| # taz.de -- Pro und Contra zum Ehegattensplitting: Steuern sparen für alle? | |
| > Steuervorteile für Verheiratete bleiben umstritten. Sind sie reaktionär? | |
| > Was ändert sich mit der Ehe für alle? Und wie finden wir das? | |
| Bild: Endlich weg mit überkommenen Idealen – und damit auch dem Ehegattenspl… | |
| Am Freitag wird wohl [1][im Bundestag] die Ehe für alle [2][beschlossen]. | |
| Soll es, daraus folgend, auch ein Ehegattensplitting für alle geben? | |
| ## Ja, es begegnet realen Lebensverhältnissen | |
| Die Ehe für alle ist eine gesellschaftliche Chance. Für homosexuelle Paare | |
| sowieso, [3][das liegt auf der Hand]. Aber auch die Heteros werden davon | |
| profitieren. Denn die Ehe für alle wird erstmals dazu führen, die Chancen | |
| des [4][umstrittenen Ehegattensplittings] zu erkennen – losgelöst von allen | |
| Geschlechterdebatten. | |
| Wer heute noch heiratet, tut das in der Regel aus zwei Gründen. Da ist zum | |
| einen das Bekenntnis zueinander – vor Familie und Freunden, bei einigen | |
| auch vor Gott. Doch wer es romantisch haben will, sollte statt ins sterile | |
| Standesamt lieber ganz ohne Beamte auf eine sonnige Waldlichtung ziehen und | |
| sich dort versprechen, was man sich zu versprechen wünscht. Auch Liebe, | |
| Sex, Kinder und Einbauküche sind längst problemlos ohne Trauschein zu | |
| bekommen. Für all das bräuchte es das staatliche Institut der Ehe gar | |
| nicht. | |
| Der zweite Grund steht bei der zeremoniellen Feierei selten im Vordergrund, | |
| ist tatsächlich aber von weit größerer Bedeutung. Es geht um die Bildung | |
| einer kleinen Solidargemeinschaft – und um die Anerkennung als solche durch | |
| den Staat. Mit allen Rechten. Vor allem aber auch mit allen Pflichten. In | |
| guten wie in schlechten Zeiten. Wenn man ehrlich ist: vor allem in | |
| schlechten Zeiten. | |
| Denn Eheleute gehen eine Versorgungsgemeinschaft ein, sie verpflichten sich | |
| zu unbedingter, finanzieller Solidarität – was sogar im Falle einer | |
| Scheidung erst mal weiter gilt. Kann oder will eineR der GattInnen nicht | |
| mehr für sich sorgen, ist der Staat fein raus – und erkennt im Gegenzug das | |
| Paar als Steuergemeinschaft an. | |
| Das wiederum macht Verheiratete frei. Sie müssen und dürfen untereinander | |
| ausmachen, wer welche Aufgaben übernimmt. Dabei geht es keineswegs nur um | |
| Kohle und Kinder, sondern auch um Zeit für unbezahltes Engagement, | |
| Freiräume für Kreativität oder, warum auch nicht, das Recht auf Faulheit. | |
| Wenn der Partner das mitträgt, gilt: anything goes ganz ohne staatliche | |
| Gängelung in der kleinen autonomen Zelle Ehe. | |
| Dennoch gilt die Forderung, den Steuervorteil für Verheiratete | |
| abzuschaffen, in linken Kreisen seit Jahren als progressiv, weil er Frauen | |
| benachteilige, sie als tendenziell weniger Verdienende zurück an den Herd | |
| dränge. Das stimmt. Doch bei den künftig vollkommen gleichgestellten | |
| Homopaaren gibt es diesen Gendergap nicht. Das zeigt: Das Problem ist die | |
| gesellschaftliche Diskriminierung der Frauen, die sich nur in einer | |
| gemischtgeschlechtlichen Ehe fortsetzt. Das muss natürlich bekämpft werden. | |
| Das Ehegattensplitting aber sollte als Keimzelle solidarischer | |
| Partnerschaften nicht abgeschafft, sondern ausgeweitet werden, als | |
| Möglichkeit für Lebensgemeinschaften, die längst real und weit größer sind | |
| als eine Zweierbeziehung – ganz egal, ob man sie nun Ehe, Familie, WG, | |
| Freundeskreis oder wie auch immer nennt. | |
| Gereon Asmuth | |
| *** | |
| ## Nein, es sollte abgeschafft werden | |
| Die „Ehe für alle“ ist ein großer Fortschritt – symbolisch. Denn faktis… | |
| waren schwule und lesbische Paare auch schon vorher weitgehend | |
| gleichgestellt. So urteilte das Bundesverfassungsgericht bereits 2013, dass | |
| das Ehegattensplitting auch für eingetragene Partnerschaften gilt. Aber man | |
| sollte die Symbolik nicht unterschätzen. Es hatte ja eine Funktion, dass | |
| die Konservativen so hartnäckig an der Vorstellung festhielten, die „echte“ | |
| Ehe sei nur für Heterosexuelle da. | |
| Mit dieser Überhöhung der Hetero-Ehe wurde gleichzeitig ein antiquiertes | |
| Partnerschaftsmodell transportiert und gefeiert: Der Mann geht seinem Beruf | |
| nach, die Frau arbeitet höchstens Teilzeit. Genau für dieses altertümliche | |
| Modell ist auch das Ehegattensplitting konstruiert: Es lohnt sich nur, wenn | |
