# taz.de -- Debatte Absetzung von Donald Trump: Der Besuch des alten Herrn | |
> Das Szenario eines möglichen Impeachments Trumps trägt Züge eines Dramas, | |
> wie es sich Dürrenmatt nicht besser hätte ausdenken können. | |
Bild: Naht das Ende? – Kostümierter auf LGBT-Demo in New York | |
In „Der Besuch der alten Dame“ erzählt Friedrich Dürrenmatt den tragischen | |
Tod eines Dorfkrämers, der einer alten Sünde und einer sich selbst | |
verstärkenden Spirale um sein absehbares Ende zum Opfer fällt. Donald | |
Trumps Schicksal im Gefolge der [1][Comey- und Russland-Affäre] könnte sich | |
möglicherweise auf ähnlichen Bahnen abspielen. Rein dramaturgisch gesehen | |
wären alle notwendigen Elemente dafür vorhanden. | |
Alfred Ill ist Krämer in einem von Niedergang und Arbeitslosigkeit | |
geplagten Ort. Eines Tages erscheint eine reiche alte Dame, die mit ihm aus | |
Jugendtagen noch eine Rechnung offen hat, und macht den Dorfbewohnern ein | |
Angebot: Sie stellt eine beträchtliche Investition – eine Milliarde! – in | |
Aussicht für den Fall, dass der Krämer getötet wird. | |
Das Angebot erscheint zunächst ungeheuerlich: Ill ist ein alteingesessenes | |
Mitglied der Dorfgemeinschaft, ihn zu töten, erscheint unvorstellbar. | |
Zunächst geschieht nicht mehr, als dass ein Kunde in seinem Laden | |
vergleichsweise hochpreisige Zigaretten kauft und den Kaufpreis anschreiben | |
lässt – den Umstand ausnutzend, dass Ill in einer Position der Schwäche und | |
Abhängigkeit ist und nicht Nein sagen kann. | |
Das Beispiel macht Schule, immer mehr Dorfbewohner erwerben immer mehr | |
Waren auf Kredit, verschulden sich an allen möglichen Stellen bis über | |
beide Ohren, bis die vielen Akte des Lebens auf Pump sich auf gruslig | |
subtile Weise zu einer Situation summieren, in der der akkumulierte | |
Schuldenberg von großteils arbeitslosen Personen nicht mehr anders | |
bewältigt werden kann als dadurch, dass das Angebot der Dame angenommen | |
wird. Die Frage ist dann nur noch, wie und durch wen das blutige Geschäft | |
erledigt wird, was am Schluss in einem ebenso feigen wie entschlossenen | |
kollektiven Akt geschieht. | |
## Königsmörder stehen nicht sofort auf der Matte | |
Im Fall von Trump handelt es sich nicht um eine Dame, sondern um einen | |
Herrn – [2][Sonderermittler Robert Mueller] –, der auf der Bühne erscheint | |
mit einem Szenario, das nicht mehr weggehen wird: dem Szenario des | |
Impeachment. Dieses mag seine Wirkung schleichend entfalten, ebenso wie das | |
Angebot der Dame, das erst nach Wochen oder Monaten, jedenfalls nach einem | |
längeren, sich aufbauenden Prozess zur Erfüllung gelangt. Auch in | |
Washington stehen nicht sofort Königsmörder auf der Matte. | |
Aber viele Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass mit der Zeit immer | |
mehr republikanische Kongressabgeordnete auf Distanz zu Trump gehen werden. | |
Viele von ihnen haben Trump ja ohnehin nie von Herzen geliebt, sondern mehr | |
aus Gründen der Parteiräson unterstützt. | |
Das laufende Ermittlungsverfahren mag dazu führen, dass eine Assoziation | |
mit Trump nun als Risikofaktor für die nächsten Wahlen gilt, und auch | |
Kongressabgeordneten ist vorrangig an ihrer eigenen Wiederwahl gelegen. | |
Eine bröckelnde republikanische Mehrheit im Kongress aber würde es Trump | |
noch schwerer machen, Gesetzesvorhaben umzusetzen und seinen Anhängern | |
