# taz.de -- Von einem Korea ins andere und zurück: Die doppelte Überläuferin | |
> Erst floh Lim Ji Hyun aus Nordkorea in den Süden. Und machte | |
> Fernsehkarriere. Jetzt ist sie zurück in Pjöngjang – als Propagandawaffe | |
> für Kim Jong Un. | |
Bild: Die 26-jährige Nordkoreanerin Lim Ji Hyun nach ihrer Heimkehr nach Nordk… | |
Noch vor Kurzem galt Lim Ji Hyun als schillerndes Integrationsvorbild: | |
Nachdem die 26-jährige Nordkoreanerin 2014 aus ihrer Heimat floh, schien | |
ihr der Neuanfang im kapitalistischen Südkorea schnell zu gelingen. Als | |
Fernsehpersönlichkeit nahm sie an drei Reality-Shows teil, schrieb sich | |
erst vor Kurzem an eine Seouler Universität ein und schmiedete | |
ambitionierte Pläne als Schauspielerin. Seit Sonntag jedoch spielt sie eine | |
Rolle, die auch international für Furore sorgt – als Propagandawaffe für | |
Diktator Kim Jong Un. | |
„Jeder Tag im Süden war die Hölle. Ich wurde unter falschen Vorstellungen | |
dort hingelockt“, sagt sie unter Tränen in einem Video der nordkoreanischen | |
Webseite Uriminzokkiri. Unter ungeklärten Umständen ist Lim in ihr | |
diktatorisches Heimatland zurückgekehrt, wo sie nun mit ihrer Familie in | |
der Stadt Anju wohnt. Sie habe vom schnellen Geld in Südkorea geträumt, | |
doch musste sich in Hostess-Bars verdingen, um über die Runden zu kommen: | |
„Jeden Abend habe ich geweint und an mein Vaterland gedacht.“ | |
Südkoreanische Medien spekulieren, dass Lim Ji Hyung von Agenten gekidnappt | |
oder unter Androhungen gegen Familienmitglieder zu ihrer Rückkehr erpresst | |
wurde. Tatsächlich jedoch wächst die Anzahl der Rückkehrer unter den | |
insgesamt 30.000 nordkoreanischen Flüchtlingen. Das Vereinigungsministerium | |
listet zwar nur ein knappes Dutzend Fälle pro Jahr auf, ein südkoreanischer | |
Abgeordneter geht jedoch von einer Dunkelziffer von rund hundert aus. | |
## Pjöngjang braucht die Rückkehrer | |
Die Situation nordkoreanischer Aussiedler ist in ihrer Wahlheimat | |
erstaunlich tragisch: Zwar bekommen sie vom Staat einen Pass ausgestellt, | |
eine Sozialwohnung und monatliche Transferleistungen. Da sie jedoch oftmals | |
ihre Schlepper bezahlen müssen, beginnen sie ihre neue Existenz mit | |
Schulden. Zudem haben sie mit Vorurteilen zu kämpfen, bekommen aufgrund | |
mangelnder Qualifikationen meist nur Gelegenheitsjobs. Die Suizidrate unter | |
nordkoreanischen Flüchtlingen ist dreimal so hoch wie die der | |
Restbevölkerung. | |
Bislang wurden die Rückkehrer vom nordkoreanischen Regime in | |
Umerziehungslager gesteckt. Seit Kim Jong Un an der Macht ist, hat er | |
mindestens 25 von ihnen vor die Kameras des Staatsfernsehens geholt: In | |
tribunalartigen Propagandavideos müssen sie dort Reue über ihre | |
Entscheidung zeigen, das geliebte Vaterland verlassen zu haben. | |
Seitdem die nordkoreanische Bevölkerung durch geschmuggelte DVDs und | |
Radiogeräte wesentlich besser über die Außenwelt bescheid weiß als noch | |
ihre Elterngeneration, braucht Pjöngjang die Rückkehrer aus dem Süden umso | |
dringlicher, um das Narrativ für die eigenen Zwecke umzumünzen: Die | |
südkoreanische Gesellschaft mag zwar reich sein, doch sie ist auch | |
unmenschlich und kalt. Wer dort sein Glück suche, der lande in Schulden und | |
sozialer Isolation. Für manche Flüchtlinge trifft das tatsächlich zu. | |
21 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
## TAGS | |
Flüchtlinge | |
Geheimdienst | |
Fernsehen | |
Nordkorea | |
Südkorea | |
Nordkorea | |
USA | |
Pjöngjang | |
Nordkorea | |
Südkorea | |
Asien | |
Verbraucherschutz | |
Südkorea | |
Nordkorea | |
Atomausstieg | |
Nordkorea | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bootsflüchtlinge aus Nordkorea: Kims Totenschiffe | |
Fischerboote treiben an Japans Küste an: An Bord finden sich skelettierte | |
Leichen, Überlebende sind selten. Die Schiffe machen vielen Angst. | |
Chinas Einfluss auf Nordkorea: Pekings gefährliches Doppelspiel | |
China ist bereit, die Sanktionen gegen Nordkorea voll zu unterstützen. Was | |
Pjöngjang aber wirklich wehtun würde, wäre ein Einfuhrstopp von Öl. | |
Sanktionen gegen Nordkorea: Regime will knallhart zurückschlagen | |
Die Bilanz der Sanktionen gegen das nordkoreanische Atomprogramm ist | |
ernüchternd. Ihr Erfolg ist zweifelhaft und Pjöngjang bleibt hart. | |
Umgehung von Nordkorea-Sanktionen: Kims Arbeiter am Persischen Golf | |
Tausende Nordkoreaner verdienen auf Baustellen in Golfstaaten Geld für | |
Pjöngjang. Sie müssen die Hälfte ihres Lohns direkt weiterreichen. | |
Japanische Kriegsverbrechen: Streit um Zwangsprostitution | |
Ein Video zeigt erstmals koreanische „Trostfrauen“ im Zweiten Weltkrieg. Er | |
bestärkt Südkoreas Regierung, ein Abkommen mit Tokio abzulehnen. | |
Interessen der asiatischen G20-Mitglieder: Immer wichtiger | |
Wem nutzt es, wenn die USA sich isolieren? Ein Blick aus Peking, Delhi, | |
Jakarta, Tokio und Seoul auf den Gipfel in Hamburg. | |
Die Wahrheit: Herrliche Peitschen | |
Verbraucherschutz: Wie in jedem Jahr gab es auch jetzt einen | |
Diktaturentest, der die besonderen Anforderungen einer Tyrannei | |
herausstellt. | |
Südkoreas Präsident trifft Trump: Debüt mit Stolpersteinen | |
Der linke Präsident Moon Jae In dürfte bei seinem ersten Treffen mit Donald | |
Trump jeden Streit zu vermeiden suchen. | |
Kapitalismus in Nordkorea: Der arme Nachbar erstarkt | |
Das einst abgeschottete Land verändert sich unter Kim Jong Un. Beobachten | |
lässt sich das sehr gut in der chinesischen Grenzregion. | |
Pläne für Südkoreas Atomenergie: In 40 Jahren ist Schluss | |
Atomausstieg schrittweise – so soll Südkoreas Energiewende gelingen. Für | |
erneuerbare Energien hat das Land gute Voraussetzungen. | |
Kommentar Nordkorea und toter Tourist: Grausame Realitätsverdrehung | |
Was wirklich mit Otto Warmbier in nordkoreanischer Haft passiert ist, | |
bleibt unklar. Der Umgang mit ihm muss in jedem Fall brutal gewesen sein. |