# taz.de -- Ruandas letzter König: Eine suspekte Nostalgie | |
> Der verstorbene letzte König von Ruanda, seit 1961 im Exil, wird am | |
> Sonntag in seiner Heimat beigesetzt. Kann es einen legitimen Nachfolger | |
> geben? | |
Bild: Nicht weit von diesem Pub (nahe Manchester) lebt Ruandas designierter neu… | |
Berlin taz | Der Tod eines Königs im Exil über ein halbes Jahrhundert nach | |
seiner Absetzung erregt normalerweise wenig Aufsehen. In Ruanda hingegen | |
ist es ein Politikum. Kigeli V. Ndahindurwa, der kurz nach seiner | |
Thronbesteigung 1959 aus Ruanda fliehen musste, 1961 formell als letzter | |
König des Landes abgesetzt wurde und am 16. Oktober 2016 hochbetagt im | |
US-Exil starb, wird am Sonntag in seinem Heimatland beerdigt. | |
Seit seine sterblichen Überreste am 9. Januar per Flugzeug in Ruandas | |
Hauptstadt Kigali landeten, wird über sein Vermächtnis kontrovers | |
diskutiert. | |
Denn das Ende von Ruandas jahrhundertealter Monarchie in der „sozialen | |
Revolution“ von 1959, die zur Gründung der unabhängigen Republik Ruanda | |
1962 führte, markierte zugleich den Beginn der systematischen | |
Diskriminierung, Vertreibung und Ermordung von Tutsi durch die | |
Hutu-Staatsmacht, die 1994 schließlich im organisierten Völkermord | |
gipfelte. Tutsi galten damals als fremde Eroberer, Hutu als das eigentliche | |
ruandische Volk – obwohl beide Bezeichnungen lediglich für | |
unterschiedliche soziale Schichten im vorkolonialen Ruanda stehen. | |
Seit 1994 regiert in Ruanda die „Ruandische Patriotische Front“ (RPF), die | |
als bewaffnete Bewegung der ab 1959 ins Exil getriebenen Tutsi entstanden | |
war. Sie stellte aber nicht die Tutsi-Monarchie wieder her, sondern rief | |
ein „neues Ruanda“ ohne Hutu- und Tutsi-Identitäten aus. | |
Ruandas Präsident Paul Kagame gehört zu einem Clan, der früher mit dem des | |
Königs verfeindet war. Manche ruandischen Tutsi-Monarchisten verbündeten | |
sich lieber im Exil mit der radikalen Hutu-Diaspora, geeint durch die | |
Betonung ihrer jeweiligen Hutu- und Tutsi-Identität, als sich mit Kagame zu | |
identifizieren. | |
## Ein „ephemerer“ Monarch | |
So kann die Regierung nun mit der Trauer um den Exilkönig nicht viel | |
anfangen. Die staatsnahe Tageszeitung New Times betont, der Verstorbene | |
werde „privat“ beigesetzt – nicht mit einem Staatsbegräbnis. | |
Ruanda, so schreibt die Internetzeitung Igihe, beerdige jetzt einen | |
„ephemeren“ Monarchen, „der zu Lebzeiten nie nach Hause kommen wollte und | |
damit dem jetzigen republikanischen Staatschef Paul Kagame, dessen | |
politische Agenda im Gegensatz zur alten konservativen Glaubenswelt der | |
Ruander steht, die Macht streitig macht.“ | |
Auf besonderes Befremden stößt, dass „die Kanzlei und der königliche Hof | |
des De-jure-Königreichs Ruanda“ am Tag der Überführung von Kigeli V. nach | |
Ruanda auf der Webseite der in den USA ansässigen Kigeli-Stiftung einen | |
Nachfolger verkündete. | |
## Brite wird zum neuen König ernannt | |
Der neue König ist demnach ein Neffe des alten: der 56-jährige Emmanuel | |
Bushayija, der einst in Uganda für Pepsi-Cola arbeitete, 1994 wie viele | |
