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# taz.de -- O.J. Simpson-Doku auf Arte: Amerikanische Tragödie in fünf Akten
> Für „O.J.: Made in America“ hat Ezra Edelman die epische Erzählweise der
> großen US-Serien meisterhaft auf den Dokumentarfilm übertragen.
Bild: Footballstar und Idol der Schwarzen – dann wegen Mordes angeklagt: O.J.…
Am Anfang sei es die schiere Länge gewesen, betont Ezra Edelman, wenn er
danach gefragt wird, was ihn an diesem Projekt gereizt habe. Fünf Stunden
Zeit – so war es ursprünglich geplant –, um ein Phänomen zu beleuchten,
sind für jeden Filmemacher ein Privileg, für Dokumentarfilmer aber eine
besonders seltene Gelegenheit.
Weniger begeistert sei er dann gewesen, als er erfahren habe, dass sich der
Sportsender ESPN diese epische Erzählung ausgerechnet zu O. J. Simpson
wünschte, jenem ehemaligen US-amerikanischen Football-Star und
Hollywood-Promi, der Mitte der 1990er Jahre als Angeklagter in einem der
bekanntesten Strafprozesse der Geschichte wegen eines brutalen Mordes an
seiner Exfrau Nicole Brown Simpson und deren Bekannten Ronald Goldman vor
Gericht gestanden hatte und trotz erdrückender Beweislage freigesprochen
worden war.
[1][Dem medialen Overkill], der 1994 und 1995 mit dieser Sensationsstory
einherging, konnte niemand entkommen und der Überdruss dieser bis ins
letzte geschmacklose Detail ausgeschlachteten Geschichte hält bei vielen
bis heute an.
## „Bester Dokumentarfilm“
Doch weil Edelmans fünfteilige Doku-Serie, die letztendlich sogar auf über
siebeneinhalb Stunden Gesamtspielzeit kommt, die Figur Simpsons eher als
Spiegel nutzt, um vier Jahrzehnte gesellschaftspolitische Entwicklungen in
den USA zu reflektieren, wird aus „O.J.: Made in America“ eine mitreißende
Schilderung, die bei [2][der diesjährigen Oscarverleihung zu Recht den
Preis als „bester Dokumentarfilm“ gewinnen konnte]
Der Sohn des Rechtswissenschaftlers Peter Edelman und der
afroamerikanischen Aktivistin für Kinderrechte und Kinderschutz, Marian
Wright Edelman, orientiert sich dafür deutlich am episch-narrativen Prinzip
von großen US-Serien und erzählt anhand seines Antihelden vor allem auch
eine Geschichte über die Stadt Los Angeles: Sowohl die durchgängige
Diskriminierung der schwarzen Community durch Polizei und Justiz und der
anhaltende Kampf für ihre Rechte als auch das im Kontrast dazu scheinbar
farbenblinde, aber egozentrische Starsystem Hollywoods, in dem lediglich
Erfolg und Ruhm zählen; und natürlich auch die omnipräsente Rolle der
Medien.
So schafft es Edelman über die Folgen hinweg, schlüssig und nachvollziehbar
zu erklären, wie und warum ausgerechnet Simpson, der sich, im Gegensatz zu
schwarzen Sportlern wie Muhammad Ali oder den Olympiasiegern Tommie Smith
und John Carlos, stets von der Bürgerrechtsbewegung distanziert hatte („Ich
bin nicht schwarz, ich bin O.J.“), zum Symbol der Afroamerikaner wurde und
dies für seine Zwecke auszunutzen wusste, um die Geschworenen für sich zu
gewinnen.
## 70. Geburtstag von Simpson
Fast 600 Stunden Archivmaterial und über 60 Interviews mit Zeitzeugen und
Beteiligten machen „O.J.: Made in America“ zu einer differenzierten
Collage, deren erzählte Zeit bis in die Gegenwart hineinragt und dadurch
auch eine aufschlussreiche Analyse der Ursachen zur aktuellen Verfasstheit
der Vereinigten Staaten von Amerika unter Donald Trump darstellt.
Vielleicht ist es also kein Zufall, dass die Titelmusik ein wenig an die
[3][der Politserie „House of Cards“] erinnert.
Arte zeigt das Porträt anlässlich des 70. Geburtstags von Simpson am
Sonntag. Dieser sitzt derzeit aufgrund einer Verurteilung von 2008 im Zuge
eines abstrusen Raubüberfalles in Las Vegas im Gefängnis. Für den 20. Juli
ist seine Bewährungsanhörung angesetzt, dann hat er die Möglichkeit, nach
neun Jahren wieder auf freien Fuß zu kommen. Interviews hat der ehemalige
Footballstar in dieser Zeit keine gegeben, auch nicht Edelman. Ein Manko
des Films ist das nicht, vielmehr schärft die Distanz des Filmemachers den
Außenblick auf den Fall dieses amerikanischen Idols.
7 Jul 2017
## LINKS
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## AUTOREN
Jens Mayer
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