wenigstens irgendwelche politischen Erfolge zu präsentieren. | |
Auch könnten es unter diesem Bedingungen Trumps Minister zunehmend schwer | |
haben, die noch offenen Posten in ihren Ministerien zu besetzen. In vielen | |
Ministerien sind wichtige Positionen in den Führungsetagen immer noch | |
verwaist, während die Mitarbeiter in den niedrigen Rängen mehr oder weniger | |
geschlossen auf Abwehr spielen. Solange Trumps Regierung unter dem Stern | |
eines möglichen Impeachment und eines unrühmlichen Endes steht, dürften | |
etliche Kandidaten zögern, sich auf einen solchen Posten setzen zu lassen – | |
jedenfalls Kandidaten, die noch offene Karrieren in Washington vor sich | |
haben. | |
## Es braucht keine Mutigen | |
Hier sind Momente einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung im Spiel: Je | |
stärker ein mögliches Impeachment oder ein sonstiges Ende der | |
Trump-Regierung im öffentlichen Diskurs präsent ist, desto stärker wird die | |
Zersetzungskraft einer solchen vorwegnehmenden Distanzierung. Das | |
Hinterhältige daran ist, dass es – ganz wie bei Dürrenmatt – nicht | |
unbedingt starke und mutige Positionierungen gegen Trump sein müssen, die | |
sein Ende schleichend befördern; es genügt ein vorsichtiges, | |
zukunftssensibles Agieren von vielen Seiten. | |
Auch bei Dürrenmatt handeln die Dörfler ja keineswegs in finsterer | |
Entschlossenheit, vielmehr zögern sie den immer unumgänglicher werdenden | |
Schlussakt so lange wie möglich hinaus. Sie handeln nur in der vagen Ahnung | |
einer sich ändernden Situation, eines in der Zukunft bevorstehenden | |
Geldsegens, der aber für jeden Einzelnen nicht als Folge eigenen Handelns | |
vor Augen steht, sondern als eine irgendwie sich ergebende neue | |
Globalsituation. | |
Ob es für ein Impeachment von Trump am Ende ausreichend juristische | |
Handhabe geben wird, ist völlig offen. Inwiefern er FBI-Chef Comey in | |
justizbehindernder Weise Anweisungen gegeben oder sich nur tolpatschig | |
ausgedrückt hat, ist interpretierbar und vielleicht nicht gerichtsfest. Die | |
Strategie des Aussitzens, die Trump verfolgt, könnte sich insofern auch | |
bewähren. | |
Eine interessante Zwischenfrage wird sein, wie Trump sich zu seinem | |
Schwiegersohn [3][Jared Kushner] verhält, wenn dieser wegen dubioser | |
Kontakte zu russischen Diplomaten und Bankern stärker unter Beschuss gerät. | |
Dass Trump sich von Kushner distanziert, ist kaum vorstellbar; aber ob die | |
Strategie nach dem Motto „Ist doch gar nichts gewesen“ hier ziehen wird, | |
ist ungewiss. Vielleicht tritt Trump ja auch unter dem monatelangen Gefühl | |
des Blockiert- und Gejagtseins in einem großen Knall und einer großen | |
letzten Pose des Beleidigtseins selbst zurück: „Selbst schuld, wenn Amerika | |
mich nicht hat machen lassen, sich nicht hat retten lassen.“ | |
Zwischenzeitlich könnten vielleicht hilfreiche Zeitgenossen Trump ein | |
Exemplar von Dürrenmatts Drama ins Weiße Haus schicken, zur gemütlichen | |
Nachtlektüre. Das Gefühl des in einem Haus sich zunehmend verschanzenden | |
Krämers Ill wird Trump sicher nachvollziehen können – belagert von | |
kriechender Feindseligkeit, noch nicht glaubend, dass es wirklich so sein | |
könnte, und doch kein Gegenmittel gegen die sich entfaltende Dynamik | |
findend. | |
5 Jul 2017 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Kuchler | |
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