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# taz.de -- Kommentar Vorratsdatenspeicherung: Im Interesse der Kunden
> Hinter dem Stopp der anlasslosen Datenerfassung steht
> SPD-Wirtschaftministerin Zypries. Deutet sich eine neue
> Bürgerrechtshaltung der SPD an?
Bild: Vorratsdatenspeicherung, wer hat sie erfunden? Der erste Versuch 2007 wur…
Spät, aber gerade noch rechtzeitig, hat die Bundesnetzagentur die
Vorratsdatenspeicherung am Mittwoch [1][faktisch ausgesetzt]. Am 1. Juli
hätte die anlasslose Speicherung aller Telefon- und Internetverkehrsdaten
beginnen sollen. Nun verzichtete die Netzagentur ausdrücklich darauf, diese
gesetzliche Pflicht mit Bußgeldern und Anordnungen durchzusetzen. Die
großen Provider, wie die Deutsche Telekom haben schon erklärt, dass sie im
Interesse ihrer Kunden auf die Speicherung verzichten wollen.
Einen solchen Schritt macht die Bundesnetzagentur natürlich nicht ohne
Rückendeckung. Organisatorisch gehört sie zum Geschäftsbereich von
Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Und tatsächlich erklärte das
Wirtschaftsministerium auf Nachfrage, dass die Erklärung der Netzagentur
„selbstverständlich“ mit dem Ministerium abgestimmt war. Aber wohl nicht
mit dem Unions-Teil der Großen Koalition. Elisabeth Winkelmeier-Becker, die
rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, kritisierte Zypries
scharf. Zypries müsse dafür sorgen, dass die Netzagentur „geltendes Recht
anwendet und auch durchsetzt.“ Bahnt sich hier ein neuer Koalitionskrach
an? Will die SPD [2][wie bei der Ehe für alle], die Union allein in der
rückständigen Ecke stehen lassen? Leider nein.
Anders als bei der Ehe für alle, wo sich die SPD beherzt an die Spitze der
Bewegung gesetzt hat, sind die Sozialdemokraten im Kampf gegen den
Überwachungsstaat unsichere Kantonisten. Mit einer grundsätzlichen Abkehr
von der Vorratsdatenspeicherung ist nicht zu rechnen. Schließlich wurde der
erste Versuch 2007 gerade von Zypries eingeführt, damals war sie
SPD-Justizministerin. Den zweiten Versuch hat 2015 ihr Nachfolger Heiko
Maas (SPD) konzipiert. Maas setzte dabei einen Wunsch des damaligen
SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel um.
Und die SPD ist auch jetzt weit davon entfernt, sich von der
Vorratsdatenspeicherung zu distanzieren. Seit Dezember ist bekannt, dass
der Europäische Gerichtshof (EuGH) flächendeckende anlasslose
Vorratsdatenspeicherungen für rechtswidrig hält. Justizminister Maas hat
dieses Urteil aber einfach ignoriert. Selbst als Überwachungs-Fan Gabriel
den SPD-Vorsitz aufgab, nutzte Maas die klare EuGH-Vorgabe nicht, um den
Ausstieg aus der Vorratsdatenspeicherung vorzubereiten. Auch vorige Woche,
als das OVG Münster erklärte, der EuGH-Spruch gelte natürlich auch in
Deutschland, hieß es von Maas nur, man werde das prüfen. Bei Maas, der
sonst eher als Schnellschuss-Minister bekannt ist, fällt soviel
Zögerlichtkeit natürlich besonders auf. Wenigstens Ex-Justizministerin
Brigitte Zypries ist gemeinsam mit der Bundesnetzagentur nun einen Schritt
in die richtige Richtung gegangen. Eine neue Linie der SPD oder sogar der
Bundesregierung zeichnet sich hier jedoch nicht ab.
Der neue Wind kommt ausschließlich aus Luxemburg, vom EuGH, der sich seit
einigen Jahren an die Spitze der Bürgerrechtsjustiz gesetzt hat. Während
das Bundesverfassungsgericht zwar fast jedes Sicherheitsgesetz beanstandet,
aber immer nur in Details, verwarf der EuGH die Logik der
Vorratsdatenspeicherung im Kern: Es darf keine flächendeckende anlasslose
Massenüberwachung der Bürger geben. Es wird Zeit, dass Deutschland als
größter EU-Mitgliedsstaat endlich signalisiert, dass es dieses
bürgerrechtliche Paradigma akzeptiert. Sonst wird der EuGH große
Schwierigkeiten bekommen, sich mit dieser Linie EU-weit durchzusetzen. Ein
klares Ja zur EuGH-Rechtsprechung – das zumindest sollte man von der SPD
erwarten dürfen. Die CDU/CSU wird dann schon folgen.
29 Jun 2017
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## AUTOREN
Christian Rath
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Vorratsdatenspeicherung
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