| ein Partner viel verdient – und der andere weitgehend zu Hause bleibt. Den | |
| meisten Bürgern ist deshalb noch gar nicht aufgefallen, dass das | |
| Ehegattensplitting längst auch für eingetragene Partnerschaften gilt. Denn | |
| bei schwulen und lesbischen Paaren haben beide Partner oft ähnlich gute | |
| Jobs, sodass das Ehegattensplitting für sie nicht relevant ist. | |
| Mit der „Ehe für alle“ geraten die Konservativen in die Defensive. Wenn | |
| alle in gleicher Weise verheiratet sind, dann wird offensichtlich, dass es | |
| absurd ist, nur eine Form der Partnerschaft steuerlich zu begünstigen: die | |
| Ein-Verdiener-Ehe. | |
| Zu den Absurditäten des Ehegattensplittings gehört, dass auch Verheiratete | |
| subventioniert werden, die gar keine Kinder aufziehen – während umgekehrt | |
| eine Alleinerziehende keine Steuervergünstigungen erhält. Kinder sind | |
| inzwischen das größte Armutsrisiko. Statt eines Ehegattensplittings | |
| bräuchten wir eigentlich ein Familiensplitting, das sich daran orientiert, | |
| wie viele Kinder im Haushalt leben oder unterstützt werden. Auch Fans des | |
| Ehegattensplittings haben nichts dagegen – solange auch der Vorteil für | |
| kinderlose Ehen erhalten bleibt. Doch für beides reicht das Steuergeld | |
| nicht. Wer Kinder angemessen fördern will, muss sich von der | |
| Subventionsgießkanne für die Ein-Verdiener-Ehe verabschieden. | |
| Bleibt ein letztes Argument, das von den Fans des Ehegattensplittings gern | |
| angebracht wird: das „Solidar-Prinzip“: Ehepartner würden sich gegenseitig | |
| beistehen, „bis der Tod sie scheidet“ – und dadurch den Sozialstaat | |
| entlasten. Da sei es nur fair, dass Eheleute einen Steuervorteil erhalten. | |
| Wieder liegt die Tücke im Detail: Vom Ehegattensplitting profitieren vor | |
| allem die Spitzenverdiener: Je höher das Einkommen – desto höher die | |
| Steuerersparnis durch das Splitting. Umgekehrt profitieren Geringverdiener | |
| gar nicht. Das Prinzip der Solidarität wird also auf den Kopf gestellt. | |
| Das Ehegattensplitting ist ein Relikt aus der Adenauer-Zeit. Es sollte | |
| abgeschafft werden. | |
| Ulrike Hermann | |
| 29 Jun 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5425350/ | |
| [2] /!5421454/ | |
| [3] /!5425146/ | |
| [4] /!5398332/ | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
| Gereon Asmuth | |
| ## TAGS | |
| Ehegattensplitting | |
| Ehe für alle | |
| Steuern sparen | |
| Steuern | |
| Alleinerziehende | |
| Gleichstellung | |
| Steuern | |
| Ehe für alle | |
| Ehe für alle | |
| Ehe für alle | |
| Ehe für alle | |
| Ehe für alle | |
| Ehe für alle | |
| Ehegattensplitting | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Steuerpolitik der Parteien: Alle versprechen mehr Geld | |
| Steuersenkungen versprechen alle großen Parteien. Wer profitiert bei | |
| welcher am meisten? Wer soll draufzahlen, und wer geht leer aus? | |
| Bundestag beschließt Ehe für alle: 393 Ja-Worte | |
| Fraktionsübergreifend verabschiedet der Bundestag das Gesetz zur Öffnung | |
| der Ehe. Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmt dagegen. | |
| Bundestag zur Ehe für alle: Gleichstellung auf der Tagesordnung | |
| Nach einer Erweiterung der Tagesordnung wird noch am Freitagmorgen über die | |
| Ehe für alle abgestimmt. Die Zustimmung gilt als wahrscheinlich. | |
| Unionsspitzen zu Ehe für alle: Seehofer verärgert, Merkel traurig | |
| Die Abstimmung über die Ehe für alle wird wohl nicht mehr zu verhindern | |
| sein. Unionspolitiker sind über das zügige Verfahren nicht sonderlich | |
| glücklich. | |
| Eddi Stapel über die Ehe für alle: „Es gibt viel wichtigere Themen“ | |
| Der Vorkämpfer für Lesben- und Schwulenrechte lässt am Freitag keine | |
| Sektkorken knallen. Eddi Stapel sagt, die Ehe für alle sei seit vielen | |
| Jahren längst überfällig. | |
| Faktencheck zur Öffnung der Ehe: Ehe für alle statt Ehe light | |
| Gleichgeschlechtliche Beziehungen sollen heterosexuellen gleichgestellt | |
| werden. Jetzt auch mit dem Recht, gemeinsam Kinder zu adoptieren. | |
| Abstimmung im Bundestag am Freitag: Auf zur Blitz-Hochzeit | |
| Nach jahrelangem Gezerre um die Ehe für alle geht es jetzt ganz schnell. | |
| Schon am Freitag soll das Parlament entscheiden. Ein Affront gegen die | |
| Union. | |
| Familienpolitik im Wahlkampf: Heiraten für Steuer und Krankenkasse | |
| Die Parteien tun sich schwer mit dem Abschaffen des Ehegattensplittings. | |
| Viele Paare mit ungleichen Einkommen profitieren davon. |