# taz.de -- Wahltag in Ruanda: Hoch der blaue Daumen | |
> Dabeisein ist alles, wenn Ruanda seinen Präsidenten wählen geht. Denn | |
> Wahltag ist Selfie-Tag und vor allem Party time. | |
Bild: Der Wahlbeweis: Eine Frau zeigt ihren blau gefärbten Daumen | |
KIGALI taz | Es wird die größte Party, die das kleine Ruanda je gesehen | |
hat. Festlich gekleidet, strömen sie am frühen Morgen in die Wahllokale: | |
Frauen in bunten Kleidern, Männer in feinen Anzügen. Schulen mit | |
Wahllokalen sind prachtvoll geschmückt: Schleifen in den Nationalfarben | |
Grün, Gelb, Blau; Girlanden, Wimpel, Plastikblumen. Man könnte meinen, man | |
sei zur Königskrönung geladen. | |
„So – ich habe meine Pflicht erfüllt“, scherzt ein junger Ruander, als er | |
aus dem Wahlbüro tritt, blaue Tinte am Daumen. „Jetzt kann die Party | |
losgehen“, schmunzelt er. Klar: „Die Ergebnisse stehen schon fest“, hatte | |
Präsident Paul Kagame zu Beginn des Wahlkampfs verkündet. Die Bevölkerung | |
solle die Zeit nutzen, zu feiern und sich an Frieden und Sicherheit im Land | |
zu erfreuen. | |
So wurde aus dem Wahlkampf eine gigantische Party. Über eine halbe | |
Millionen Menschen drängelten sich am letzten Wahlkampftag, am Mittwoch, | |
hoch oben auf einem Hügel bei der Hauptstadt Kigali, um Kagame zuzujubeln. | |
Berühmte Musiker heizten der Menge den ganzen Tag lang ein, auch der | |
Präsident tanzte mit. Es war die größte Massenveranstaltung in Ruandas | |
jüngerer Geschichte. | |
In der gewaltigen Menschenmenge stand auch Claude Gabiro. Der 39-Jährige, | |
im Kagame-T-Shirt, feuerte seinen Kandidaten an. „Was er über die | |
Demokratien des Westens gesagt hat, hat mir sehr gut gefallen“, sagt er. | |
Kagame hatte sich in seiner Rede über die USA und Donald Trump ausgelassen: | |
„Sie kommen hierher, um uns Demokratie zu predigen, und dann scheitern sie | |
daran zu Hause“, hatte der ruandische Präsident gesagt. Gabiro gibt ihm | |
recht: „Wir haben unsere eigene Demokratie – und vor allem Einigkeit | |
zwischen den Volksgruppen. Darauf sind wir stolz“. | |
Dass Paul Kagame haushoch gewinnen wird, daran besteht kein Zweifel. Ziel | |
für den Oppositionskandidaten Frank Habineza von den Grünen sind 5 | |
Prozent: die Schwelle zur staatlichen Wahlkampfkostenerstattung. | |
Der eigentliche Wettbewerb findet nicht zwischen den Kandidaten statt, | |
sondern zwischen den Wahlbezirken: Wo ist die Wahlbeteiligung am höchsten? | |
Wo heimst der Präsident die meisten Stimmen ein? In dem kleinen Land, das | |
rund 13 Millionen Einwohner hat, konkurrieren die Lokalbehörden um die | |
knappen Ressourcen. Jeder Bezirksvorsteher, jeder Bürgermeister will sich | |
die meisten Kagame-Stimmen sichern, in der Hoffnung, danach dafür belohnt | |
zu werden. | |
## Wer wie gewählt hat, kann man leicht ermitteln | |
So ist der Wahlgang nicht nur Stimmabgabe, sondern Schaulaufen. „Man weiß | |
nie, welche Probleme man bekommt, wenn man nicht hingeht“, sagt der junge | |
Mann vor dem Wahllokal. Im Innenhof der Grundschulen werden Hände | |
geschüttelt, Smalltalk wird betrieben. Jeder will gesehen werden: als | |
Beweis, dass er auch da war. Die Tinte am Daumen wird den ganzen Tag stolz | |
zur Schau gestellt, Selfies davon werden verbreitet. Jemand hat keinen | |
blauen Daumen? Unerhört! | |
Die Ruander machen kein Kreuz auf dem Stimmzettel, sondern hinterlassen | |
ihren Fingerabdruck. Praktisch: Die biometrischen Daten sämtlicher | |
Einwohner sind in einer Zentraldatenbank erfasst. Mit einem | |
Massenabgleich der Fingerabdrücke lässt sich theoretisch feststellen, wer | |
wie gewählt hat. Dessen sind sich die Ruander durchaus bewusst. | |
Das alles finden viele Afrikaner aus den umliegenden Ländern gar nicht so | |
schlecht. Ein Flüchtling aus Burundi meint: „Wir würden im Nachhinein wohl | |
lieber auf etwas Freiheit verzichten, als jetzt wieder im Bürgerkrieg zu | |
versinken.“ | |
Ein Kenianer, der in Kigali Geschäfte macht, macht sich Sorgen um die | |
Wahlen, die in seiner Heimat nächste Woche stattfinden. Gegenüber einem | |
ruandischen Freund analysiert er: In Ruanda verwandelt die Regierung | |
privaten Reichtum durch Besteuerung in öffentlichen Wohlstand – in Kenia | |
machen Politiker aus öffentlichen Geldern Privateigentum. „Wenn ihr genug | |
habt von eurem Kagame, schickt den mal rüber zu uns“, witzelt er. „So einen | |
können wir gut gebrauchen. Unsere korrupten Politiker denken immer nur an | |
sich selbst.“ | |
4 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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