# taz.de -- Waffenstillstand für Libyen: Große Versprechen, kleine Aussichten | |
> Die Chancen auf einen Erfolg der Pariser Vereinbarung zwischen zwei | |
> Vertretern Ost- und Westlibyens sind schlecht. Die Macht haben andere. | |
Bild: Soll das jetzt vorbei sein? Haftars Panzer schießen in Bengasi, 17. Juli | |
Tunis taz | Auf Kritik bei Milizen und Parlamentariern in Libyen stößt die | |
Einigung, die der international anerkannte libysche Premierminister Fayiz | |
Sarradsch und der gegen dessen Regierung kämpfende Armeechef Chalifa Haftar | |
am Dienstag bei Gesprächen mit Frankreichs Präsident Macron in Paris | |
getroffen haben. Die beiden vereinbarten einen Waffenstillstand und einen | |
10-Punkte-Plan, der zu einem Ende des Bürgerkriegs und zu Parlaments- und | |
Präsidentenwahlen führen soll. | |
Es ist die erste gemeinsame Erklärung von Vertretern von Ost- und | |
Westlibyen, zwischen denen seit 2014 Bürgerkrieg herrscht. Das 2014 in die | |
Cyrenaika nach Tobruk evakuierte libysche Parlament mit Armeechef Haftar | |
und der als Interimsinstitution in Tripolis geschaffene Staatsrat mit | |
Premier Sarradsch erkennen sich gegenseitig nicht an. | |
In der gemeinsamen Erklärung verpflichten sich beide, „sobald wie möglich | |
Wahlen abzuhalten und die Waffen schweigen zu lassen“. Der Plan führt | |
ansonsten die Bereitschaft zur Versöhnung, Eingliederung ehemaliger Kämpfer | |
in eine neu zu schaffende Armee und weitere Gespräche aus. | |
Emmanuel Macron lobte den „historischen Mut“ seiner Gäste, die sich vor | |
allem aufgrund der Weigerung des selbsternannten „Feldmarschalls“ Haftar | |
zuvor nur am Rande von Konferenzen getroffen hatten. | |
## Verhaltenes Echo in Libyen | |
Doch in Libyen blieb das Echo verhalten. Parlamentspräsident Aguila Saleh | |
in Tobruk, der sich selbst für den eigentlichen Übergangsstaatschef Libyens | |
hält, ignorierte das Pariser Treffen. Die Partei „Justiz und | |
Gerechtigkeit“, in der auch viele aus Ägypten geflohene Muslimbrüder | |
organisiert sind, kritisierte die Vereinbarungen, da sie „nur den | |
Interessen individueller Länder dienen“. | |
Es entspricht der verworrenen Lage in Libyen, dass die Legitimität der | |
Verhandlungspartner Macrons unklar ist. Die Armee Haftars ist eigentlich | |
nur der Ostteil der früheren libyschen Armee, die er ansonsten mit | |
Stammesmilizen aufgefüllt hat. Sein militärischer Rang wurde vom nach | |
Tobruk gezogenen Parlament zwar bestätigt, aber von vielen westlibyschen | |
Offizieren nicht anerkannt. Nach Paris kam der 74-Jährige ohne | |
Parlamentsbeschluss, auf eigene Faust. | |
Und während Haftars Armee immerhin in Libyens zweitgrößter Stadt Bengasi | |
islamistische Milizen weitgehend besiegt hat und nun im Süden des Landes | |
auf dem Vormarsch ist, kontrolliert Premierminister Sarradsch in Tripolis | |
nur das Zentrum der Hauptstadt und hat ein paar Ministerien ohne Budget. | |
Unterstützt wird er nur von außen, von EU und UN. | |
## Frankreich ist nicht neutral | |
Auch Frankreich ist kein neutraler Vermittler in Libyen. Anders als | |
Italien, das mit den Milizen in Tripolis Geheimdiplomatie betreibt und | |
dadurch wieder eine Botschaft in Tripolis eröffnen konnte, setzen die | |
französischen Diplomaten auf ein militärisches Vorgehen gegen Islamisten in | |
Nordafrika und der Sahelzone und damit auf Haftar, der auch von Ägypten | |
militärisch unterstützt wird. | |
Frankreich schlug sich bereits im vergangenen Jahr offen auf die Seite | |
Haftars und unterstützt ihn in seinem Kampf gegen den sogenannten | |
„Islamischen Staat“ und Islamisten in Bengasi mit Drohnen und | |
Kampfhubschraubern. | |
In Rom sieht man Macrons Initiative daher kritisch, „gerade weil wir die | |