Exiltutsi nach Ruanda zurückkehrte und 2000, als Kagame Präsident wurde, | |
wieder ins Exil ging – nach Großbritannien, wo er eingebürgert wurde und | |
eine Sicherheitsfirma gründete. | |
Er soll nun Yuhi VI. heißen – Ruandas Könige tragen im Wechsel immer einen | |
von vier Namen. Kigeli V. habe ihn 2006 persönlich als Nachfolger | |
auserkoren, heißt es in der Erklärung. | |
Aber aus Sicht des ruandischen Staates ist jeder Ruander, der sich weigert, | |
aus dem Exil zurückzukehren, politisch suspekt. Igihe nennt die Berufung | |
ein „Nichtereignis“, das von „Vergangenheitsnostalgie“ zeuge. | |
Bemängelt wird auch, dass die Nachfolge nicht, wie früher, bei der | |
Trauerfeier des Verstorbenen vom Hof ausgerufen worden ist, sondern per | |
Presseerklärung im Internet von einem Sekretär. Damit sei sie ungültig, | |
zumal ein König nur im Land selbst ernannt werden könne. Andere weisen | |
darauf hin, dass in Ruanda gar kein neuer König zu bestimmen sei – das Land | |
ist schließlich eine Republik. | |
Schon die Frage, ob der Verstorbene überhaupt nach Ruanda überführt werden | |
sollte, spaltete die Familie. Es dauerte Monate, um sie zu klären. Sie | |
wurde schließlich vor Gericht ausgetragen und im Sinne der in Ruanda | |
lebenden Angehörigen geklärt, die als regierungstreuer gelten als die im | |
Exil. Mit der Berufung von Yuhi VI. hat ein Teil des Exilflügels nun | |
zurückgeschlagen. | |
14 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Ruanda | |
Tutsi | |
Hutu | |
König | |
Ruanda | |
Ruanda-Völkermordprozess | |
Tutsi | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Ruanda | |
Ruanda | |
Ruanda | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahl in Ruanda: Eine grüne Alternative | |
Der Grüne Frank Habineza macht Wahlkampf gegen Ruandas Präsident Kagame. | |
„Ich gebe euch die Freiheit zurück“, verspricht er den Bauern. | |
Kommentar Völkermord in Ruanda: Beim „Sorry“ darf es nicht bleiben | |
Ruandas katholische Kirche entschuldigt sich für die Mittäterschaft ihrer | |
Angehörigen beim Völkermord 1994. Das kann nur der Anfang sein. | |
Völkermord in Ruanda: Die Kirche gesteht ihre Mitschuld | |
An den Massakern an den Tutsi im Jahr 1994 waren auch viele Geistliche | |
beteiligt. Das hat die Katholische Kirche nun eingestanden – und sich | |
entschuldigt. | |
Kolumne Afrobeat: Das Schweigen der Hirten | |
Der Auftritt von Papst Franziskus in Polen war beeindruckend. Er sollte | |
aber nicht nur Auschwitz, sondern auch Ruanda besuchen. | |
Dritte Präsidenten-Amtszeit in Ruanda: Ohne Kagame geht es noch nicht | |
Eine Verfassungsänderung soll den Machtverbleib des Präsidenten bis 2034 | |
ermöglichen. Die Haltung „Keine Experimente“ ist weit verbreitet. | |
Ruandisches Tagebuch Folge 8: Auch ein wenig mein Land | |
Zum Abschluss ihres Ruanda-Aufenthalts zieht unsere Autorin Bilanz – Bilanz | |
ihrer Reise und eine Bilanz des Wandels in Ruanda. | |
Erinnerung an den Völkermord in Ruanda: Draußen knallen Schüsse | |
Unsere Autorin wuchs in Deutschland auf. Geboren wurde sie in Ruanda. Im | |
Frühjahr 1994 beginnt das Morden in dem Land. Da macht sie dort gerade | |
Urlaub. |