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# taz.de -- Vergabeaffäre um PR-Kampagnen: Wirtschaftsminister Lies weist Schu…
> Er sei bloß inhaltlich in die kritisierten PR-Kampagnen eingebunden
> gewesen, sagt der Ressortchef (SPD), nicht in die Auftragsvergabe
Bild: Niedersachsen. Klar?! Der neue PR-Spruch haut nicht nur vergaberechtlich …
Er nimmt noch einen Schluck Wasser, faltet die Hände auf dem Tisch und sagt
dann seinen Namen, sein Alter und seinen Wohnort. Der niedersächsische
Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) muss als Zeuge vor dem
parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen, weil in seinem
Ministerium schwere Fehler bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gemacht
wurden.
Gerade hat die Ausschussvorsitzende Kathrin Wahlmann (SPD) ihn über seine
Rechte und Pflichten als Zeuge belehrt. Eine Falschaussage kann mit einer
Haftstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren bestraft werden. Der
Untersuchungsausschuss im großen Sitzungssaal des niedersächsischen
Landtags gleicht einem Gerichtsverfahren.
Lies hat das Wort. Er beugt sich auf dem blauen Stuhl weit nach vorn. Das
hier ist seine Möglichkeit, zu erklären, wie es möglich war, dass in seinem
Ministerium, das ausgerechnet für die Prüfung von Vergaben in den unteren
Behörden zuständig ist, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge so gepfuscht
und manipuliert wurde. „Es wurden offenkundig falsche Entscheidungen
getroffen“, sagt Lies.
Es geht dabei um eine ganze Reihe von Aufträgen: die Umgestaltung der
Webseite www.nds.de, Planungen für die sogenannte „Sieben-Städte-Tour“, d…
immerhin ein Volumen von fast einer Million Euro hatte, und einen neuen
Slogan für das Land Niedersachsen. Es wurden Lieblingskandidaten des
Ministeriums bevorzugt, unerlaubte Vorabgespräche geführt und Konkurrenten
benachteiligt.
Nachdem dies bekannt geworden war, feuerte Lies seine Staatssekretärin
Daniela Behrens (SPD) und versetzte seinen Pressesprecher. Gegen beide
ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts von
wettbewerbsbeschränkenden Absprachen. Der Minister räumte in seiner
Vernehmung weitere Fehler ein.
Zusätzlich zu den unerlaubten Absprachen mit einem Radiosender, der den
Zuschlag für die Moderation bei der Sieben-Städte-Tour bekam, die für das
Thema Elektromobilität werben sollte, seien teilweise keine
Vergleichsangebote eingeholt worden, etwa bei der Plakatwerbung oder der
Stromversorgung. Viele Vergabevermerke fehlten in den Akten ganz. „Das wäre
vermeidbar gewesen“, ärgert sich Lies – und schiebt die Verantwortung von
sich weg.
Er habe sich zwar an inhaltlichen Debatten beteiligt und im Fall der
Veranstaltungsreihe auch bei den Autoherstellern darum geworben, dass diese
dort ihre Elektrofahrzeuge zeigten, sei in die Vergabeverfahren aber nicht
involviert gewesen. Weitere Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter würden
nun geprüft, sagte Lies.
Die Opposition hingegen versucht herauszubekommen, ob der Minister mehr
wusste, als er zugibt. Der frühere Innenminister Uwe Schünemann (CDU) lehnt
sich in seinem Stuhl zurück, nimmt die Lesebrille von der Nasenspitze und
wirft Lies einen kritischen Blick zu. „Wo waren sie direkt eingebunden?“,
fragt er den Minister. Und ob Lies von der unerlaubten Kontaktaufnahme
seines Pressesprechers noch vor der öffentlichen Ausschreibung des
Moderationsjobs für die Sieben-Städte-Tour tatsächlich nichts gewusst habe.
Er selbst hält das für „lebensfremd“. Der Pressesprecher gehöre zum engs…
Umfeld eines Ministers, hatte Schünemann zuvor der taz gegenüber betont.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er eingeweiht war, liefert Lies aber
nicht.
Ganz anders die Regierungssprecherin Anke Pörksen (SPD). Sie ist als zweite
Zeugin geladen. „Es ist in meiner Verantwortung zu Fehlern in der Vergabe
gekommen, die ich hätte verhindern können“, sagt sie. Konkret geht es dabei
um den Claim „Niedersachsen.Klar“. Die Ausschreibung dafür war chaotisch.
Von 2013 bis 2016 versuchten die Staatskanzlei und das
Wirtschaftsministerium gemeinsam einen neuen Slogan für das Land zu
entwickeln. Von Anfang an dabei war die Agentur Michael Kronachers, der
auch für den ehemaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) gearbeitet hat. Er
leitete interne Behörden-Workshops, bei denen unbrauchbare Ideen wie
„Niedersachsen. Nicht lang schnacken“ oder „Niedersachsen. Das Land“
entwickelt wurden und organisierte später einen Ideenwettbewerb dazu.
Dieser war allerdings nicht von seinem ursprünglichen Vertrag gedeckt und
hätte neu ausgeschrieben werden müssen.
FDP und CDU vermuten, dass hier ein Parteifreund bevorzugt wurde. Pörksen
streitet das ab. Sie habe Kronacher nicht gekannt. Die Fehler bei der
Vergabe seien „irgendwie so reingerutscht“. Es habe keine bewusste
Entscheidung gegeben, die Hinweise der Vergabe-Experten aus der Verwaltung
zu ignorieren und Kronacher den Ideenwettbewerb leiten zu lassen.
2 Aug 2017
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
AfD Niedersachsen
PR
Kampagne
SPD Niedersachsen
Hannover
David McAllister
SPD Niedersachsen
Steuerhinterziehung
Niedersachsen
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