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# taz.de -- Wandern in England: Fish ’n’ Chips in Clovelly
> Wanderungen an der Südküste von Clovelly nach Tintagel. Die sogenante
> „coast of legends“ ist auch ohne große historische Zeugnisse legendär.
Bild: Auf dem Weg von Crackington Heaven nach Tintagel
Clovelly ist ein vorausweisender Einstieg in unsere Wanderung. Und eines
der hübschesten Dörfer Devons. Vom Old Smithy Bed & Breakfast im oberen
Teil des Dorfes, steigen wir die Kopfsteinstraße zum Hafen hinab.
Beschwerlich steil bergab, um später genauso atemraubend bergan zu steigen.
So viel Energievergeudung!
Das Dorf gehört der Hamlyn Familie. Sie hat den unteren Teil des Dorfes vom
touristischen Zugriff ausgeschlossen, damit es sich nicht ganz in der
Postkartenidylle verliert: Urige, geweißelte Cottages, bunte Blumen,
Tearooms, Souvenirshops säumen den steilen Abgang zum Hafen aus dem 18.
Jahrhundert. An guten Tagen wurden hier früher bis zu 9.000 Heringe im Meer
gefangen. Für ihren Transport wurden Esel eingesetzt. Einer steht einsam
auf der Mitte des Weges zum Hafen als Touristenattraktion.
In der Schlucht, gleich hinter dem Dorf Richtung Süden, soll Merlin, der
Zauberer der Artussage, geboren worden sein. Das kann niemand beschwören;
aber unsere Reise ist nun mal eine Wanderung an der „coast of legends“ auf
den Spuren der Artussage, so hat es sich das Tourismusmarketing ausgedacht.
Markus, der Fotograf, fängt jedes Detail akribisch ein. Esel spornen ihn
offensichtlich an. Die 24 Kilo schwere Fotoausrüstung im Rucksack muss auch
getragen werden. Seine Arbeit, mein Glück: die Fotopausen sind für mich
willkommene Verschnaufspausen, wenn Franz, der Dritte im Bunde, wie ein
Wiesel voraus eilt. Bei einem Glas Cider wartet er dann auf uns und macht
sich entspannt Notizen für seinen Artikel in einer großen, überregionalen
Zeitung.
Clovelly ist auch vorausweisend was die kulinarischen Genüsse dieser Reise
betrifft. „The New Inn“, der immerhin „seit dem 17. Jahrhundert Gäste
empfängt“, bietet das typische Diner der nächsten Tage: Fish’n’ Chips,
Krabbencoctail wie in den 60er-Jahren oder Steak, wahlweise ein Curry. Das
Steak ist zäh, die Chips kalt und fettig, die Salatbeilage geschmacklos:
weich gekochte Erbsen. Der Cider schmeckt!
Der „south west coast path“ an der englischen Südküste zieht sich 630
Meilen, 1.013 Kilometer immer auf dem Küstengrat entlang. Es ist der
längste nationale Wanderweg Englands. Kulturelles Erbe, Wildnis, Flora und
Fauna, Geologie, spektakuläre Aussichten aufs Meer. Wir testen ihn vier
Wandertage lang zwischen Clovelly und Tintagel.
## Von Clovelly nach Hartland
Die Sonne scheint und Hartland, unsere nächste Station liegt nur 12,7 km
entfernt. Joan, die 12 Tage lang hier wandern will, so hat sie uns am
Vortag begeistert erzählt, überholt uns leichten Schrittes. Viele Frauen
sind hier allein unterwegs. England gehört zu Europa! Das findet übrigens
auch Joan und alle anderen, mit denen wir unterwegs sprechen. Die
Wanderklientel scheint eine ganz bestimmt Art zu sein.
Knallgelbe Ginsterbüsche, tiefblaue Blue Bells, lilafarbene
Kuckuckslichtnelken, Schafe und Pferde, die auf den Klippen weiden, vom
Meer ausgespühlte, schroffe, schwarze Buchten, Einsamkeit, krächzende Raben
– die Poesie der Landschaft könnte überwältigend sein.
Doch Markus fällt bei jeder neuen Schafsrasse, jedem satten, prächtigen
Rind auf der Weide eine neue, fantastische Zubereitung ein: Lammleber mit
beschwipsten Aprikosen und Zwiebeln, dazu seine spezielle Thaisauce –
Koriander, Knoblauch, Chili, Ingwer –, Rinderfilet als Carpaccio oder
Pferdefleisch als Rheinischer Sauerbraten. Markus, ein wanderndes Kochbuch,
ein fotografierender Gourmet.
Verwilderte Täler mit Bächen und Wasserfällen, die ins Meer münden,
baumlose Weiden, blühende Blumenwiesen. Rast am Angels Wings Shelter, einem
historischen Aussichtspunkt. Franz verweigert jegliche Nahrung, nicht
einmal Wasser nimmt er. Ob ihn das so beschleunigt, so leichtfüßig macht?