Leidtragenden der Migrationswelle über Libyen sind“, so ein Diplomat | |
gegenüber der taz in Tunis. | |
## Salafisten und Saudis | |
Beobachter in Libyen glauben, dass Macron mehr verspricht, als er halten | |
kann. Denn überall im Land haben sich in den letzten Monaten salafistische | |
Gruppen etabliert, die sich gegen Neuwahlen, aber auch gegen Haftar wenden | |
könnten. | |
Die Fronttruppen von Haftars Armee bestehen aus Mudakhali-Salafisten, die | |
dem saudischen Scheich Mudakhali folgen und wie ihre Glaubensgenossen in | |
Ägypten aus Saudi-Arabien bezahlt werden. „Der Schlüssel für den Frieden in | |
Libyen liegt mittlerweile bei den Golfstaaten, die das Machtvakuum füllen, | |
das Europa hinterlassen hat“, so ein Vertrauter von Premier Sarradsch. | |
Die Salafisten waren nicht nach Paris geladen, ebenso wenig Vertreter der | |
Handelsstadt Misrata, deren Milizen im Westen eine entscheidende Rolle | |
spielen und von Katar und aus der Türkei mit Waffen versorgt werden. | |
Weder Sarradsch noch Haftar sind die wichtigsten Akteure im libyschen | |
Bürgerkrieg. Im Osten hängt Haftar von den Salafisten und Stämmen ab, also | |
indirekt von Saudi-Arabien – im Westen haben die zahlreichen | |
Stadtteil-Milzen das Sagen, also indirekt Katar. Sie lassen sich in | |
Tripolis direkt von der Zentralbank bezahlen, Sarradsch kann ihnen keine | |
Befehle geben, aber auch nicht ohne sie regieren. Mit deren Kommandeuren | |
wird jedoch nur unter der Hand verhandelt. | |
Macron ist das egal: Paris setzt in ganz Nordwestafrika auf militärische | |
Lösungen gegen Islamisten und braucht dafür den Schutz von Haftars Armee. | |
Der Lackmustest für das Pariser Abkommen wird das kommende Wochenende. Der | |
Kommandeur der neugeschaffenen Präsidentengarde in Tripolis, die sich als | |
Gegenspieler zu Haftars Armee begreift, forderte alle Milizen der | |
Hauptstadt ultimativ auf, nichtautorisierte Waffen abzugeben. Das richtet | |
sich vor allem gegen die Milizen aus Misrata. | |
26 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Libyen | |
Tripolis | |
Emmanuel Macron | |
Chalifa Haftar | |
Migration | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Libyen | |
Libyen | |
Libyen | |
Milizen in Libyen | |
Libyen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Migrantentransport in der Sahara: 70 Kilometer Niemandsland | |
Zwischen Niger und Libyen gibt es die Grenze nur auf dem Papier. Schmuggler | |
und Armeen haben sich damit bestens arrangiert. | |
Frankreich vermittelt im Libyen-Konflikt: Vielleicht gibt es bald Wahlen | |
Frankreichs Präsident hat zwei Kriegsparteien in Libyen zusammengebracht. | |
Das könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. | |
Kämpfe im Süden Libyens: Islamisten richten Massaker an | |
Ein Massaker an Rekruten trägt den Ost-West-Konflikt auch in die südliche | |
Sahararegion. Das könnte den Druck auf die Migrationsrouten erhöhen. | |
EU-Hilfe für libysche Küstenwache: Eine heikle Bitte vom Türsteher | |
Libyen will von Europa aufgerüstet werden, Deutschland prüft. Was | |
Flüchtlinge aufhalten soll, könnte Schleuser fördern. | |
Bürgerkrieg in Libyen: Haftar-Truppen greifen Ölhäfen an | |
Wer in Libyen das Öl hat, hat die Macht. Armeeeinheiten der Gegenregierung | |
holen deswegen zum Schlag auf die Anlagen südwestlich von Bengasi aus. | |
Libyens Durchbruch gegen den IS: Sieg mit Symbolkraft | |
Milizen mit internationaler Unterstützung erobern das seit Juni 2015 | |
besetzte Hauptquartier des „Islamischen Staats“ in Sirte. | |
Debatte Libyen und Migration: Paradies für Menschenhändler | |
Verhandlungen mit Politikern und Milizen in Libyen sind wert- und sinnlos. | |
Stattdessen sollte Europa Städte und Gemeinden unterstützen. |