatikstudium in Musanze aufgenommen. Seine Eltern sind | |
Bauern in Burera. Generationenlang hatten sie Hirse gepflanzt. | |
„Mein Vater verkaufte das Bier drüben in Uganda und hat damit gutes Geld | |
gemacht, um mir die Schulgebühren zu bezahlen“, erzählt Tuyishime. „Jetzt | |
sind meine Eltern arm. Deswegen habe ich entschieden, zu studieren, um | |
nicht als Bauer zu enden.“ | |
Habineza steigt wieder ins Auto. Der Konvoi kurvt durch die Dörfer, der | |
Wahlkampfsong hallt kilometerweit. In der Stadt Musanze strömen die | |
Menschen auf die Straße. Vom Dach des neuen Einkaufszentrums winken sie dem | |
Grünen zu. | |
Habineza winkt zurück. Er strahlt über das ganze Gesicht. | |
4 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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