Vorbei an dem alten, weißgetünchten Leuchtturm aus dem 19. Jahrhundert
erreichen wir Hartland Quay. Am Hafen liegt heute ein Restaurant und Hotel.
Im Wreckers Retreat Bar & Restaurant hier am Quay bestellen wir Lammcurry.
Der ist auf jeden Fall würzig. Sally Zalewski holt uns für die Übernachtung
in Hartland Village mit dem Auto ab. Die weitgereiste Sally kennt sich aus
in der Region und in regionaler, guter Küche. Sie serviert am nächsten
Morgen ein köstliches Frühstück mit selbst gebackenem Brot und selbst
gemachter Marmelade.
## Von Hartland nach Bude
Schon der dritte Tag mit Sonne. Von Hartland nach Bude sind es heute
erschreckende 24,8 km. Beim Friedhof der Kirche von Morwenstow kommen mir
die ersten Zweifel. Vorbei an Howers Hug, der Hütte von Robert Hawker. Dem
exzentrischen, dichtenden Priester diente der abgründige Blick aufs Meer
als Inspiration. Er zog sich hierhin zurück, um zu schreiben und Opium zu
rauchen.
Nicht weit davon und nicht zu verfehlen ist der Militärstützpunkt GCHQ
Bude. Ein Satellitenzentrum futuristischer Art. Die Türme von Bude, die wir
aus dieser Höhe sehen, verschwinden immer wieder, weil wir neue, tiefe
Einbuchtungen durchwandern müssen. Die Strecke zieht sich endlos. Kurz vor
Bude wird der Wanderweg belebt. Über den weiten Sandstrand von Bude
erreichen wir The Grosvenor Bude, unsere heutige Unterkunft. Das junge
Paar, Lizzy und Steve aus Manchester betreiben das viktorianische Anwesen
seit zwei Jahren.
Bude ist ein Surferparadies nach dem Motto: life is a beach.Steve ist
Surflehrer, Surfer sind auch seine Hauptklientel. Aber es kämen auch viele
Deutsche auf den Spuren von Rosamunde Pilcher hierher, deren Romanzen ganz
in der Nähe für das deutsche Fernsehen gedreht werden, weiß Steve. Ob
Rosamunde Pilcher in England auch so berühmt sei, wollen wir wissen:
„Nein“, sagt Steve, „wir haben schon genug Mist im Fernsehen.“
Das Abendessen im Brendon Arms, dem gut besuchten lokalen Pub, schmeckt
erstaunlich gut. Hier treffen wir Joan wieder: Sie, die uns immer überholt
hat, kann nicht mehr. Sie legt einen Tag Ruhepause ein. Auch wir sind viel
zu müde für Bingo und Billard, das im Pub mit Leidenschaft gespielt wird.
## Von Bude nach Crackington Haven
Über schwindelerregende Abstiege geht es am nächsten Tag den Küstenweg 17
km bis Crackington Haven, ein hartes Stück Weg. In der Trevigue Farm, einem
Grundstück des National Trust werden wir dafür mit der hervorragender Küche
von Gayle Crocker belohnt. Nicht überall ist kulinarische Wüste. Markus ist
in seinem Element: Food shooting. Köstliches Fleisch, gebratenes Gemüse,
Erdbeeren und Tarte – fotogen serviert.
Die letzten 18 km begleitet uns Steve Crummay. Steve arbeitet seit 30
Jahren als Landschaftspfleger und Guide im regionalen Naturschutz: Er kann
jede Blume, jeden Stein erklären. Auch Steve ist Brexit-Gegner. Europa, das
bedeute für ihn: saubere Strände, Rücksicht auf die Natur und
Umweltauflagen. „Die werden nun seit dem Brexit extrem zurück gefahren“,
sagt er. Über die Legende dieser Route muss Steve erst nachdenken.
## Tintagel – die Legende lebt
Aber wir finden sie doch: In den vielen Souvenirläden im Ortskern von
Tintagel weist alles, was sich erwerben lässt, auf König Arthur hin.
Schwerter, Schilde, Rüstungen, Ritter. Am Meer liegt hoch oben die
Burgruine Tintagel Castle, die der Chronist Geoffrey of Monmouth 1136 in
seiner Historia Regum Britanniae zu König Artus’ Residenz erklärt hat.
Tintagel ist identitätsstiftend. Es gehört zu den am häufigsten von
Touristen besuchten Zielen in England.
Der Ort selbst ist völlig unspektakulär, eine Ansammlung von Bungalows und
Gasthäusern. Bei Cider, Fish’n’ Chips nehmen wir im King Arthur’s Arms P…
gebührend Abschied. Markus hat die Kamera bereits verstaut. Food shooting
lohnt hier nicht.
1 Jul 2017
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Wandern
England
Küste
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Tourismus
Brandenburg
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