| # taz.de -- Polizei Berlin: In der Zeile verrutscht | |
| > Dreifacher Vater begeht Suizid wegen irrtümlichen Haftbefehls. Ein | |
| > Lesefehler mit dramatischen Folgen. Die Polizei betrachtet den Fall als | |
| > abgeschlossen. | |
| Bild: Nicht nur beim Dienst auf der Straße kommt es auf Gewissenhaftigkeit an | |
| Ein 44-jähriger Mann stürzt sich von seinem Balkon. Minuten zuvor hat er | |
| von Polizisten erfahren, dass er per Haftbefehl gesucht werde. Aber das war | |
| falsch. Es gab keinen Haftbefehl gegen ihn. Bei der Abfrage war ein | |
| Polizist in der Datenbank in die falsche Zeile gerutscht. | |
| Ohne diesen Fehler wäre es nicht zu dieser Tragödie gekommen. Dennoch: Der | |
| Beamte, der sich geirrt hat, hat keine Sanktionen zu befürchten. | |
| „Der Fall ist für uns abgeschlossen“, erklärte Polizeisprecher Winfried | |
| Wenzel am Montag auf Nachfrage. Es handle sich um menschliches Versagen. | |
| Der Beamte habe nicht vorsätzlich gehandelt. Man könne niemanden dafür | |
| bestrafen, dass er beim Lesen in einer Zeile verrutscht ist, meint auch der | |
| Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro. | |
| Der Vorfall hatte sich vergangenen Mittwoch in einer Wohnung in der | |
| Koloniestraße in Wedding ereignet. Anlass war laut Polizei der Notruf eines | |
| 17-Jährigen. Es war 16.30 Uhr, als sich der Anrufer – der Sohn des später | |
| verstorbenen Slavissa D. – im Präsidium meldete. Mehrere mit Messern und | |
| Eisenstangen bewaffnete Männer würden versuchen, in die im vierten Stock | |
| gelegene Wohnung zu gelangen, berichtete der Jugendliche. | |
| Sieben Beamte des zuständigen Abschnitts seien daraufhin ausgerückt, so | |
| Wenzel. Im Hausflur sei aber alles ruhig gewesen. Auf Klingeln habe der | |
| Jugendliche die Tür geöffnet und erklärt, die Angreifer seien bereits weg. | |
| Zur Klärung des Sachverhalts und um eine Anzeige wegen Bedrohung | |
| aufzunehmen, seien die Polizisten dann in die Wohnung. Neben dem | |
| Jugendlichen seien dort sein 44-jähriger Vater, seine 67-jährige Großmutter | |
| und zwei 37 und 45 Jahre alte Bekannte der Familie gewesen. | |
| In den Räumen der Wohnung hätten die Beamten sechs Fahrräder entdeckt, | |
| mindestens eines davon sei vermutlich geklaut gewesen. Die Bekannten hätten | |
| den Polizisten erzählt, dass sie und Slavissa D. Drogen genommen hätten. | |
| Das alles sei der Grund gewesen, mittels Anruf auf dem Abschnitt eine | |
| Abfrage im Polizeicomputer zu starten. Bei dem Wohnungsinhaber Slavissa D. | |
| sei die Nachfrage positiv gewesen. Das hätten die Polizisten dem Mann | |
| mitgeteilt. Er werde gesucht, weil er eine Geldstrafe von 1.500 Euro zu | |
| zahlen habe. „Er wirkte davon nicht überrascht“, so Wenzel. Ob jemand 1.500 | |
| Euro für ihn aufbringen könne, habe er seine Bekannten und die Familie noch | |
| gefragt. | |
| Mit den Worten, für die Haft noch Kleidung vom Balkon holen zu wollen, sei | |
| der Mann „ganz ruhig“ zur Tür gegangen. „Auf dem Balkon ging er aber am | |
| Wäscheständer vorbei und stürzte sich runter“, so der Polizeisprecher. | |
| Wegen der Höhe sei eher von einem Suizid als von einem Fluchtversuch | |
| auszugehen, so Wenzel. Er weigere sich aber, in der fehlerhaften Abfrage | |
| die Ursache für den Sprung zu sehen. | |
| Dem Vernehmen nach war Slavissa D. dreifacher Vater. Erst vor wenigen | |
| Wochen war der mehrfach Vorbestrafte aus dem Knast entlassen worden. | |
| 24 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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